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Prognose zur demografischen EntwicklungDer Osten schrumpft und altert

Bis zum Jahr 2040 wird die Bevölkerung in Ostdeutschland zurückgehen, sagt eine neue Studie. Zwei Städte bilden eine Ausnahme von diesem Trend.

Der Luisenplatz in Potsdam Foto: Olaf Döring/imago

Berlin afp | In weiten Teilen Ostdeutschlands wird die Bevölkerung bis zum Jahr 2040 voraussichtlich massiv schrumpfen. Zu diesem Schluss kommt eine am Dienstag in Gütersloh veröffentlichte Prognose der Bertelsmann-Stiftung zur demografischen Entwicklung. Demnach dürfte die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner verglichen mit 2020 in Sachsen-Anhalt um 12,3 Prozent zurückgehen, in Thüringen um 10,9 Prozent und in Mecklenburg-Vorpommern um 7,3 Prozent.

In Sachsen wird laut Bevölkerungsvorausberechnung der Stiftung mit einem Minus von 5,7 Prozent gerechnet, in Brandenburg um 2,4 Prozent. Ebenfalls stark betroffen ist allerdings auch das im Westen gelegene Saarland mit einem prognostizierten Rückgang der Bevölkerung um 5,3 Prozent. Ganz anders ist die Lage in den Metropolen und Ballungsgebieten: Für das Bundesland Berlin etwa wird bis 2040 mit einem Zuwachs von 5,8 Prozent gerechnet.

Auch Baden-Württemberg mit einem Plus von 4,6 Prozent und Bayern mit einem Zuwachs von 4,4 Prozent werden demnach binnen 20 Jahren deutlich zulegen. Im Stadtstaat Hamburg ist den Berechnungen der Expertinnen und Experten zufolge von einer Bevölkerungszunahme von 3,5 Prozent bis 2040 auszugehen.

Wo der Westen stagniert

Andere westliche Flächenländer werden demnach hingegen eher stagnieren – etwa Nordrhein-Westfalen mit einem prognostizierten minimalen Rückgang um 0,1 Prozent oder Niedersachsen mit einem geringfügigen Anstieg um 0,1 Prozent. Die Bevölkerung in Deutschland insgesamt wird der Berechnung nach bis 2040 verglichen mit 2020 um 0,6 Prozent wachsen. Laut Statistischem Bundesamt lebten in jenem Jahr bundesweit rund 83,2 Millionen Menschen.

Treiber hinter dieser Entwicklung sind laut Studie die regional teilweise höchst unterschiedlichen demografischen Entwicklungen, vor allem zwischen städtischen und ländlichen Gebieten. So wird auch die im Bundesland Sachsen gelegene Großstadt Leipzig bis 2040 ihre Bevölkerungszahl voraussichtlich um 14,7 Prozent steigern können – und damit stärker als jede andere Kommune.

Das brandenburgische Potsdam bei Berlin liegt mit einem Wachstum von 11,3 Prozent ebenfalls im Spitzenfeld. Am anderen Ende rangieren Gebiete wie der Landkreis Mansfeld-Südharz in westlichen Sachsen-Anhalt mit einem Minus von 21,1 Prozent oder der Landkreis Greiz in Thüringen, dessen Einwohnerzahl bis 2040 um 19,5 Prozent und damit ebenfalls rund ein Fünftel schrumpft.

Das Durchschnittsalter steigt

Bundesweit eine zentrale Rolle in allen Kommunen spielt der Berechnung der Stiftung zufolge künftig die fortschreitende Alterung der Gesellschaft. Der Anteil der Menschen über 65 Jahren wird sich demnach von knapp 22 Prozent im Jahr 2020 binnen 20 Jahren auf annähernd 28 Prozent im Jahr 2040 erhöhen.

Auch hierbei wird es den Expertinnen und Experten zufolge aber erhebliche regionale Differenzen geben: Das sogenannte Medianalter der Bevölkerung wird bei generell ansteigender Tendenz im Jahr 2040 in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg bei etwa 43 Jahren liegen – in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen dagegen bei mehr als 52 Jahren.

Mehr als ein Drittel über 65

In 30 Landkreisen dürfte der Anteil der über 65-Jährigen an der Bevölkerung im Jahr 2040 mehr als 35 Prozent betragen, also deutlich mehr als ein Drittel. Alle liegen in Ostdeutschland in ländlichen Gebieten. Ganz vorn ist dabei wiederum der Landkreis Greiz mit einem Anteil von 39,1 Prozent, dicht gefolgt vom Landkreis Spree-Neiße in Ostbrandenburg mit 38,5 Prozent.

Die Bertelsmann-Stiftung rief dazu auf, sich in allen Kommunen auf die mit der Alterung einhergehenden Herausforderungen einzustellen. Vielfach werde dies ohne Förderprogramme von Bund und Ländern aber nicht gelingen. „Es braucht jetzt gezielte Strategien, um eine geeignete Infrastruktur für die älteren Generationen aufzubauen und die dabei entstehenden wirtschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen“, erklärte Vorstandschef Ralph Heck dazu.

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7 Kommentare

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  • "Demnach dürfte die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner verglichen mit 2020 in Sachsen-Anhalt um 12,3 Prozent zurückgehen, in Thüringen um 10,9 Prozent und in Mecklenburg-Vorpommern um 7,3 Prozent."



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    Das wird auch wieder Veränderungen in den Proportionen für die Festlegung von Wahlkreisen geben, sodass ihre Zahl im Osten an mehreren Orten zugunsten prosperierender Regionen im Westen sinkt. Das gab es erst kürzlich:



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    www.augsburger-all....html?aid=69124816



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    Es braucht nicht viel Fantasie dafür, zu erahnen, wessen Interessen das besonders zuwider läuft und wer darum frühzeitig zumindest protestieren wird.

  • Ostdeutschland ohne Berlin hat 12,6 Millionen Einwohner, Baden-Württemberg 11,07 Millionen und Bayern 13,08, Nordrheinwestfalen 17.93 Millionen. Tendenz schrumpfend bzw. steigend. D.h. Ganz Ostdeutschland wäre demnächst zusammen noch nicht-mal das viertgrößte Bundesland. Da erscheinen die Erfolge der AFD halt in einem anderen Licht. Vielleicht wäre es auch mal an der Zeit nochmal über eine Reform der Anzahl der Bundesländer nachzudenken, wenn da einige so sehr schrumpfen wäre es sinnvoll da Einsparungen bei den Verwaltungskosten mitzunehmen. Darüber hinaus sollte man sich überlegen in Orten die sowieo aussterben Wegziehprämien zu zahlen um größere Gebiete für den Naturschutz zu gewinnen und Wartungskosten für die Infrastruktur zu sparen.

    • @Machiavelli:

      Das sind altbekannte Kaskaden und perpetuierte Spiralen:



      "Denn es gibt zahlreiche Zusammenhänge zwischen demografischer und regionalökonomischer Entwicklung. Das Bevölkerungswachstum und die altersstrukturelle Zusammensetzung der Bevölkerung beeinflussen die Ökonomie über zahlreiche Wirkungskanäle, wie beispielsweise die regionale Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen, die Bedingungen für die Bereitstellung von Infrastruktur (Schulen, kulturelle Einrichtungen, ÖPNV etc.) und die Immobilienmärkte. Von hoher Relevanz sind die demografischen Bedingungen zudem für den Arbeitsmarkt, weil die Bevölkerungsgröße und ihre Struktur relevant für das qualitative und quantitative Arbeitsangebot sind."



      Attraktivität ist lenkbar und machbar, aber...



      Quelle



      www.wirtschaftsdie...e-und-chancen.html

    • @Machiavelli:

      Vielleicht eher Hinzugprämien und die regionale Entwicklung in schrumpfenden Gegenden vorantreiben.

      Es ist ja Verfassungsauftrag, gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen. Wenn Infrastruktur und Arbeit fehlen, schrumpfen Regionen eben.

      Sie haben Recht, dass dies die Wahlerfolge der AfD - etwas - relativiert.

      Allerdings steht sie auch in Gesamtdeutschland bei 18-20 Prozent und wären zweitstärkste Kraft.

      Schlimmer: Die anderen Parteien übernehmen Teile ihrer Agenda, z.B. in den ewig sinnlosen Diskussionen um Migration. Die AfD hat damit bereits einen sehr großen Einfluss.

      Liegt es eher an der merkwürdigen "Taktik" von Union und Regierungsparteien? Sicherlich, aber das macht es nicht besser.

      • @Stavros:

        "Vielleicht eher Hinzugprämien und die regionale Entwicklung in schrumpfenden Gegenden vorantreiben."

        Ich würde es viel eher als Chance begreifen, Gemeinden zu renaturisieren und das überfällige De-Grwoth einzuleiten.

      • @Stavros:

        "Gleichwertige Lebensverhältnisse" heißt ja nicht, dass überall alles gleich sein muss. Vielfalt bedeutet ja auch, dass es unterschiedlich dicht besiedelte Gebiete gibt, dass man die Wahl hat, in der Großstadt zu wohnen, im Speckgürtel, in der Kleinstadt oder eben auch in ganz dünn besiedelten Regionen. Alles hat seine Vor- und Nachteile. Für die Natur ist es sicher gut, wenn due Menschen sich aus bestimmten Gebietwn zurückziehen und die menschliche Besiedlung konzentrierter ist.

        Die Menschen ist Ostdeutschland sind in 1989 je nicht zuletzt deswegen auf die Straße gegangen, weil sie raus wollten, weil sie die Freizügigkeit wollten, sich dort anzusiedeln, wo es für sie attraktiv ist. Insofern ist das eine gute Nachricht. Viele haben sich woanders ein gutes Leben aufgebaut.

        Es ist richtig, dass die AfD im Westen auch viel zu stark ist. Aber dieses Getue, dass man immer auf die "ostdeutschen Befindlichkeiten" Rücksicht nehmen muss, das neben AfD auch gerne Linkspartei und BSW bedienen, das ist angesichts der wenigen Ostdeutschen schon sehr übertrieben.

        • @Ruediger:

          Gelichwertige Lebensverhältnisse heißt nicht Gleichmacherei, definitiv.

          Aber es heißt Chancengleichheit.

          Gute Infrastruktur, Schulen, Kitas, Krankenhäuser, Ärzteversorgung.

          Die Regionen können auf der Basis eines generellen Standards sehr gerne eigene Wege beschreiten.