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Proteste gegen RechtsextremeKleiner, aber feiner werden

Was die Demonstranten eint, ist ihre Ablehnung der AfD. Aber reicht das, um mehr zu erreichen als ein kurzes Frühlingsgefühl?

Demonstration gegen rechts in Güstrow am 2. Februar Foto: Frank Hormann/dpa

J ede erfolgreiche Bewegung braucht einen linken Besserwisser, der sie schlechtredet, und damit herzlich willkommen in dieser taz-Kolumne. Tut mir leid, ich will wirklich nicht beim Feiern stören. Ihnen wäre es wahrscheinlich lieber, ich hätte diesen Text in Schriftgröße 7,5 auf das Flugblatt einer trotzkistischen Splittergruppe gedruckt und am Rand der Demo verteilt. Aber jetzt müssen wir da durch.

Ja, es ist fantastisch, dass über eine Million Menschen gegen die AfD protestiert haben. Es ist ein erhebendes Gefühl, mit fremden Menschen in der Sache verbunden zu sein, wenn man sich im Alltag mit dem Irrsinn doch meist allein fühlt. Aber jetzt kommt das Aber.

Was die Demonstranten eint, ist ihre Ablehnung der AfD. Das ist nicht nichts. Aber reicht das, um mehr zu erreichen als ein kurzes Frühlingsgefühl?

Bewegungen brauchen, um erfolgreich zu sein, die Erfahrung der Selbstwirksamkeit: Etwas zu erreichen, das über Bilder in der „Tagesschau“ hinausgeht. Das Gefühl, viele zu sein, ist für den Moment beruhigend, sogar berauschend. Aber wie das so ist mit dem Rausch, er lässt sich nicht wiederholen, ohne Kopfschmerzen zu bekommen.

Lässt sich nicht wegdemonstrieren

Vermutlich lassen sich die wenigsten AfD-Wähler von den Demos beeindrucken. Das zeigen vergangene Proteste: 2018 demonstrierten und feierten in Chemnitz über 60.000 Menschen unter dem Motto „Wir sind mehr“. Bei der folgenden Landtagswahl in Sachsen kam die AfD auf mehr als 25 Prozent.

Auch für ein AfD-Verbot ist die Zahl der Demonstranten irrelevant, zum Glück. Darüber entscheiden unabhängige Gerichte, und das kann Jahre dauern.

Es ist auch die von vielen Krisen bestimmte Weltlage, die Menschen dazu bringt, die AfD zu wählen. Das Gefühl der Schwäche des Nationalstaats, die Klimakrise, die Angst der Mittelschicht, abzusteigen. All das führt ja nicht nur in Deutschland zu einem Aufstieg der Rechtspopulisten und lässt sich nicht einfach wegdemonstrieren.

Ihr seid nicht allein

Ist also alles vergebens?

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Nein, auf dem Sofa bleiben ist keine Option. Denn die Bedingungen, die die AfD stark gemacht haben, lassen sich verändern. Es war die Politik der Ampel, die die Rechtsextremen in einem knappen Jahr von 15 auf über 20 Prozent hob. Und die Ampel tut viel dafür, um die AfD weiter zu stärken: Sie entlastet Gutverdiener und verschärft die Abschiebepolitik. Wer gegen den Rechtsruck demonstriert, demonstriert auch gegen Ampel und Union. Natürlich dürfen die Demos nicht zu einer identitären Veranstaltung für Linke werden. Aber wenn sie inhaltlich beliebig werden, nur um niemanden abzuschrecken, ist auch nichts gewonnen.

Aktuell wird diskutiert, ob die Bewegung gegen die AfD unfreundlich gegenüber der CDU sei. Eine Verdrehung der Tatsachen. Gerade haben Linke und Liberale im Saale-Orla-Kreis unter Schmerzen ihr Kreuz beim CDU-Kandidaten gemacht, um einen AfD-Landrat zu verhindern. Ein CDU-Kandidat, der mit dem AfD-Programm Wahlkampf machte: Abschieben, Bürgergeld kürzen, Windräder verhindern. Und der Landrat, der den Linken seine knappe Wahl verdankt? Verlor darüber kein Wort.

Wenn der Protest nachhaltig erfolgreich sein will, muss er sich nicht nur von der Union, sondern auch von der Ampel abgrenzen. Es ist umso befremdlicher, dass mancherorts Vertreter von Parteien von der Bühne sprachen.

Genug gemeckert, einen Zweck haben die Demos erfüllt: Sie haben jedem vierten Deutschen, all jenen, die von den Deportationsfantasien der Rechtsextremen betroffen wären, gezeigt: Ihr seid nicht allein. Selbst wenn die Protestwelle schon bald bricht, dafür hätte es sich gelohnt.

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Kersten Augustin
Ressortleiter Inland
Kersten Augustin leitet das innenpolitische Ressort der taz. Geboren 1988 in Hamburg. Er studierte in Berlin, Jerusalem und Ramallah und wurde an der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München ausgebildet. 2015 wurde er Redakteur der taz.am wochenende. 2022 wurde er stellvertretender Ressortleiter der neu gegründeten wochentaz und leitete das Politikteam der Wochenzeitung. In der wochentaz schreibt er die Kolumne „Materie“. Seine Recherchen wurden mit dem Otto-Brenner-Preis, dem Langem Atem und dem Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet.
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15 Kommentare

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  • "Jede erfolgreiche Bewegung braucht einen linken Besserwisser, der sie schlechtredet"

    Ähm, ganz klares Nein. Ein kritischer und konstruktiver Blick nach innen, hat nichts mit Besserwisserei zu tun. Und etwas schlechtereden ist per se destruktiv, hilft überhaupt niemanden. Was dabei rauskommt, dass sich in der linken Szene immer Menschen finden, die sich in dieser Rolle gefallen, kann man prima am Zustand der politischen Kraft des linken Lagers ablesen. Nun ist da aber nicht EURE Bewegung und deshalb bin ich grundsätzlich erstmal positiv gestimmt, dass die zarten Anfänge nicht sofort wieder an internem Kleinklein und notorischer Sektiererei zerfallen.



    Aber ich sag mal so. Die erste Erkenntnis liegt in der Selbtswahrnehmung. Was man draus macht, liegt bei jdem selbst.

  • Nicht unbedingt feiner, aber gemeiner wird es.

    Die Freunde von Hamas und Huthi ("Huthi, Huthi, make us proud, turn another ship around" www.focus.de/polit...id_259575444.html)



    kapern die Hand-in-Hand-Demo.

    Der wackere Levi Salomon vom Jüdischen Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus lässt sich davon wie üblich nicht einschüchtern:

    www.youtube.com/watch?v=75xQ4XROWyY

    "Gazas Kinder wollen leben, Israel ist dagegen"

    Der Rest der Demo reagiert irritiert, aber hilflos.

    Was will man auch machen?

  • Es ist schon beeindruckend, das Potenzial für Aktionen zu erkennen. Wären die teilweise zeitgleichen Streiks nicht gewesen, die Aufmerksamkeit wäre noch größer geworden und die Beteiligung ebenso. Es wird vielfach darüber gesprochen, das ist gut und sicher kein Strohfeuer.

  • "Wer gegen den Rechtsruck demonstriert, demonstriert auch gegen Ampel und Union."

    Und - schwupps - werden die Demos instrumentalisiert.

  • Entschuldige linker Besserwisser, aber deine Arroganz macht mich wütend! Ich bin Jahrgang 1955, komme aus dem Osten, habe die Diktatur erlebt und nach 1989 die Demokratie mit all ihren Stärken und Schwächen – seit dem bin ich eine ihrer glühendsten Anhängerinnen. Und deshalb war ich vor 2 Wochen und auch an diesem Sonnabend wieder vor dem Reichstag. Ich habe für die Demokratie demonstriert und nicht gegen die Ampel! Denn die wird ihre Macht nicht dazu missbrauchen demokratische Institutionen abzubauen. Die Vorstellung, was eine AFD in Regierungsverantwortung – egal auf welcher Ebene – mit einem vielleicht noch siegreichen Putin im Rücken, für unser Land bedeutet, lässt mich dagegen erschauern. Deshalb linker Besserwisser bin ich jedem dankbar, der das verhindert, ob durch Wahlen, persönliche Gespräche oder starke mutige Zeichen wie jetzt. Schon einmal hat eine kleine aber feine Partei nicht in Hitler ihren Hauptgegner gesehen sondern in der Sozialdemokratie! Deshalb linker Besserwisser, ist für mich schon die Überschrift kaum zu ertragen.

  • Bei allem Verständnis für die obigen Ausführungen sehe ich keine Bewegung oder sonstwas, sondern lediglich ein Aufstehen vieler bisher wahrscheinlich als 'schweigende Mehrheit' bezeichneter Menschen. Und es ist letztlich nicht mehr, als für den Moment ein bisschen beruhigend, dass so viele dann irgendwann doch bereit sind, aufzustehen und Gesicht zu zeigen.



    In einem Punkt bin ich mit dem Kolumnisten konform: Es sollten ebenso große Demos nicht nur gegen die Ampelregierung, sondern gegen viele Ideen aller neo-liberaler Parteien stattfinden. Und das sind außer der Linken wohl alle im Bundestag vertretene... Am besten wäre vermutlich ein Generalstreik der gesamten arbeitenden Bevölkerung nach der Methode Weselskys (jaja, Utopie, schon klar...)

  • Na wenigstens merkt es der Autor selber das er ein Nörgler ist:D Es geht den Demonstranten doch einfach nur darum eine Rote Linie zu ziehen.

  • "Wer gegen den Rechtsruck demonstriert, demonstriert auch gegen Ampel und Union."

    Das ist mir zu pauschal bzw. zu vereinnahmend. Das knappe Drittel der Wahlberechtigten, die den Ampelparteien derzeit noch ihrer Stimmen geben würden, protestiert vermutlich allenfalls partiell gegen diese Parteien.

    Jene 30% der Wahlberechtigten, die derzeit den Unionsparteien ihre Stimmen geben würden, protestieren eher gar nicht gegen die Unionsparteien.

    Und jene, die auch gegen Ampel und/oder Union demonstrieren, haben dafür oft sehr unterschiedliche Gründe und teilweise völlig gegensätzliche Ziele.

    • @Al Dente:

      Die Leute die ich so kenne (und wo ich es weiß), mich eingeschlossen, wählten (*) in der Vergangenheit doch nicht Union bis Grüne weil sie diese Parteien so toll fanden, sondern weil es das kleinere Übel war. Aber Übel bleiben es.

      (*) auf Bundesebene, lokal vor Ort ist der Kandidat entscheidender, egal welcher Partei der, wenn überhaupt, gerade angehört (die Rote Linie ist dort halt nur AfD)

  • Das mit dem kleiner werden hat in Bremen prima geklappt. Nachdem die erste Demo von zuvor politisch nicht aktiven Personen organisiert wurde, übernahmen die etablierten linksaußen-Gruppen die Organisation der zweiten Auflage (es wurde deutlich kommuniziert dass es sich um eine Fortsetzung und keine eigenständige Veranstaltung handelt). Daraufhin hat sich die Zahl der Teilnehmenden trotz eines trockenen und milden Sonntags ohne Konkurrenz durch Fußball o.ä. gedrittelt. Einige hatten offenbar bis zu den ersten Wortbeiträgen gar nichts von den neuen Veranstaltern mitbekommen, Folgeveranstaltungen dürften also weiter schrumpfen. Eine breite Basisbewegung aufzubauen wird in Bremen damit schwer bis unmöglich. Der Schuldige wurde schon im Vorfeld, auch hier in der taz, bekanntgegeben: die lokale Presse, die über die neuen Veranstalter berichtete und dabei auch die Erwähnung einer beteiligten Gruppe im Verfassungsschutzbericht thematisierte.

    Ich hoffe andere nehmen sich Bremen als mahnendes Beispiel. Ein breites Bündnis gegen den Rechtsruck mit politischem Inhalt und konkreten Zielen zu füllen ist eine extrem herausfordernde Aufgabe und erfordert weitaus mehr als den Demonstrierenden die eigenen Parolen unterzujubeln. Ich hoffe es gelingt.

  • "Was die Demonstranten eint, ist ihre Ablehnung der AfD"

    Ziemlich verkürzte Botschaft. Was sie DemonstrantInnEn eint, ist die Bewusstwerdung der Bedeutung, die es hätte, wenn AfD, Werteunion, Rechtsaußen der Union, die AnhängerInnen des vorigen Thüringer Ministerpräsidenten(FDP) und andere Ultrarechte mehr und mehr Macht in diesem unserem Lande bekämen, dass es Zeit wurde, ein Zeichen zu setzen, machtvolle Demonstrationen zur Brechung der braunen Welle, bevor sie die Gesellschaft gänzlich überfordert! Auch wichtig als Kontrapunkt zum rechten Rand der Bauernproteste!

    Es ist nicht weniger als auch ein Stück Besinnung darauf, dass Demokratie in Deutschland ja auch Sinn macht.

    Was richtig ist, ist, dass sich unsere Regierenden von den rechten Forderungen zu sehr haben selbst mit in die rechte Ecke treiben lassen. Sie haben damit Gaulands Motto "Wir werden Sie jagen" erst wahr gemacht und sich ergo als schwache Regierung erwiesen, haben sie auch noch soviel positive Dinge schon erreicht, das entschuldigt manches nicht wie etwa Scholzes Ankündingung "massiver Abschiebungen", was ja durchaus Mut zum Eigentor ist, denn gelingt es nicht überzeugend, schrumpft die SPD zu einem Bündnis Saskia Esken oder so.

    Unter Kohl hatten wir auch schonmal so eine braune Welle, mit pogromartigem Terror einiger Rechtsaußen, und die Regierung hat sich treiben lassen zu einer Asylrechtseinschränkung. 2005 hielt Merkel zunächst die Zeit für reif, ganz christlich "wir schaffen das" zu sagen, aber die Vorbehalte gegen Zuwanderung in Teilen der Bevölkerung regten sich und bahnten der AfD den Erfolg, den sie bis zum Potsdamer Geheimtreffen hatte. In vielen Landkreisen, wo jetzt auch Anti-Nazi-Demos in den Kreisstädten waren, ist hoffentlich dadurch erstmal etwas erreicht gegen die AfD, für Teile von Thüringen und Sachsen mindestens muss aber noch hart an Trendumkehr zurück zu demokratischen Parteien gearbeitet werden. Demokratische Parteien dürfen sich nicht weiter nach rechts treiben lassen

  • "Wenn der Protest nachhaltig erfolgreich sein will, muss er sich nicht nur von der Union, sondern auch von der Ampel abgrenzen."

    Er muss sich nicht von den genannten Parteien (besser: deren Mitgliedern) "abgrenzen" , sondern sie innerhalb eines (dringend nötigen!) "Minimalkonsenses" einbeziehen und fordern, fordern, fordern.



    In der Weimarer Republik hieß es (zur Abgrenzung) "Republik, das ist nicht viel, Sozialismus ist das Ziel.", was ein fundamentaler Fehler war.

    Wir alle müssen die Republik verteidigen ... und sie in diesem "Kampf" besser machen. Unsere Verfassung gibt uns dabei - über das mögliche Parteienverbot hinaus - viele Möglichkeiten.

  • Ich teile die Einschätzung des Artikelautors nicht.



    "Kleiner und feiner"?



    Da kann die "Antifa" noch jahrelang im Regen stehen, dass ändert Nichts.



    Wer die Gesellschaft ändern will, muss als Teil der Gesellschaft agieren.



    Nicht : Trennendes betonen, sondern : Gemeinsamkeiten finden.



    Wir leben in einer parlamentarischen Demokratie.



    "Die Linke" liegt bei Umfragen derzeit bei 3%.



    Das ist klein und fein, für die polititische Arbeit in Parlamenten und Gesellschaft allerdings am Rande der Bedeutungslosigkeit.



    Nebenbei bemerkt, waren es die Ampelparteien,die der Linken und dem BSW den Status als Gruppe im Bundestag zuerkannten.



    Das bedeutet, dass diese Gruppierungen weiterhin in einem nennenswerten Umfang Rederecht haben und Anträge stellen können.



    Und dies, obwohl sich die Linke ja gerne als Kritikerin der Ampel inszeniert.



    Es wäre für die Regierung also viel angenehmer gewesen, den neuen Gruppierungen diesen Status nicht zu zuerkennen.



    Warum macht die Ampel es doch?



    Weil sie DemokratInnen sind!



    Das ist die Grundlage unserer Demokratie.



    Außerdem: wer Feinde der Demokratie bekämpfen will, muss sich Ihnen geeint entgegen treten. Die eigene Bewegung zu spalten, nützt nur den Gegnern.



    Liegt doch eigentlich auf der Hand!?

  • "Natürlich dürfen die Demos nicht zu einer identitären Veranstaltung für Linke werden. Aber wenn sie inhaltlich beliebig werden, nur um niemanden abzuschrecken, ist auch nichts gewonnen."

    Was die Menschen auf die Straßen getrieben hat, ist nicht nur die Ablehnung der völkischen Ideen der AfD, sondern auch die Sorge um den Erhalt und die Stabilität unserer Demokratie. Und das bitte soll "beliebig" sein?

    Im übrigen: Wer gegen die Asylpolitik der Ampelregierung demonstrieren möchte, konnte und kann das jederzeit tun. Ob diese Demos nun "feiner" waren, lasse ich mal dahingestellt. Sie waren auf jeden Fall kleiner, sehr deutlich kleiner.

  • Die eint doch nur dass ihnen ihre Wähler davonlaufen. Egal wohin.