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Pro und Kontra Wahl in KatalonienEin Votum für die Unabhängigkeit?

Die Mehrheit haben die Separatisten gewonnen. Doch ist damit das Ergebnis auch ein Votum für die Abspaltung?

Noch wehen sie Seit an Seit im Wind: Kataloniens und Spaniens Fahne Foto: dpa

Ja,

d er Sieg der Unterstützer der Unabhängigkeitsbewegung ist klar. Die Verteidiger der spanischen Verfassungsordnung betonen zwar, die Wahl vom 21. Dezember stellen kein Votum für die Unabhängigkeit dar, weil die für ein unabhängiges Katalonien eintretenden Parteien nur 47,55 Prozent der Stimmen erhielten. Doch bei genauem Hinsehen ist die Sache komplizierter.

Es ging bei dieser Wahl um die Wiedergewinnung der katalanischen Souveränität, die Spaniens Zentralstaat per Aktivierung des Art. 155 der Verfassung außer Kraft gesetzt hat. Die Parteien, die diesem Schritt zustimmen, haben nur 45,01 Prozent geholt – die Gegner haben die Mehrheit. Wie es Puig­demont ausdrückt, der sich für den „legitimen“ Präsidenten Kataloniens hält: „Die Katalanische Republik hat die Monarchie des Artikels 155 besiegt.“

Eine vollständige Wahlanalyse darf die Partei CEC-Podem (Catalunya en Comú-Podem) der Bürgermeistern von Bacrcelona, Ada Colau, nicht vernachlässigen. Diese politische Kraft, in der sich Grüne und Exkommunisten wiederfinden, hat beim Unabhängigkeitsreferendum nicht zum Ja aufgerufen, aber sie hat das Referendum an sich gutgeheißen, sie lehnt Art. 155 ab und erkennt Puigdemont als Präsidenten an. Ist es legitim, die 7,44 Prozent dieser Partei zum Lager der Unabhängigkeitsgegner dazuzurechnen, um diesem eine Mehrheit anzudichten?

Welches Lager gewonnen hat, ist klar. Die Partei des spanischen Ministerpräsidenten ist dahingeschmolzen wie Schnee in der Sonne, die Parteien um Puigdemont behalten ihre Mehrheit. Wer von beiden kann einen Erfolg verbuchen? Das könnte sich positiv auswirken, wenn Madrid sich nun davon überzeugen ließe, den Weg der Repression zu verlassen und einen Dialog über eine gütliche Trennung einzuleiten. Francois Misser

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Nein,

das ist kein Freifahrschein für die Separatisten. Sie haben Sitze verloren, erstmals wird eine prospanische Partei stärkste Fraktion im Regionalparlament sein. Vor allem aber haben 52 Prozent der Wähler gegen die Kräfte gestimmt, die Kataloniens staatliche Unabhängigkeit anstreben. Das ist kein zufälliges Ergebnis oder Folge einer angeblichen Unterdrückung durch Madrid, es war auch schon bei früheren Wahlen und Umfragen so ähnlich.

Dass die Sezessionisten dennoch die absolute Mehrheit im Regionalparlament haben werden, liegt an einem ungerechten Sitzverteilungsverfahren. Das sorgt in Katalonien dafür, dass nationalistische Parteien regelmäßig mehr Mandate erhalten, als ihrem Anteil an den Wählerstimmen entspricht. So mussten die prospanischen Ciudadanos rund 8 Prozent mehr Stimmen je Sitz aufbringen als die größte separatistische Allianz Junts­XCat. In Deutschland ist dieses Verteilungsverfahren vor Jahren im Bund und in den meisten Ländern abgeschafft worden.

Die Separatisten sollten endlich zur Kenntnis nehmen, dass sie in der Minderheit sind. Und die Regierung in Madrid muss endlich akzeptieren, dass die Separatisten zu stark sind, um sie mit der Justiz zu bekämpfen. Sie muss ihnen durch mehr Mitspracherechte und mehr Geld für einige der autonomen Regio­nen Spaniens den Nährboden unter den vielen Katalanen entziehen, die nicht fanatische, sondern pragmatische Nationalisten sind.

Madrid sollte den Dialog mit den Unabhängigkeitsbefürwortern suchen – über eine Verfassungsreform. Aber keinesfalls über die Modalitäten einer Abspaltung Kataloniens. Denn das würde Separatisten in anderen EU-Staaten stärken und langfristig die Grenzen und damit den Frieden in Europa gefährden. Jost Maurin

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.