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Probleme mit dem RestmüllKopenhagen verfehlt Klimaziel

Eigentlich wollte die Stadt bis 2025 klimaneutral sein. Daraus wird nun nichts – und das hat mit der umstrittenen CCS-Technik zu tun.

In Sachen Radverkehr sieht es gut aus – mit der Klimaneutralität wird es trotzdem länger dauern Foto: Steffen Trumpf/dpa

K openhagen hat sein 2009 aufgestelltes Klimaziel aufgeben müssen, als weltweit erste Hauptstadt bis 2025 zu 100 Prozent „klimaneutral“ zu sein. Man wird dieses Ziel wohl um mindestens 20 Prozent verfehlen.

Abgezeichnet hatte sich das schon länger. Vergangene Woche aber bestätigte Lina Barfod, die der linken Einheitsliste angehörende Bürgermeisterin für Technik und Umwelt, „diese deprimierende Nachricht“ auch offiziell. Verantwortlich gemacht werden Probleme beim Genehmigungsprozess für das „Amager Ressource Center“ (ARC), eine große Restmüll-Verbrennungsanlage, die von Kopenhagen und mehreren Nachbarkommunen betrieben wird.

Sie sollte bis 2025 mit CCS-Technik nachgerüstet werden, also einer Anlage zur Abscheidung und Speicherung von CO2. Mit bis zu 400.000 Tonnen CO2 hoffte man damit die jährliche Klimagasbilanz Kopenhagens entlasten zu können. Verdichtet und per Schiff nach Norwegen transportiert, sollte das CO2 dann in unterirdischen Kavernen alter Öl- und Gasfelder in der Nordsee verpresst werden.

Voraussetzung zur Finanzierung dieses Projekts wären aber EU-Gelder gewesen. Für die hatte man auf den EU-Innovationsfonds gehofft, in dessen Rahmen Brüssel Mittel bereitstellt „für die kommerzielle Demonstration innovativer kohlenstoffarmer Technologien mit dem Ziel, industrielle Lösungen zur Dekarbonisierung Europas auf den Markt zu bringen und seinen Übergang zur Klimaneutralität zu unterstützen“. Die EU lehnte ab. „Leider wurden wir von anderen Projekten überholt“, teilte die ARC-Direktion Mitte Juli mit. Damit war das Ende des Projekts eigentlich schon besiegelt.

ARC hatte errechnet, dass sich der Betrieb einer solchen Anlage selbst bei einem CO2-Tonnenpreis von dauerhaft über 100 Euro nur mithilfe staatlicher Beihilfen rechnen würde. Derzeit liegt der Preis bei unter 90 Euro.

KritikerInnen hatten von vorneherein bemängelt, dass Kopenhagen bei einem zentralen Eckstein, mit dem man das Klimaziel erreichen wollte, auf die Verwirklichung eines Projekts gesetzt hatte, dessen Finanzierung nicht gesichert war und dessen Technik nicht nur umstritten ist, sondern bislang auch erst in einigen Pilotanlagen getestet wird. Gleichzeitig galt es als problematisch, sich noch jahrzehntelang an großskalige Abfallverbrennung binden zu wollen, auch wenn damit Fernwärme- und Stromproduktion verbunden sein sollte: Das widerspreche den Zielen einer nachhaltigen Umweltpolitik.

Ähnliche Schwachstellen wie im Klimaplan der Hauptstadt gebe es auch bei den nationalen dänischen Klimazielen für die Jahre 2025 und 2030, kommentiert die Zeitung Information. Auch hier vertraue man auf Technologien, die noch im Entwicklungsstadium seien: „Das ist eben das Resultat, wenn man zu spät in Gang gekommen ist.“

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Reinhard Wolff
Auslandskorrespondent Skandinavien und das Baltikum
Lebt in Schweden, schreibt seit 1985 für die taz.
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9 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • CCS ist ein Feigenblatt der Energiekonzerne und der Weiter-so Fraktion, mehr nicht.



    Das einzige, das bis jetzt funktionierte, ist der Abgriff von Subventionen, aber auch das ist nicht immer sicher.



    Und damit das nicht nur so gesagt ist, ein paar Links.



    Zu Island, "According to the US Environmental Protection Agency, that equates to the emissions from about 870 cars. The plant cost between US$10 and 15m to build, Bloomberg reported."



    www.theguardian.co...ns-in-iceland-orca

    Reality check: why CSS has no role in Australia's energy system



    apo.org.au/node/309981



    Norwegen



    Over £1bn of public subsidies was lavished on the project – a “political subsidy for fossil fuels,” according to Rasmus Hansson, the parliamentary leader of Norway’s Green party.

    “In reality it was a deliberate political move, designed to relieve the Norwegian oil and gas industry of climate-related criticism and it worked,” he told the Guardian.

    www.theguardian.co...and-grim-realities

    Wir haben eine Bevölkerung und damit Wähler, die keine Einschränkung ihres Lebensstandards akzeptiert und gleichzeitig für die Rettung der Welt vor der Apokalypse gelobt werden will. Das ist ein Szenario, welches von vielen zu ihrem Vorteil und nur zu ihrem Vorteil genutzt wird.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Mit CCS könnten wir uns in ganz Europa eine Menge Probleme ersparen und zudem die Abhängigkeit vom russischen Gas auf ein Minimum beschränken.

    Nein, man will es nicht. Aus ideologischen Gründen und weil diese irren Greenpeace-Leute das nicht wollen. Sie haben die jungen Leute vor ihren Karren gespannt und die sind wie Schafe hinterhergetrottet.

    CCS heißt kein CO2 mehr in die Atmosphäre blasen, Zeit, um die Neuen Energien zu etablieren.



    Wir sind nicht alleine auf der Welt. Südafrika zum Beispiel setzt zu über 80% Kohle für ihre Energie ein. Die werden die Kohle nicht einfach in der Erde lassen. So geht es vielen Ländern. Wieso ist das so schwer zu begereifen?

    Die Technologie ist SICHER. Lasst euch keinen Mist erzählen.



    Macht euch selbst schlau und lest - auch in englisch!

    • @17900 (Profil gelöscht):

      1. Wie hoch ist der Energieanteil, der für CCS benötigt wird bzw. um wieviel Prozent sinkt der Wirkungsgrad? Und wenn Sie das herausgefunden haben (gerne auch auf Englisch), dann mal drüber nachdenken, ob ein bisschen sparen nicht effizienter wäre?



      2. Woher wissen Sie, dass das eine sichere Technologie ist? So sicher wie AKW-Gaus nur alle 1 Mio. Jahre vorkommen?



      3. Nicht einfach nur der CCS-Technologielobby hinterher laufen, sondern, einfach mal schlau machen ...

  • Man muss nicht nach Dänemark schauen, um sich über Greenwashing und vermeitliche Klima-Neutralität zu wundern. Die gleiche staatliche Greenwashing wird auch in Hamburg betrieben:

    www.hamburger-ener...g/abwasserabwaerme

    Damit die notwendige Förderung überhaupt fließen konnte, wurde sogar das Gesetz geändert:

    www.hamburg.de/pre...asser-waermepumpe/

    Aus Kostengründen wird die Anlage initial mit einem Gas-Blockheizkraftwerk für die Stromerzeugung, auch wenn perspektivisch von 100 % Ökostrom gesprochen wird. D.h. aktuell wird mehr als 1/3 der Energie aus Gas gewonnen. Die gigantischen Anfangsinvestitionen und der CO2 Fußabdruck der Anlage und des BKHW werden nicht berücksichtigt.

    cgi.tu-harburg.de/...rme_aus_Wasser.pdf

    Oder Hamburg Oberbillwerder, heute als Vorzeigeprojekt für klimaneutrale Wärmeerzeugung neuer Baugebiete gefeiert, mit einem geplanten Dauerbetrieb des Gesamtsytems ab 2041!!!

    www.oberbillwerder...versorgung-OBW.pdf (Folie 9)

    Wenn das die rot-grüne Idee von Nachhaltigkeit ist, dann wird das wohl nichts. Hoffentlich dient das rot-grüne Konzept nicht als Blaupause für die Bundesregierung.

  • Das soll klimaneutral sein? Blödsinn!



    Dann gehen auch AKWs, die Brennstäbe werden ja auch unterirdisch verbuddelt.

  • CCS ist so ein riesen Bullshit.



    Hermann Scheer rotiert in seinem Grab.

    Glücklicherweise gibt es ein Video, dass mich in Bezug auf CCS zuverlässig aufheitert:

    www.youtube.com/watch?v=MSZgoFyuHC8

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Christoph Buck:

      Warum posten sie so einen Quatsch?

      Wie wäre es mit seriöser Information. Gerade Australien und Deutschland war in Sachen CCS sehr erfolgreich!

      CCS + Otway Project (Australia)



      CCS + Ketzin (Germany)



      CCS + Sleipner (Norway)



      CCS + Carbfix (Island)

      • @17900 (Profil gelöscht):

        Weil ich (im Gegensatz zu Ihnen) keine Techniken promote, die die Ära der fossilen Energieträger verlängert und die Allgemeinheit dafür bezahlen lässt.

        Und weil mich dieser Quatsch, wie bereits erwähnt aufheitert.