Prominente über ihr Fest: Besäufnis statt Lametta
Eine Politikerin, eine Queer-Ikone, eine Weinköniging und andere Promis: Wie wird Weihnachten gefeiert. Was hat das mit Plüschpantoffeln zu tun? Eine taz-Umfrage.
Bruce LaBruce, Regisseur, Performance-Künstler
„Ein wirklicher Fan von Weihnachten bin ich nicht, allerdings schaue ich mir gerne ungewöhnliche Weihnachtsfilme an, „Die Drei Tage des Kondors“ mit Faye Dunaway oder „Meine Braut ist übersinnlich“ mit Kim Nowak beispielsweise. Während der Feiertage verreise ich auf die Farm meiner Eltern, dort bin ich aufgewachsen.
Weihnachten ist hier nur die Entschuldigung, um endlich wieder mit meinen Eltern zusammen sein zu können. Sie sind tolle Menschen und ich sehe sie viel zu selten. Gemeinsam mit ihnen in den verschneiten Wäldern spazieren zu gehen ist wunderbar. Keine Religion, kein Singen, Beisammensein und eine der seltenen Auszeiten genießen, das ist für mich Weihnachten.“
Ursula von der Leyen, Politikerin, Bundesverteidigungsministerin
„Die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr bedeutet für uns Familie und endlos Zeit für Zusammensein. Traditionell kommen meine Brüder mit ihren Familien zu Besuch. Mein Vater hat 31 Enkelkinder, das jüngste ist vier, das älteste 29. Er genießt den Trubel, den sie ins Haus bringen. Die Cousins und Cousinen, die alle nicht in Hannover wohnen, schlagen überall im Haus ihre Matratzenlager auf und haben sich untereinander natürlich eine Menge zu erzählen.
Alle hoffen, dass es schneit, denn dann spannen wir die Ponys vor bis zu 3 Schlitten und jagen über die Äcker. An den Abenden hocken wir zusammen, klönen oder machen Spiele wie „Activity“ und „Tabu“. Morgens schlafen wir alle lange aus, um dann gemeinsam ausgiebig zu frühstücken.
Die Ausgabe zum 24. Dezember: „Feiert!“ Berichte und Reportagen aus Familiärem, aus Sotschi, St. Pauli, dem Prenzlauer Berg, aus der Kulturwissenschaft, von Adorno & Penelope, zu Ritualen und über einen Onkel, der seine Erbschaft verjubelt. AutorInnen wie Sonja Vogel, Peter Unfried, Nina Apin, Manuel Schubert, Julia Niemann, Michael Rutschky, Kim Trau, Bruce LaBruce, Antje Basedow, Martin Schulz – und Ursula von der Leyen. Ab Dienstag am Kiosk oder direkt am eKiosk.
Dahinter steckt eine eingeübte Logistik, bei der inzwischen die Enkelgeneration 18+ das Heft in die Hand genommen hat. Jeden Tag kurvt ein Team zum Supermarkt. Auf den Einkaufslisten stehen schon mal zehn Salatköpfe, 30 Liter Milch oder Berge von Nudeln.
Wir Alten können uns zurücklehnen, denn die WG-erprobten Jungen kochen auch ganz fantastisch für die ganze Mannschaft. Wenn sich das Haus Richtung Sylvester langsam wieder leert, staune ich jedes Jahr, wie das wieder funktioniert hat.“
Martin Schulz, Politiker, Präsident des Europaparlaments
„Obschon ich nicht übermäßig christlich geprägt bin, ist mir das Weihnachtsfest sehr wichtig. Denn nur zu diese Zeit im Jahr kehrt bei uns Zuhause vollkommene Ruhe ein und ich kann das tun, was ich am liebsten mache: Mit meiner Familie zusammen sein und lesen!
Da wird dann gut gegessen, viel über das vergangene Jahr gesprochen, das Neue wird geplant und eingewickelt in eine wollende Decke werden auf dem Sofa dicke Wälzer verschlungen. In diesem Jahr möchte ich vor allem die Neuerscheinungen zu Willy Brandts 100. Geburtstag lesen und mich erneut mit der Zeit vor dem 1. Weltkrieg beschäftigen. Wenn ich beim Lesen auf der Couch einschlafe, ist das durchaus gewünscht, denn nur dann werde ich fit genug sein, um im kommenden Jahr täglich intensiv die taz zu lesen.“
Mely Kiyak, Autorin, Journalistin
„Deutsche Lover denken oft, es gäbe nichts Herrlicheres, als mit ihren Eltern in Stuttgart oder Meppen Weihnachten zu verbringen. Man tut den Lovern den Gefallen und nimmt die Einladungen an. In anderer Leute Plüschpantoffeln sitzt man dann am Baum („Sie bekommet den Ehrenplatz, Melanie! “)und lässt sich alles haarklein erklären („Wir schmücket nur mit Opas Originallametta von 1953“).
Man fühlt sich in solchen Momenten immer, als bewege man sich in Wollklamotten, die im Wäschetrockner eingegangen sind. Alles steif, alles kratzt. Man versucht sich auf die Ankunft des Herrn zu konzentrieren und Fragen zu beantworten („Hat’s im Ischlam Weihnachten?“).
Jahre habe ich gebraucht, bis ich begriff, der sichere Tod einer heißen Liebschaft ist ein Weihnachtfest mit den Eltern des Darlings. Besser man bleibt im Kreise seiner türkischen Eltern und besäuft sich besinnungslos.“
Gregor Gysi, Politiker, Chef der Linke-Bundestagsfraktion
„Weihnachten geht bei mir nicht ohne echte Kerzen am Baum, ohne weihnachtliche Musik von Bach bis „Stille Nacht“ und ohne die Weihnachtsgans mit Klößen und Rotkohl auf dem Tisch. Also alles ganz traditionell. In diesem Jahr brauche ich wahrscheinlich drei Gänse, denn am 25. feiere ich mit meiner großen Familie, während an Heiligabend eher meine kleine Familie zusammenkommt. Am zweiten Weihnachtsfeiertag erhole ich mich dann vom Festtagsstress.“
Julia Klöckner, Politikerin, frühere Weinkönigin
„An Weihnachten gibt es bei uns keine Experimente, ich setze auf die altbekannten Klassiker: Weihnachtsbaumschmücken, Essen mit der Familie, gemeinsames Singen, Bescherung, Gottesdienst.
Zwischendurch: Bücher lesen, Bücher lesen, Spazieren gehen. Am zweiten Weihnachtsfeiertag gibt es eine riesige Tafel - seit etwa zehn, fünfzehn Jahren – mit Freunden, das Essen wird den Tag über gemeinsam zubereitet, ein Riesentrubel, und es gibt: Truthahn – nach britischer Variante, da einer der Freunde aus England stammt. Ach ja: Für die Weinauswahl bin ich zuständig. Wie gesagt: Keine Experimente!“
Manuel Schubert, Filmkritiker, taz-Autor
„Weihnachten ist abgeschafft. Ich habe Abschied genommen von Heiligabend und familiärem Tamtam, inklusive der üblichen Ingredienzien ala Baum und Gans. Meine Eltern führen ein Restaurant, an den Weihnachtsfeiertagen sind sie auf meine Mitarbeit angewiesen. Weihnachten ist Arbeit.
Die beiden Feiertage stehen für die höchsten Umsätze des Jahres. Und für den schlimmsten Stress. Weihnachten ist anstrengend. Wenn die Gäste in Mannschaftsstärke aufschlagen, samt genervtem Anhang und schwelender Familienstreitigkeiten, kommt die professionelle Freundlichkeit ans Limit. Weihnachten ist falsch.
Ich flüchte. Heiligabend bietet mir das Kino Asyl, danach gehe ich für 48 Stunden in die innere Emigration. Es gibt nur eine Gewissheit: Der 27. Dezember kommt bestimmt.“
Claudia Roth, Politikerin, Bundestagsvizepräsidentin
„Ich als richtiger Weihnachtsjunky kann mir das Fest gar nicht anders vorstellen als mit der ganzen Freundes-Familie, mit Kerzen, großem Weihnachtsbaum, den typischen Gerüchen, Geschmäckern und Liedern. Das hat für mich schon immer zu Weihnachten gehört, selbst in den härtesten Hausbesetzer- oder TonSteineScherben-Zeiten.
Deshalb blicke ich auch heute noch mit Grausen an ein Weihnachten zurück, das ich mit meiner Mutter einmal auf einer Sonneninsel am Strand verbracht habe – völlig abartig. Darüber waren wir uns schnell einig und von da an gab’s das auch nicht mehr. Ein einmaliger, schlimmer Ausrutscher. Seitdem geht’s nur noch in den weihnachtlichen Schnee – was angesichts des Klimawandels eine echte Herausforderung ist.“
Gretchen Klotz, Autorin, Witwe von Rudi Dutschke
„Ich habe sieben Enkelkinder, das bestimmt Weihnachten für mich. Also heißt Weihnachten Alexander, Kalinka, Luna, Alfred, Asker, Luise und Julius. Sie alle kennen die Horrorweihnachten von 1979 (als mein Mann starb) nicht. Sie freuen sich auf Weihnachten, also freue ich mich zusammen mit ihnen. Nicht immer sind wir alle genau am 24.12. zusammen. Immer aber mit einigen und alle sind in meinen Gedanken. Frieden, Freude und Zukunft.“
Vaginal Davis, Performance-Künstlerin, Queer-Ikone
„Ein dämliches christliches Fest ist Weihnachten für mich, das mit seinen heidnischen Wurzeln nichts mehr zu tun hat. Wenn so viele Andere glauben, sie müssten sich der familiären Fröhlichkeit aussetzen, genieße ich es allein und für mich zu sein, zu reflektieren und nachzudenken. Wobei Alleinsein nichts mit Einsam sein zu tun hat.
Meine Freunde überall auf der Welt, versorgen mich ständig mit dem neuesten Geschwätz und den wichtigsten Gerüchten. Berlin ist während der Weihnachtszeit ein wunderbarer Ort: Es hat sich seinen eigenen Charme bewahrt. Dem Kapitalismus ist es hier bisher nicht gelungen, die Stadt in eine einzige Shopping-Meile zu verwandeln. So wie es mit London, Paris, New York und auch meiner Geburtsstadt Los Angeles geschehen ist.“
Die Eindrücke wurden eingesammelt von Manuel Schubert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne