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Kommentar Militarisierte StraßennamenBerlin-Kreuzberg at its best

Die Friedrichshain-Kreuzberger Grünen wollen keine Generäle auf den Straßenschildern – und stoßen mit ihrem BVV-Antrag eine wilde Debatte los.

Hier soll es keine militarisierten Straßennamen mehr geben – finden die Grünen Foto: dpa

Mit ihrem Antrag zur „Entmilitarisierung des öffentlichen Raums“ haben die Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg mal wieder eine aufgeregte Debatte losgetreten. Am Dienstag verhandelte der Kulturausschuss des Bezirks darüber, ob die preußischen Generäle und Schlachtfelder der Befreiungskriege als Straßennamen noch zeitgemäß sind. Eine hochsymbolische Sache, die auch zuvor schon zahlreiche Kritiker auf den Plan gerufen hat.

Die einen empfinden so einen Vorstoß als ideologische Säuberung: Wenn wir nur gelten lassen, was unseren heutigen Wertvorstellungen voll entspricht, was müsste dann noch alles getilgt werden? Ist es nicht ein Ausdruck demokratischer Gelassenheit, auch Zeugnisse anderer, älterer Perspektiven auszuhalten, sie als Anstoß zu nehmen zum Nachdenken – und eine Umbenennung schlicht geschichtsvergessen?

Andere sagen, so eine Haltung sei denkbar konservativ: Warum sollte immer alles so bleiben, wie es ist? Umbenennungen gehörten genauso zur Geschichte, sie seien ein Ausdruck gesellschaftlicher Veränderungen. Tatsächlich hießen auch die Yorck-, die Blücher- und die Großbeerenstraße vor der Ehrung der Befreiungskrieger 1864 anders. Erinnerungen an die preußischen Generäle gibt es in Berlin genug. Warum nicht ein paar mutige, moderne Frauen aufs Schild heben? Das würde ja auch viel besser zum heutigen Kreuzberg passen.

Sollte es tatsächlich zur Umbenennung kommen, sind die Proteste abzusehen

Spricht man mit dem grünen Antragsteller Werner Heck, dann klingt der überraschend ambivalent. Klar, seiner Meinung nach sollte man den preußischen Kriegsführern nicht huldigen, sonst hätte er den Antrag nicht geschrieben. Er betont jedoch, dass er ja zunächst nur die Debatte anstoßen wolle. Auch Heck ist bewusst, dass viele KreuzbergerInnen an den altbekannten Straßennamen hängen. Sie wissen vielleicht gar nicht, wer Yorck oder Blücher waren, aber sie verbinden eigene Lebensgeschichten mit diesen Namen, daran wollen sie nicht rütteln.

Sollte es tatsächlich zur Umbenennung kommen, sind die Proteste abzusehen. Wegen der praktischen Folgen, die so etwas hat: Man braucht neue Schilder, neue Visitenkarten, neue Stadtpläne, das Yorck-Schlösschen vielleicht einen neuen Namen. Vor allem aber dürften auch viele linksliberale AnwohnerInnen eine Umbenennung nicht als zwingend genug empfinden, schließlich handelt es sich nicht um Namen von Nazi-Größen.

Die Grünen würden sich also Feinde machen auch im eigenen Milieu. Es wird sich zeigen, ob sie tatsächlich voll in diese Konfrontation gehen – oder ob es am Ende vielleicht doch bei der aufgeregten Debatte bleibt.

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4 Kommentare

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  • Müsste man nicht ganz Kreuzberg umbenennen weil es sich namentlich auf einen Ort ( -berg ) mit einem Kriegs ( schlimmer noch Sieges ) Denkmal bezieht?

    Was kommt als nächstes? Donerbudenverbot weil sie wine stereotype Esskultur propagieren?

    Wenn wir kleine überschaulichte Dörfer wollen in dem es so läuft wie wir es wollen,



    warum ziehen wir bitte nach Berlin?

    Ich ziehe nach Berlin um meinen Kindern die allerbesten Chancen zu geben,



    Klage dann aber vor Gericht weil der Kindergarten gegenüber zu laut ist?



    Ich will weltoffheit genießen,



    aber bitte nur bis 18:00,



    dann soll der Club Bitte zumachen?

    Ich glaube Berliner Luft und sozialer Druck ( durch Menschenmassen )



    zusammen zusammen hat ganz schön schlechte Auswirkungen auf so manches



    Schwäbisches Gehirn.

    Ich war Samstag mal wieder in Spandau,



    und, eigendlich hätte ich damit rechnen sollen, auch da war auf einmal ganz viel Kreuzberg unterwegs ( vor einem Jahr hatte ein Freund noch riesen Probleme ein günstiges Zimmer in Berlins schönster Wohnlage zu vermieten weil es den interessierten zu weit von Charlottenburg und oder Kreuzberg entfernt ist )...

    Es ist ein Trauerspiel

  • Dass es sich um die Befreiungskriege gegen die napolionische Besetzung fast ganz Europas ging, spielt natürlich keine Rolle. Einfach drauflosbrüllen, wird schon Wirkung zeigen.

  • Wenn dann muss auch der Stadtteil umbenannt werden. Wissen doch sicher alle wofür Kreuzberg stehen und um welchen Berg mit was für einem Kreuz es sich dabei handelt. Also Zack den Stadtteil in Lotte Lemkendorf umbenennen. Die Grünen haben echt zuviel Zeit und scheinbar zu wenig echte Probleme.

  • Bilderstürmer der Welt, vereinigt Euch!