Proteste gegen Festnahmen in der Türkei: „Eine Ehre, angeklagt zu werden“

Die drei Aktivisten von „Reporter ohne Grenzen“ hatten sich mit einer kurdischen Zeitung solidarisiert. Gegen ihre Verhaftung wurde demonstriert.

DemonstrantInnen halten Bilder der Inhaftierten hoch.

Solidaritätskundgebung mit den verhafteten AktivistInnen in Istanbul Foto: reuters

ISTANBUL taz | Weltweit protestierten am Dienstag Journalistenverbände und Menschenrechtsorganisa­tio­nen gegen die Festnahme des Türkei-Repräsentanten der Organisation „Reporter ohne Grenzen“, Erol Önderoğlu. Er war gemeinsam mit der Vorsitzenden der türkischen Menschenrechtsstiftung Şebnem Korur Fincanı und Ahmet Nesin, dem Sohn eines der bekanntesten türkischen Schriftstellers, Aziz Nesin, festgenommen worden. Ihnen wird die Unterstützung einer terroristischen Organisation und Terrorpropaganda vorgeworfen.

Ein Sprecher von Reporter ohne Grenzen zeigte sich entsetzt darüber, dass die türkische Regierung noch nicht einmal davor zurückschrecke, einen so prominenten Presserechtsaktivisten wie Erol Önderoğlu zu verhaften. Önderoğlu arbeitet seit 20 Jahren für „Reporter ohne Grenzen“ und veröffentlicht in der Türkei auf der linken Website Bianet. Die Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch und Amnesty International forderten die sofortige Freilassung der drei Aktivisten.

Hintergrund der Festnahmen ist eine seit dem 3. Mai, dem Tag der Pressefreiheit, andauernde Solidaritätsaktion mit der pro-kurdischen Tageszeitung Özgür Gündem. Dem Blatt wird von der türkischen Regierung pauschal die Unterstützung der kurdischen PKK-Guerilla unterstellt – und deshalb steht es stark unter Druck, seit im vergangenen Jahr Kämpfe zwischen der Armee und der PKK wieder aufgeflammt sind.

Immer wieder werden Reporter der Zeitung, vor allem im kurdisch besiedelten Osten des Landes, festgenommen und die Berichterstattung über die Kämpfe aus kurdischer Sicht systematisch verhindert. Deshalb beschloss Ende April eine ganze Gruppe mehr oder weniger prominenter Journalisten, Schriftsteller und Menschenrechtsaktivisten, jeweils symbolisch für einige Tage die Chefredaktion von Özgür Gündem zu übernehmen – darunter auch die am Montag Festgenommenen, Önderoglu, Fincanı und Nesin.

Alle drei sollen nun angeklagt werden – gemeinsam mit 31 weiteren Journalisten, die sich ebenfalls an der Solidaritäts­aktion für Özgür Gündem beteiligt haben. Şebnem Fincanı meldete sich per Twitter aus der Untersuchungshaft und sagte, sie habe mit der Verhaftung gerechnet und es sei ihr eine Ehre, angeklagt zu werden.

Die freie Presse verteidigen

Am Dienstagmittag fand vor der Redaktion von Özgür Gündem in Istanbul eine erste Solidaritätsdemonstration statt. Einige hundert Leute waren gekommen, um die freie Presse zu verteidigen. Can Dündar, Chefredakteur der linksliberalen Cumhuriyet und selbst bereits zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt, weil er einen illegalen Waffentransport des türkischen Geheimdienstes publik machte, übernahm am Dienstag symbolisch die Chefredaktion von Özgür Gündem. Für den Abend hatten der türkische Journalistenverband und die Gewerkschaft DISK zu weiteren Demonstratio­nen aufgerufen.

Die Festnahmen der Unterstützer von Özgür Gündem reihen sich ein in die übrigen Repressionsmaßnahmen der Erdoğan-Regierung gegen alle Kritiker des Kriegskurses seiner Regierung. So wurde die Immunität von 57 Abgeordneten der kurdisch-linken HDP im Parlament aufgehoben – mit dem Ziel, sie, die sich immer wieder für eine friedliche Lösung des Kurdenkonfliktes eingesetzt hatten, anklagen zu können.

Özgür Gündem, die stark aus der Perspektive der Kurden berichtet, soll ebenfalls zum Schweigen gebracht werden. Die Zeitung, die seit Anfang der 1990er Jahre erscheint und immer mal wieder ihren Namen änderte, weil sie verboten wurde, ist die bekannteste kurdische Tageszeitung.

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