Proteste in Iran: Solidarität ist nicht zwecklos
Das Mullah-Regime versucht die feministische Revolution mit Gewalt niederzuschlagen. Umso wichtiger, Solidarität zu zeigen und nicht wegzuschauen.
Frauen, Leben, Freiheit“ ist der Slogan unter dem die Menschen im Iran seit über einem Monat die Grundfeste des iranischen Regimes erschüttern. Trotz der rigorosen Internetsperre dringen täglich Videos der Proteste nach außen. Zu sehen sind Szenen, die zuvor angesichts massiver Unterdrückung im Gottesstaat undenkbar waren: Schülerinnen, die ohne Kopftuch ihren Direktor vom Schulhof jagen; Polizisten, die sich hilflos vor einer aufgebrachten Menschenmenge zurückziehen und Demonstrant:innen, die auf offener Straße das Ende der Diktatur und den Sturz des Machthabers Ayatollah Khameneis fordern.
Die Ermordung der 22-Jährigen Jina Mahsa Amini löste eine Protestwelle aus, die in wenigen Tagen das ganze Land erfasste. Die ethnische Kurdin wurde von der Moralpolizei verhaftet und anschließend tödlich misshandelt, da sie ihr Kopftuch nicht „ordnungsgemäß“ getragen habe. Selbst Expert:innen waren erstaunt, dass sich diese Protestwelle im Gegensatz zu früheren, erfolglosen Versuchen nicht auf eine bestimmte Klasse, Ethnie oder Bevölkerungsgruppe beschränkt. Das zeigt sich auch in dem feministisch-revolutionären Slogan, der ursprünglich von den Frauen der kurdischen Freiheitsbewegung geprägt wurde.
Obwohl Frauen an vorderster Front der Proteste stehen, geht es um weit mehr, als nur um die Abschaffung der Kopftuchpflicht – es geht um den Sturz eines diktatorischen Regimes, dessen Machterhalt auf der Unterdrückung von Frauen basiert. Dass die Befreiung der Frau den Sturz des Regimes bedeutet, ist allen Iraner:innen klar, die auf die Straße gehen.
Solidarität ist nichts vergebens
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Wenig überraschend also, dass die Machthaber mit brutalster Härte gegen die Demonstrant:innen vorgehen. Weit über 200 Menschen wurden bereits von den Sicherheitsbehörden getötet; täglich werden es mehr. Vom sicheren Berlin aus ist es schwer, diese Grausamkeiten einfach nur mitanzusehen. Das gilt besonders für die tausenden Exil-Iranier:innen, die in der Hauptstadt leben.
Solidaritätsaktionen wie Demonstrationen und Kundgebungen sind wichtiger denn je, Öffentlichkeit für die Ereignisse im Iran herzustellen und nicht zuletzt Druck auf die Bundesregierung aufzubauen, entschlossener gegen die Machthaber im Iran vorzugehen. Trotz vollmundiger Ankündigungen von einer „feministischen Außenpolitik“, hielt sich Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zunächst auffällig zurück. Schließlich ist die selbstbezeichnete „islamische Republik“ ein wichtiger Handelspartner, zu der man die Handelsbeziehungen gerne weiter ausbauen würde, wären da nicht die lästigen Sanktionen aufgrund des Atomprogramms.
“Die Reaktionen Deutschlands sind absichtlich so gestaltet, dass sie den Wirtschaftsmechanismus des iranischen Regimes nicht stören und daher keine Auswirkungen auf dessen Verhalten haben.“ kritisieren daher die Aktivist:innen der Gruppe feminisa.berlin in ihrer Selbstbeschreibung. Seit über einer Woche campieren sie vor der Parteizentrale der Grünen. Im Camp kann man nicht nur mit Exil-Iraner:innen ins Gespräch kommen und sich über die Proteste informieren, es finden auch Performances statt (Täglich bis Sonntag, 23. Oktober, Platz vor dem neuen Tor 1).
Weitere Perspektiven auf die Proteste im Iran wird es am Montag im anarchistischen Infocafe im New Yorck im Bethanien geben. Eine LGBTQIA+ Person aus dem Iran wird Einblicke in die Lebensrealität vor Ort geben, gemeinsam sollen dann weitere Möglichkeiten der Solidarität diskutiert werden (Montag, 24. Oktober, 20 Uhr, Mariannenplatz 2A).
Großdemos am Samstag
Zuvor ruft die iranische Community am Samstag zu einer Großdemo unter dem Motto „The Time has Come“ auf. Mobilisiert wird nicht nur Deutschland, sondern auch europaweit. Gut möglich, dass es die größte Iran-Solidaritätsdemo bislang wird (Samstag, 22. Oktober, 15 Uhr, Großer Stern).
Möglichst groß soll auch die Demo „Solidarischer Herbst“ werden, die wenige Stunden zuvor stattfinden soll. Nachdem die steigenden Lebensmittel- Energiepreise vor allem rechten Protestbewegungen Auftrieb verschafft haben, organisiert ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Sozialverbänden und Nichtregierungsorganisationen eine zivilgesellschaftliche Antwort auf die kommende Krise.
„Ob es in diesem Winter gelingt, unsere Gesellschaft vor dem Auseinanderbrechen zu bewahren und gleichzeitig die klimapolitischen Weichen zu stellen – das hängt entscheidend davon ab, wie viel Solidarität die Ampel einzufordern bereit ist,“ heißt es in dem Aufruf des Bündnisses (Samstag, 22. Oktober, 12 Uhr, Invalidenpark).
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