Protest in Flüchtlingsunterkunft: Aufbegehren gegen Quarantäne
In Halberstadt stehen mehr als 800 Geflüchtete unter Quarantäne. Nun protestiert eine Gruppe gegen die schlechte Versorgung.
Schon einige Tage zuvor hatte Kurdi der taz berichtet, dass es in der Unterkunft mit den Gemeinschaftsbädern und Mehrbettzimmern kaum möglich sei, Abstand zu halten. Nun hätte eine Gruppe von Bewohner*innen einen Hungerstreik gestartet, erzählt Kurdi am Sonntagmorgen am Telefon. Um 12 Uhr hätten sie ihr Essen abgelehnt und einige der Zäune niedergerissen, die momentan die drei Hauptgebäude der Unterkunft voneinander trennen. „Die Leute wollen vor allem woandershin verlegt werden, weil sie Angst haben, sich anzustecken“, sagt Kurdi. Doch auch die Versorgung mit Lebensmitteln habe eine Rolle gespielt.
Dann hätten Leute von der Security angefangen, die Menschen zu schlagen und zu treten. Eine schwangere Frau sei später ins Krankenhaus gebracht worden. Ein Großaufgebot der Polizei habe sich vor der Unterkunft postiert. „Sie sind nicht reingekommen, sie standen einfach am Tor“, sagt Kurdi.
Denise Vopel, Sprecherin des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt bestätigt, dass am Samstag 100 bis 150 Personen „eine Aktion“ gestartet hätten. „Dabei wurden leider auch Quarantänezäune eingerissen und es kam zu einer Durchmischung, die wir eigentlich vermeiden wollten.“ Nun müsse man das Quarantänekonzept neu überdenken. „Stein des Anstoßes“ sei die Qualität des Essens gewesen.
Thunfisch und Teebeutel
Im Netz kursiert ein Foto von einer Plastiktüte mit einer ungeschälten Karotte, einem Brötchen, einer Konservendose sowie einem Coffee-To-Go-Becher. Das gebe es zwei Mal täglich, dazu ein „kleines Mittagessen“, twittert die Seebrücke Magdeburg. Das Foto zeige das Abendessen, bestätigt Kurdi. Dazu gebe es etwas Butter und Marmelade, und manchmal ein Stück Gurke. In der Dose sei Thunfisch, in dem Becher ein Teebeutel. Morgens gebe es außerdem ein Stück Obst.
Weil die Kantine geschlossen sei, bestelle man das Essen bei einem externen Dienstleister, erklärt Denise Vopel. Mittags gebe es warmes Essen, das in Asietten serviert werde. Morgens und abends gebe es Verpflegungsbeutel. Die Bestellung bei dem Caterer umfasse aber immer auch Obst und Gemüse sowie Butter, Aufstrich und Wurst oder Käse.
Tatsächlich sei es zu einem Gerangel zwischen Geflüchteten und Security gekommen, bei dem eine schwangere Frau mitten ins Gedränge geraten sei. Man habe sie vorsorglich im Krankenhaus untersuchen lassen. „Es wurden aber keine Verletzungen festgestellt“, sagt Vopel. Am Sonntagnachmittag könne die Frau in die Unterkunft zurückkehren. Es seien sechs Strafanzeigen gegen Securitymitarbeiter gestellt worden.
Am Samstagabend, so berichten es Kurdi und Vopel, habe es Gespräche zwischen den Geflüchteten und Mitarbeiter*innen der Unterkunft gegeben. „Unsere Sozialarbeiter*innen konnten relativ schnell Verständnis herbeiführen und die Lage beruhigen. Die Polizei musste zum Glück nicht eingreifen“, sagt Vopel. Man habe alle Forderungen aufgenommen und bemühe sich, die Quarantänesituation für die Menschen „so erträglich wie möglich“ zu gestalten.
Angst vor Ansteckung
Da die Leute derzeit nicht selbst einkaufen könnten, habe man Bestelllisten eingeführt – die Bewohner*innen bekämen das Bestellte dann in Tüten geliefert. Auch hätten viele Bewohner*innen die Aktion nicht gutgeheißen, weil die Quarantänemaßnahmen verletzt worden seien. „Die Menschen haben natürlich Angst vor Ansteckung“, sagt Vopel.
Das kann Marllow Kurdi nur bestätigen. „Die Stimmung hier ist sehr unruhig“, sagt er – und kritisiert, die Schutzmaßnahmen für die Geflüchteten seien mangelhaft. „Die Mitarbeiter kommen nur noch in Schutzkleidung zu uns. Sie haben Angst, sich bei uns anzustecken. Aber wir haben kaum die Möglichkeit, uns vor Ansteckung zu schützen.“ Noch immer fehle es an Seife und Desinfektionsmittel. Es seien zwar Masken verteilt worden, doch diese reichten nicht, um sie regelmäßig wechseln zu können. „Wenn sich hier jemand infiziert, wird sich das Virus schnell in der Unterkunft ausbreiten“, sagt Kurdi.
Susi Möbbeck (SPD), Staatssekretärin im Integrationsministerium Sachsen-Anhalts, widerspricht am Samstag auf Twitter dem Vorwurf, es gebe keine Hygieneartikel. Engpässe am Anfang der Quarantäne seien inzwischen behoben. Verbesserungen bei der Hygiene der Sanitäreinrichtungen seien „konkret verabredet worden“.
Viele Informationen seien offenbar bei vielen Geflüchteten nicht angekommen, so dass sie die Quarantäne-Maßnahmen nicht nachvollziehen konnten. „Es muss dringend mehr mit den Geflüchteten gesprochen werden“, schreibt Möbbeck. Es habe Kritik an der Verpflegung gegeben, einen Hungerstreik könne sie indes nicht bestätigen.
24 positive Corona-Tests
Die Quarantäne in Halberstadt sei „hochprekär“, twittert auch Sebastian Striegel, Vorsitzender der in Sachsen-Anhalts Kenia-Koalition mitregierenden Grünen. Die Maßnahmen müssten „erklärt und so ausgestaltet werden, dass den Bewohner*innen die Angst vor Ansteckung genommen wird“. Probleme bei Versorgung müssten gelöst werden.
Die ZASt in Halberstadt steht seit etwa etwa anderthalb Wochen unter Quarantäne, weil ein Bewohner bei seiner Verlegung positiv auf das Virus getestet wurde. Inzwischen seien 24 Bewohner*innen positiv getestet worden, berichtet Vopel. Diese sowie vier negativ getestete Familienangehörige seien inzwischen in eine eigens eingerichtete Quarantäneunterkunft in Quedlinbug verlegt worden.
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