Proteste gegen Netanjahu in Israel : Bibi bricht die Basis weg
In Israel überschattet Gewalt die Proteste gegen den Ministerpräsidenten Netanjahu. Hooligans gehen gegen linke Demonstrierende vor.
Protestbewegung „Crime Minister“
Seinem Minister für öffentliche Sicherheit, Amir Ohana, vor dessen Haus sich die Menschen am Dienstagabend versammelt hatten, warfen sie vor, die Proteste mit bislang ungewohnt hartem Vorgehen der Polizei eindämmen zu wollen.
Doch am Dienstag war es nicht die Polizei, sondern eine Gruppe junger Männer, die Gewalt ausübte. Drei der Angreifer wurden am Mittwochnachmittag festgenommen. Es handelt sich um Mitglieder von „Maccabi Fanatics“, Fans des Fußballclubs „Maccabi Tel Aviv“.
Den Berichten zufolge stachen die Angreifer mit zerbrochenen Glasflaschen auf die Demonstrant*innen ein, schlugen sie mit Stühlen und besprühten sie mit Pfefferspray. „Wo ist die Polizei?“, rief der Verletzte dem Haaretz-Bericht zufolge. Fünf Menschen wurden ins Krankenhaus eingeliefert, zwei von ihnen mit schweren Schnittwunden.
Der Vorfall am Dienstagabend war nicht der erste Angriff auf Netanjahu-Kritiker*innen: Bereits am Freitagabend hatten rund fünfzig Mitglieder von „La Familia“ eine Demonstration vor Netanjahus Residenz in Jerusalem attackiert.
So viele Neuinfektionen wie noch nie
Das Land ist im Krisenmodus: Mehrmals wöchentlich haben in den vergangenen Wochen Tausende gegen die Politik der Regierung in der Coronakrise demonstriert. Am Mittwoch stieg die Zahl der täglichen Neuinfektionen mit 2.093 gemeldeten Fällen auf ein neues Rekordhoch. Wegen Netanjahus Coronamanagements, aber auch wegen seiner Anklage in drei Korruptionsfällen, fordern viele seinen Rücktritt. Auch werfen sie ihm vor, die Demokratie auszuhöhlen.
Der Ministerpräsident habe mit seiner Hetze gegen Linke zu den jüngsten Angriffen beigetragen, sagen viele Demonstrant*innen. Auch Oppositionsführer Jair Lapid twitterte am Mittwoch: „Das Blut, das gestern in Tel Aviv vergossen wurde, klebt an den Händen von Bibi und seinen Abgesandten.“
Die Bewegung „Crime Minister“, die die Proteste mit anführt, schrieb auf Facebook, die Polizei habe die Demonstrant*innen bewusst und systematisch alleingelassen. „Wir sind gewaltfrei in unserem Konzept, aber wir wissen uns zu verteidigen in der Stunde der Not“, fügte sie hinzu. Die Demonstrant*innen forderte die Bewegung auf, sich vor der für kommenden Donnerstag angesetzten Demonstration Pfefferspray zu kaufen.
Netanjahu beim Letzten Abendmahl
„Es gibt keinen Platz für Gewalt“, schrieb Netanjahu in einer auf Facebook veröffentlichten Stellungnahme am Mittwoch. „Ebenso wenig ist Platz für Aufhetzung oder Morddrohungen – explizit oder implizit – gegen mich und Mitglieder meiner Familie, einschließlich der peinlichen Drohung einer Kreuzigung heute in Tel Aviv“.
Damit bezog er sich auf eine Installation des Künstlers Itay Zalait auf dem Rabin-Platz in Tel Aviv. Dort genießt eine lebensgroße Statue Netanjahus ein üppiges Mahl an einem ausladenden Tisch – ganz allein. Laut eigener Aussage will Zalait damit „das letzte Abendmahl der israelischen Demokratie darstellen“.
Doch was das Kunstwerk auch zeigt: Israels rechts-religiösem Ministerpräsidenten bricht die eigene Basis weg. Auf den Anti-Netanjahu-Demonstrationen sind immer mehr Menschen zu sehen, die bisher zu seinen Anhängern gehörten. Plakate wie „Ich bin rechts und ich bin hier“ sind keine Seltenheit mehr bei den Protesten.
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