Protest gegen US-Präsenz in Okinawa: Eine postkoloniale Kolonie
Die Rückgabe Okinawas an Japan vor 50 Jahren blieb bloße Symbolik. Inzwischen vergrößern die Spannungen um Taiwan die geostrategische Rolle der Insel.
Daher verlangt die Inselregierung seit Jahren die Verlegung von Futenma in eine andere Region Japans. Doch Tokio und Washington haben den Umzug innerhalb von Okinawa vereinbart und vergrößern dafür eine andere Basis.
Gouverneur Tamaki sprach die Unzufriedenheit direkt an: „Selbst nach 50 Jahren werden die Menschen von Okinawa weiter gezwungen, die exzessive Last der Truppenstationierung zu tragen.“
In der Provinzhauptstadt Naha demonstrierten 1.000 Bürger für eine Verringerung der US-Präsenz. Diese Forderung unterstützen einer Umfrage zufolge fast zwei Drittel der Insulaner. Doch Regierungschef Kishida bekräftigte, die Last nur so weit zu erleichtern, dass die Abschreckung durch die Sicherheitsallianz mit den USA erhalten bleibe.
Eine Demilitarisierung wurde schon vor 50 Jahren erhofft
Am 15. Mai 1972 hatten die USA die „administrative Kontrolle“ über Okinawa an Japan übertragen. Schon damals hofften die Bewohner auf eine Demilitarisierung. Der damalige Premier Eisaku Sato weigerte sich zunächst, die strategische und militärische Bedeutung von Okinawa zu bekräftigen.
Darauf warnten ihn die USA vor einem „möglichen Hindernis für die künftige Kooperation“. Zähneknirschend lenkte Sato ein und verkündete, Okinawas Rolle sei „für die Stabilität des Friedens im Fernen Osten äußerst wichtig“.
Damit war das Schicksal der Insel als Bastion des US-Militärs besiegelt. Okinawas Flächenanteil an den US-Basen in Japan stieg seitdem von 59 Prozent auf über 70 Prozent.
De facto nutzen die USA die Insel als stationären Flugzeugträger. Allein Kadena als größte US-Luftwaffenbasis in Asien verzeichnet jährlich 70.000 Starts und Landungen.
US-Militär in Okinawa: Lärm, Unfälle und Verbrechen
Außer durch den Fluglärm löst das US-Militär durch Verkehrsunfälle, Schlägereien und Verbrechen immer wieder Proteste der Einheimischen aus. Die Vergewaltigung eines 11-jährigen Mädchens durch drei US-Marinesoldaten 1995 hat sich in das kollektive Gedächtnis eingegraben.
„Das tragische Schicksal von Okinawa und seiner Bewohner besteht darin, eine Kolonie in einer postkolonialen Zeit zu sein“, schrieb der US-Gelehrte Richard Falk.
Eine spezielle Historie kompliziert die Gefühle. Okinawa gehört erst seit 1879 zu Japan. Im Zweiten Weltkrieg fanden dort die einzigen Schlachten zwischen Kaisertruppen und den USA auf japanischem Boden statt. Der „Taifun aus Stahl“ der USA vernichtete fast alle Städte, 94.000 Insulaner starben.
Danach errichtete das US-Militär dort mit „Bajonett und Bulldozer“, wie die Bewohner sagten, auf den besten Flächen seine heute 88 Basen. Während Japan 1952 souverän wurde, blieb Okinawa unter US-Herrschaft.
Japan hat kein Zugangsrecht zu den US-Basen
Trotz Rückgabe der Insel vor 50 Jahren gehören die Stützpunkte weiter den USA. Angeblich hat Washington seine Atomwaffen nach 1972 aus Okinawa abgezogen. Aber das lässt sich nicht überprüfen – Japan hat kein Zugangsrecht zu den Basen, japanische Gesetze gelten dort nicht.
Ein Ende ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die militärische Bedeutung von Okinawa ist zuletzt gewachsen. In der neuen Indopazifik-Strategie der USA, die Chinas Großmachtstreben eindämmen soll, spielt die Insel eine wichtige Rolle. Gegen die Atom- und Raketenrüstung von Nordkorea und einen Angriff von China auf Taiwan dient die Insel als US-Vorposten in Asien. Taiwan liegt nur 600 Kilometer westlich von Okinawa.
„Die US-Basen wirken abschreckend auf China, nicht nur hinsichtlich Japan und Taiwan, sondern für den ganzen Pazifik“, betont der taiwanische Sicherheitsexperte Kuo Yujen.
Die große Hoffnung der Bürger Okinawas auf weniger Militär wird sich also nicht erfüllen. Die Enttäuschung spürte schon Premier Sato, als er vor 50 Jahren seinem Sekretär gestand: „Ich weiß nicht, ob die Umstände der Rückgabe von Okinawa für Japan gut oder schlecht waren.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos