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Pro Gaza-Demo in BerlinErleichterung und Skepsis

Erneut sind tausende Menschen für Palästina durch Mitte gezogen. Statt Wut überwiegen diesmal Erleichterung und Hoffnung, aber auch tiefes Misstrauen gegenüber Israel.

Unter breiten Schwingen versammeln sich die Pro Gaza-Demonstrant:innen Foto: Darius Ossami/taz
Darius Ossami

Von

Darius Ossami aus Berlin

taz | Am Samstag fand erneut eine propalästinensische Demonstration in Berlin-Mitte unter dem Motto „United 4 Gaza“ statt. Die bundesweit mobilisierte Demonstration startete auf der Straße des 17. Juni, ging quer durch das Regierungsviertel bis zur Spandauer Straße unweit des Roten Rathauses.

Die Großdemonstration, an der nach Polizeiangaben 14.000 Menschen teilnahmen, begann jedoch mit einer Blockade. Die Berliner Polizei verlegte kurzfristig den lange angekündigten Auftaktort vom Brandenburger Tor zur Straße des 17. Juni und sperrte den Pariser Platz für offensichtliche Teilnehmende der propalästinensischen Demonstration. „Damit es nicht zu Vermischungen mit anderen Veranstaltungen kommt“, wie ein Polizist etwas umständlich erklärte. Damit meinte er vor allem eine proisraelische Kundgebung, die mit 20 Teilnehmenden etwas abseits vor der Commerzbank ihren Platz hatte.

Die „United 4 Gaza“-Teilnehmer*innen mussten einen Umweg in Kauf nehmen, die Veranstaltung startete verspätet. Der wortgewaltige Moderator auf dem dezibelstarken Lautsprecherwagen sprach von „Schikane“. Die Polizei, die mit 850 Be­am­t*in­nen aus mehreren Bundesländern vertreten war, nahm gleich zu Beginn mehrere Personen fest – eine sei ein wiedererkannter Straftäter gewesen, die anderen, weil sie gegen diese Festnahme protestierten. Ansonsten blieb die Veranstaltung friedlich.

Erst nach über anderthalb Stunden setzte sich der Zug langsam, aber lautstark in Bewegung. Tausende Menschen aller Altersgruppen betonten auf zahlreichen Schildern, dass ein Waffenstillstand nicht reiche und forderten ein Ende von Besatzung und Apartheid: „Palästina ist nicht frei, bis jeder Palästinenser zurück in seine Heimat kommt“, rief ein Sprecher. Weitere Schilder übten harsche Kritik an Israel und dem Zionismus.

Eine der zahlreichen Red­ne­r*in­nen war Kübra Cinar, die mit der Global Sumud Flotilla medienwirksam versucht hat, die Seeblockade zu durchbrechen und von der israelischen Armee verhaftet wurde. Sie berichtete von Folter und Misshandlungen und kritisierte das Schweigen und eine „Komplizenschaft“ Deutschlands an Israels Vorgehen in Gaza. Man könne sich nicht auf Deutschland verlassen, so Cinar, „aber wir werden nicht schweigen“-

Trotz Waffenstillstand demonstrieren Hunderte in Berlin Foto: Michael Ukas/dpa

Organisiert wurde „United 4 Gaza“ von einer Initiative palästinensischer Aktivist*innen, um „der palästinensischen Perspektive Gehör verschaffen – in einem Land, das sie systematisch ausblendet“, wie es auf der Website heißt. Mit dem Motto knüpfte sie an die gleichnamige Großdemo am 21. Juni an, als zehntausende Menschen zum Platz der Republik strömten.

Ein Sprecher der Initiative ist der Palästinenser Abed Hassan, der selbst die ersten fünf Wochen dieses Gazakriegs miterleben musste. „Wir sind psychisch krank geworden“, von fünf engen Freunden in Gaza seien nur noch zwei am Leben. Seine Forderungen sind klar: „Wir setzen uns gegen die strukturelle Apartheid des Staates Israel gegenüber den Palästinensern ein, für echte Souveränität und das Rückkehrrecht der Palästinenser“, so Hassan. Zwar gebe es eine „riesengroße Skepsis, weil man der israelischen Besatzung in der Vergangenheit nicht trauen konnte“. Dennoch empfinde er Erleichterung: „Meine größte Hoffnung ist, dass die palästinensischen Parteien, dass die palästinensische Zivilgesellschaft selbst darüber bestimmen kann, wie die Zukunft der Palästinenser in Palästina aussieht.“

Dann zog die Demo los und die Straße des 17. Juni gehörte wieder den Tourist*innen. Nur ein propalästinensischer Aktivist stand noch dort, festgehalten von einer kleinen Gruppe Polizisten.

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13 Kommentare

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  • "I Have a Dream..."

    ...dass Israelis und Palästinenser Hand in Hand auf die Straße gehen, um gemeinsam zu trauern um die unzähligen Toten des Konfliktes, um einander zu verzeihen und um ein Land zu aufzubauen, das allen, Palästinensern und Israelis, Heimat sein kann.

    "I Have a Dream..."

  • Und wieder demonstrieren die offenbar 'Unversöhnlichen' "in einem Land, das sie systematisch ausblendet".

    Mir dagegen gehen die 'Bilder' noch nach, die am Wochenende im 'ZDF heute' über den Bildschirm flimmerten, geradezu spielfilmartig eingeblendet, mit perfekter Synchronie von Sonnenuntergangslicht und hintergründigem Waffenlärm, und im richtigen Augenblick, passend zum wirkungsvoll 'Gesprochenen' (wonach die gerade Zurückkehrenden in den Trümmern nach letzten Habseligkeiten suchen...) die so 'zufällig-absichtsvolle' Inszenierung eines leicht zerknitterten, ansonsten aber intakten Kinderbilds mitten auf der plattgewalzten staubigen Piste, worüber die Kamera kurz schweift



    vor der Kulisse heillos zerbombter Gebäude...

    Vielleicht haben Sie ja auch diese Bilder im ZDF gesehen.

  • "aber auch tiefes Misstrauen gegenüber Israel."



    Aber grenzenloses Vertrauen in die Hamas?

    "Sie berichtete von Folter und Misshandlungen"



    Gibt es dafür Belege, oder sind das einfach nur Behauptungen, um die Dämonisierung Israels und der Juden weiterzutreiben?

    "Rückkehrrecht der Palästinenser"



    Rückkehr in eine Region, in der man nie gewohnt hat?

    Naja, aber was soll man von diesen Leuten erwarten?

    • @Katharina Reichenhall:

      "Naja, aber was soll man von diesen Leuten erwarten?"

      Wohl am besten gar nichts. Es wird keine Rückkehr geben und es ist entlarvend für die Scheinheiligkeit der arabischen Nachbarn denen die Palästinenser doch angeblich so am Herzen liegen: Erst haben Sie den Krieg gegen das junge Israel sowie nachfolgend Weitere vom Zaun gebrochen, als Folge dessen die Palästinenser vertrieben wurden und halt und dann halten sie ihre lieben Brüder auch in 5. Generation noch im Flüchtlingsstatus und nähren die Hoffnung auf ein imaginäres aber vollkommen utopisches Rückkehrrecht.

  • Die riesengroße Skepsis sollte nicht nur bei den israelischen Besatzern, sondern auch bei den palästinensischen Terroristen Hamas und Co. gelten.

  • Das sind erst die ersten Schritte eines sehr langen Weges. Die Macht der USA allein wird nicht reichen, Hass und Wut zu überwinden.

  • Ist das derselbe Aufmarsch, von dem an anderer Stelle berichtet wird:



    "Die Lage eskalierte teilweise – insgesamt 36 Menschen mussten die Polizei vorläufigen Angaben zufolge festnehmen." und "Zahlreiche Menschen schrien dabei anti-israelische Parolen oder waren – Kämpfern der Terrormiliz Hamas nachempfunden – vermummt."

  • "tiefes Misstrauen gegenüber Israel", aber anscheinend immer noch kein Problem mit der Hamas.

  • Bleibt zu hoffen, dass das hält was angestrebt wird. Und bleibt zu hoffen, dass es friedlich bleibt. Auch bei uns und unseren Straßen. Die Demos in den letzten Tagen, stimmen hier zuversichtlich.

  • Skepsis ist angebracht, allerdings in erster Linie mit Bezug auf Hamas und Konsorten. Schwer vorstellbar, dass sie die Waffen werden niederlegen.

    • @Fran Zose:

      Die Hamas hat ganz eindeutig erklärt das sie die Waffen nicht abgeben.

      In Gaza Stadt kontrollieren bewaffnete uniformirte Hamas Kämpfer wieder die Strassen. Es hat auch schon wieder die erste Hinrichtung gegeben. Und wenn der Krieg weiter geht, leidet die arme Bevölkerung weiter und die Hamas versteckt sich wieder in ihren Tunneln.

      www.focus.de/polit...-04c6c93835a2.html



      Sonntag, 12.10.2025, 16:48



      Die radikalislamische Terrororganisation Hamas will ihre Waffen nicht abgeben.

      • @Martin Sauer:

        Leider wenig überraschend; wie die Ratten kriechen sie jetzt aus ihren Löchern bzw. Tunneln. Die Palästinenser werden so lange keine Ruhe finden, solange sie es nicht schaffen sich dieser Geißel zu entledigen und deren Ideologie, inklusive dem Judenhass abzuschwören. Nur leider gibt es wenig Anlass zur Hoffnung, dass sie zu dieser Erkenntnis gelangen werden. Und nicht wenig Linke bei uns werden sie noch darin bestärken, dass doch allein das Böse, Böse Israel Schuld am Leid der Palästinenser sei. Traurig aber wahr….

        • @Fran Zose:

          Die Gegner als Ratten zu bezeichnen, mögen Sie noch so zu verurteilen sein, das ist reiner Nazijargon, oder zumindest FJS im Originalton, beides sollte man vermeiden.