Protest gegen Straßennamen in Berlin: Warum nicht Anton-W.-Amo-Straße?
Am Samstag laden Aktivisten zum symbolischen Umbenennungsfest der Mohrenstraße in Mitte ein. Schon zum fünften Mal.
Zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer der Sklaverei an diesem Samstag fordern postkoloniale Gruppen die Änderung des Namens der Mohrenstraße. Als alternativen Namensgeber schlagen sie den ersten Schwarzen Akademiker Deutschlands, Anton Wilhelm Amo vor.
„Der Begriff M* ist eine rassistische Fremdbezeichnung“, erklärt Tahir Della von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD). „Er wurde im kolonialen Kontext verwendet, um Schwarze Menschen zu stigmatisieren. Es war zu keiner Zeit ein neutraler Begriff.“ Es gehe bei der Umbenennung nicht nur um die Entfernung rassistischer und diskriminierender Bezeichnungen aus dem öffentlichen Raum, sondern auch um die Aufarbeitung deutscher Kolonialgeschichte.
Deutschlands koloniale Verstrickungen gehen weit zurück. Brandenburg-Preußen besaß schon 1683 eine Kolonie an der heutigen ghanaischen Küste, mit dem Namen Groß-Friedrichsburg. Bis die Kolonie 1717 an die Niederländer verkauft wurde, war Preußen maßgeblich am transantlantischen Sklavenhandel beteiligt. In dieser Epoche kam die Mohrenstraße zu ihrem Namen und Anton Wilhelm Amo, der als neuer Namensgeber vorgeschlagen wird, nach Preußen.
Wie viele andere Afrikaner wurde er als Kind nach Europa verschleppt, um dort an den Höfen als „Kammermohr“ den Adel zu belustigen. Amo durfte jedoch eine höhere Bildung genießen, wurde Rechtsgelehrter und damit erster Schwarzer Akademiker Europas. In seinen Schriften setzte Amo sich für die Rechte Schwarzer Menschen in Europa ein.
Keine Geschichtsfälschung
Deutsche Kolonialgeschichte sei „ein blinder Fleck im öffentlichen Bewusstsein“, so Della. Abwegig sei der Vorwurf, eine Umbenennung würde eine „Geschichtsfälschung“ bedeuten: „Durch die Benennung nach widerständigen Personen wird die Geschichte erst komplett erzählt“, sagt Della.
Geschichte ist besonders wichtig, wenn sie in die heutige Zeit nachwirkt. „Kolonialismus wird oft als abgeschlossenes Kapitel bezeichnet, aber die Machtverhältnisse tragen sich bis heute fort.“ Della verweist auf die ungleichen Handelsbeziehungen zwischen westlichen Industrienationen und Ländern des globalen Südens, die in der Ausbeutung der ehemaligen Kolonialmächte ihren Ursprung haben und bis heute fortgeführt werden.
Tahir Della, ISD
Mit der geforderten Umbenennung soll die koloniale Verantwortung Deutschlands wieder ein Stück weit ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden. Erfolge konnten die Aktivisten nach jahrelangem Ringen zuletzt im Afrikanischen Viertel im Wedding feiern, wo die Namen dreier nach deutschen Kolonialbeamten benannten Straßen geändert werden.
Leider sieht es so aus, dass auch im nächsten Jahr das Umbenennungsfest nur symbolisch bleibt. Denn obwohl im Koalitionsvertrag festgelegt wurde „die Rolle Berlins während der Kolonialzeit stärker zu beleuchten“, zeigen weder Senat noch Bezirk derzeit wenig politischen Willen, konkrete Schritte in Richtung Umbenennung einzuleiten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei