Proteste in Belarus: Die Prügelorgie geht weiter
Die Polizei geht auch die dritte Nacht in Folge mit äußerster Brutalität gegen Demonstrant*innen vor. Unbeteiligte werden auf ihren Balkonen beschossen.
Videos von Nexta zeigen Gruppen behelmter Polizisten, die auf am Boden liegende Personen einschlagen. Ein Autofahrer, der aus Solidarität mit den Demonstranten gehupt hatte, wurde von Uniformierten aus seinem Wagen gezerrt und festgenommen.
Besonders angespannt war die Situation vor der Haftanstalt, in der die vorläufig Festgenommenen festgehalten werden. Mehrere hundert Menschen hatten sich dort auf der Suche nach ihren Angehörigen eingefunden. Dabei kam es immer wieder zu Rangeleien mit Polizisten.
Allein in der Nacht zum Mittwoch sollen nach Angaben des Innenministeriums landesweit 1.000 Menschen verhaftet worden sein. Das Gesundheitsministerium berichtet von 51 Verletzten in der Nacht zu Mittwoch. Zehn russische Journalisten seien in Minsk festgenommen und misshandelt worden, berichtet das Nachrichtenportal gazeta.ru.
Blut in der U-Bahn
Der Telegram-Kanal Nexta interviewte eine Reinigungskraft, die eine U-Bahn-Station vom Blut eines Passanten säuberte. „Der Mann war kein Demonstrant“, sagt die Frau. Als die Omon-Polizisten ihn gesehen haben, haben sie ihn zusammengeschlagen und mitgenommen.
Der Mann in der U-Bahn sei nicht der einzige Passant gewesen, den man willkürlich verhaftet habe, berichtet die Frau. „Heute Nacht haben sie meinen Sohn aus dem Auto gezerrt. Einfach so. Er war mit einem Freund unterwegs gewesen. Nun sitzt er für zehn Tage in Haft.“
Inzwischen ist es auch mit der relativen Ruhe in den Provinzstädten vorbei. In Grodno rammte ein Polizeijeep ein Auto. Anschließend brachte man ein fünfjähriges Kind ins Krankenhaus und den Vater in die Zelle.
In Uruchcha am Stadtrand von Minsk drückten Polizisten einem Motorradfahrer eine Pistole an die Schläfe und schlugen ihn. In Saslauje überfielen Polizisten einen Lebensmittelladen und misshandelten zwei Kunden. Anschließend schlugen sie die Einrichtung des Geschäfts kurz und klein, berichtet die Menschenrechtsorganisation Charta 97 unter Berufung auf den Telegram-Kanal Basta. Am Mittwoch protestierten 250 Frauen mit einer Menschenkette vor der Kamarouski-Markthalle im Zentrum von Minsk gegen die Festnahmen.
EU berät über Sanktionen
Unterdessen berichtet der Anwalt des nicht zu den Präsidentschaftswahlen zugelassenen inhaftierten Politikers Viktor Babariko, man habe ihm „aus technischen Gründen“ den Kontakt zu seinem Mandanten verweigert.
Am nächsten Freitag wollen die Außenminister der EU zu einem außerordentlichen Treffen zusammenkommen. In Brüssel will man auch darüber beraten, ob neue Sanktionen gegen Belarus verhängt werden sollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Donald Trump wählt seine Mannschaft
Das Kabinett des Grauens
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels