Proteste gegen AfD-Besuche an Schulen: Heul weiter
AfD-Politiker*innen haben an Schulen nichts verloren. Es gibt keinen Grund, ihnen den Teppich auszurollen. Ihre Opfer-Inszenierung gehört ignoriert.
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B ekanntlich lässt die AfD keine Gelegenheit aus, sich als Opfer einer vermeintlichen Cancel Culture zu inszenieren. So auch in der Debatte darüber, ob Schulen Politiker*innen der Rechtsaußenpartei in den Unterricht einladen sollten.
Zuletzt war das am Dienstag dieser Woche anlässlich einer Podiumsdiskussion an einem Gymnasium in Berlin-Lichtenberg der Fall, zu der auch Rechtsaußenfrau Beatrix von Storch eingeladen wurde, die hier für die AfD als Direktkandidatin für die Bundestagswahl antritt. Ein Auftritt, der laute Proteste der Schüler*innenschaft provozierte – und doch durchgezogen wurde.
Alice Weidel, Beatrix von Storch und Co. verweisen auf das staatliche Neutralitätsgebot, wonach Lehrkräfte der politischen Willensbildung ihrer Schüler*innen verpflichtet sind, ohne eigene Präferenzen geltend zu machen. Der AfD das Schultor zu verriegeln, sei eine Missachtung dessen, was Neutralität geböte. Und überhaupt perfides Canceln. So die Selbstdarstellung von rechts.
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Remigrationspläne im Klassenzimmer?
An dieser Stelle lohnt ein kurzes Sinnieren über das, was Schulen im besten Sinne sein sollten: Orte der freien Persönlichkeitsentfaltung für alle Schüler*innen, unabhängig davon, ob sie weiß oder Schwarz sind, passdeutsch oder geflüchtet, hetero oder queer, atheistisch oder muslimisch, able- oder disable-bodied sind. Oder irgendetwas dazwischen.
Wir sprechen von einem Menschen- und Gesellschaftsbild, das der nationalistisch-völkischen Ideologie der AfD nicht nur zuwider ist, sondern auch aktiv von ihr bekämpft wird. Wie soll sich das also für Schüler*innen mit Migrationsgeschichte anfühlen, in einem Klassenzimmer einem AfD-Gast gegenüberzusitzen, der seinen Remigrationsplänen freien Lauf lässt? Man mag es sich nicht vorstellen.
Befürworter*innen von AfD-Schulbesuchen führen das Argument an, es gebe auch gemäßigte Rechte, denen die Remigrationspläne der Partei zu weit gingen. Weiter wird argumentiert, die Einladung von AfDler*innen an Schulen böte Schüler*innen die Möglichkeit, diese auf ihre Inhaltslosigkeit hin zu entlarven – durch einen gut vorbereiteten Faktencheck, versteht sich.
Dass nicht alle AfD-Politiker*innen so plump-rechts auftreten wie ihre Anführer Björn Höcke und Alice Weidel, ist – neben der Opfer-Inszenierung – eine weitere Strategie der Rechten. Nicht alle bezeichnen die Schoah als „Vogelschiss“ wie das AfD-Urgestein Alexander Gauland.
Reduktionistische Antworten auf komplexe Fragen
Gleichwohl reproduzieren sie geschichtsrevisionistische und verschwörungstheoretische Narrative. Und Begriffe wie Remigration, Bevölkerungsaustausch und Überfremdung werden durch harmloser anmutende Beschreibungen gekonnt umschifft.
Genau das ist zugleich so gefährlich. Die AfD macht mit reduktionistischen Antworten auf komplexe Fragen Politik – und zieht damit junge Menschen an Land, die von der Krisenhaftigkeit der Gegenwart überfordert und verunsichert sind.
Es spielt keine Rolle, ob man offen rechtsextreme oder subtil rechtsextreme Politiker*innen einlädt. Sie gehören alle einer vom Verfassungsschutz als in Teilen gesichert rechtsextremen eingestuften Partei an. Sie sind Vertreter*innen eines nationalistischen Weltbildes.
Und jenseits der Tatsache, dass die Einladung von Rechtsextremen keinen Mehrwert, sondern vielmehr eine Gefahr für Meinungsbildung von Schüler*innen darstellt, muss auch das festgestellt werden: All jene, die weiterhin verbissen am Neutralitätsgebot festhalten, laufen heiter in die Normalisierungsfalle der Opfer-Inszenierung und des Wahrheiten-umdrehen-Spiels der AfD.
Noch immer wird die AfD selbst im demokratischen Spektrum nicht durchweg als das wahrgenommen, was sie ist: eine die Gesellschaft spaltende Kraft. Stattdessen wird ihr weiterhin der Bauch gepinselt und mancherorts sogar der muffige Schulteppich ausgerollt. Die AfD dürfte sich bestätigt fühlen.
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