Prozess gegen CDU-Kommunalpolitiker: Ein Schuss aus fünf Zentimeter
Vor zwei Jahren schoss Hans-Josef Bähner auf einen Mann und beleidigte ihn rassistisch. Nun muss der CDU-Politiker drei Jahre und sechs Monate in Haft.
Damit folgte die Kammer im Großen und Ganzen dem Plädoyer des Staatsanwalts Sinan Sengöz, der 3 Jahre und 9 Monate Haft gefordert hatte. Für eine Bewährungsstrafe, so Sengöz, sei die Schuld zu schwerwiegend. „Der Angeklagte wusste ganz genau, dass er eine potenziell tödliche Waffe hat“, so Sengöz. Dass er den unbewaffneten Geschädigten auf sein Grundstück zu locken versuchte, um dann zu schießen, „kann ich nur als bösartig und perfide bezeichnen“.
„Man muss sich die Surrealität vor Augen führen“
Der junge Mann sei auf dem Gehweg geblieben, doch Bähner drückte dennoch ab, aus maximal fünf Zentimeter Entfernung. Die Kugel aus der halbautomatischen Pistole (Typ Bernadelli, Modell 60) durchbohrte von hinten den Oberarm des damals 20-jährigen Krys M. und trat am Schulterblatt wieder aus. „Potenziell tödlich“ sei dieser Schuss gewesen, so die Einschätzung des Gerichtsmediziners im Verfahren. M. hatte Glück, kein wichtiges Organ wurde verletzt. Er klagt heute noch über Schmerzen, habe auch psychische Probleme.
„Man muss sich die Surrealität der Situation vor Augen führen“, erklärt Staatsanwalt Sengöz in seinem zweistündigen Plädoyer. „Herr Bähner sitzt mit seiner Frau im Wohnzimmer. Als er die Gruppe bemerkt, bewaffnet er sich umgehend mit einer schussbereiten Waffe, geht raus und fängt an, die jungen Männer rassistisch zu beleidigen.“ Denn auch das sieht die Staatsanwaltschaft als erwiesen an: „Scheiß Ka**ken“, „Drecksausländer“ und „Dreckspack“ habe er zu den Männern gesagt, drei von ihnen haben Familien mit Migrationsgeschichte. Als Indizien nimmt der Staatsanwalt die im Großen und Ganzen übereinstimmenden Zeugenaussagen der vier Zeugen.
Verteidigung plädierte auf Freispruch
Rechtspopulistische Kommentare („Bilderberger“) und Shares von rechtsextremen Seiten wie journalistenwatch auf Bähners privatem Facebook-Profil aus den Jahren vor der Tat wertete der Staatsanwalt als Indizien dafür, dass Bähner, anders als er selbst in einer verlesenen Erklärung behauptete, sehr wohl ausländerfeindliche Gesinnungen hegt.
Verteidiger Mutlu Günal hatte dagegen auf Freispruch plädiert. Er hatte in der Verhandlung hauptsächlich versucht, auf aggressive Weise die Glaubwürdigkeit der Zeugen in Zweifel zu ziehen. Seine These: Die vier Männer hätten sich abgesprochen und die rassistischen Beleidigungen nur erfunden.
Drei der vier Zeugen hatten erst in einer zweiten Vernehmung, knapp vierzehn Tage nach der Tat, von konkreten rassistischen Beleidigungen gesprochen. Für die Verteidigung ein Indiz, dass alle vier gelogen hätten. Günal nutzte außerdem seine eigenen Rassismuserfahrungen, um den Zeugen F. der Lüge zu überführen. „Wenn ich rassistisch beleidigt werde, kann ich mich genau erinnern, was gesagt wurde“, sagte er zu F., der nicht mehr genau wusste, ob Bähner jetzt „Scheißk**ke“ oder „Drecksausländer“ gesagt habe. Dass er das nicht mehr wisse, beweise die Lüge.
„Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass es eine Absprache zwischen den Zeugen gegeben hat“, sagte dagegen Richter Ernst in der Urteilsbegründung. Dass die drei Zeugen zunächst nicht von Rassismus gesprochen hatten, erklärte der Richter damit, dass die Situation für die Zeugen in der Tatnacht emotional aufwühlend gewesen sei und die Polizei sich in den Vernehmungen zunächst auf die Schussabgabe konzentriert habe. Außerdem habe der Geschädigte Krys M. bereits im Krankenhaus mehrfach von rassistischen Beleidigungen gesprochen.
Der Angeklagte Bähner hatte dagegen von Notwehr gesprochen, in der weiteren Verhandlung dann aber geschwiegen. Nach Bekanntwerden der Tat im Januar 2020 hatte der CDU-Lokalpolitiker seine Ämter niedergelegt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“