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Pro & Contra AfD als OppositionsführerinZu viele Privilegien für die AfD?

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze und Gunnar Hinck

Wenn die SPD doch mit der Union koaliert, wäre die AfD die größte Oppositionspartei im Bundestag. Ist das ein Problem?

Einmal bitte den Höcke-Gruß machen: AfDler im Bundestag Foto: dpa

J A

Zwei Politiker fielen nach der Bundestagswahl mit großspurigen Ankündigungen auf: „Wir werden sie jagen“, rief Alexander Gauland. „Wir sind das Bollwerk der Demokratie in diesem Land“, tönte Martin Schulz, um den Gang der SPD in die Opposition zu begründen. Gauland kann seine Ansage bald unter Beweis stellen – als stärkste Opposition in einer GroKo 2.0. Das mit dem Bollwerk kann Schulz dann begraben. Selbst bei einer SPD-tolerierten Minderheitsregierung wird die AfD künftig Oppositionsführerin im Bundestag sein, mit Alice Weidel und Gauland an der Spitze.

Zwar gibt es keine offizielle Oppositionsführerschaft im Bundestag. Der oder die Vorsitzende der stärksten Oppositionsfraktion ist nicht zu vergleichen mit dem machtvollen minority leader im US-Kongress – dort wird per Mehrheitswahlrecht gewählt, was zwei starke Fraktionen ergibt.

Aber die AfD wird informelle Privilegien genießen. Gauland oder Weidel werden bei Regierungserklärungen direkt auf Angela Merkel antworten können, und die brave „Tagesschau“ wird die Rangfolge formal korrekt abarbeiten. Regierungserklärung Merkel, Antwort Gregor Gysi (später Sahra Wagenknecht) und dann noch ein paar Sekunden Hofreiter oder Göring-Eckardt von den Grünen.

Von diesem Drehbuch hat die Linkspartei in den letzten vier Jahren profitiert. Der AfD wird auch der Vorsitz des Haushaltsausschusses zustehen. Ein nicht unwichtiger Posten: Ein/e geschickte/r Vorsitzende/r kann Einfluss auf die Tagesordnung nehmen und sich als oberste/r Haushaltshüter/in profilieren.

Versäumnisse der Politik haben die AfD groß gemacht. Die Unfähigkeit der Jamaika-Parteien, sich zu einigen, und der traditionelle Hang der SPD, einzuknicken, werden sie noch größer machen. GUNNAR HINCK

***

NEIN

Ein kurzer Ausblick auf das Jahr 2020: Die Bundespräsidentin heißt Erika Steinbach, die ARD ist abgewickelt, die Tüte Milch kostet eine D-Mark. All das nur, weil die SPD Anfang 2018 in die Große Koalition ging und damit die AfD zur größten Oppositionspartei machte. Klingt etwas steil? Ist es auch.

Der Titel des Oppositionsführers brächte den 92 AfD-Abgeordneten keinen praktischen Nutzen. Ihre Fraktion bekäme den Vorsitz des Haushaltsausschusses? Herzlichen Glückwunsch. Aber wer weiß schon, welche Abgeordnete der Linkspartei das Gremium in den letzten vier Jahren leitete? Und welche haushaltspolitischen Pläne der Großen Koalition konnte sie verhindern? Natürlich keine. Auch im Haushaltsausschuss entscheidet die Mehrheit, nicht die Vorsitzende.

Etwas mehr Prominenz bringt die Sache mit dem Rederecht: Bei Regierungserklärungen darf die stärkste Oppositionspartei direkt auf die Kanzlerin antworten. Aber wer das für entscheidend hält, hat ein veraltetes Bild von Öffentlichkeit: Nur eine Handvoll Nerds schaut sich Plenardebatten in voller Länge an. Für den Rest ist der „Tagesschau“-Bericht am Abend längst nicht mehr die einzige Quelle.

Die AfD erreicht ihre Anhänger über Facebook, die Reden ihrer Abgeordneten werden dort hunderttausendfach geklickt – unabhängig davon, ob sie im Bundestag als Erstes oder als Letztes drankamen. Abgesehen davon hat sich der Großteil der politischen Debatte längst in die TV-Talkshows verlagert. Um dorthin eingeladen zu werden, musste die AfD nicht mal im Bundestag sitzen.

Ein Vorteil wäre die Groko für die AfD also nicht. Eher ein Nachteil: Sie wäre in dieser Konstellation nicht die einzige Partei im Bundestag, die die Regierung von rechts kritisiert. Diese Rolle müsste sie sich dann mit der FDP teilen. TOBIAS SCHULZE

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
ist Redakteur im taz-Ressort Meinung.
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9 Kommentare

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  • Ähm existentiele Bedingung für eine Opposition egal welcher Art ist eine Mehrheitsregierung.Irgendwas war da doch oder hab ich wieder mal alles verpasst?

    Ich denke die Parteien und zwar alle sollten an einer Reform der Bundestags Geschäftsordnung arbeiten um die an die neue Parteienlandschaft anzupassen.Oder wird der Wähler angepasst? Alles eine Frage der Perspektive.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Vielleicht wäre es gut, die AfD nicht größer zu machen, als sie ist und sie nicht als "Oppositionsführer" hinzustellen. Als wären bei einer Groko, Linke, Grüne, FDP und AfD alle Teil derselben Opposition.

     

    In einer pluralistischen Demokratie gibt es nie nur eine Opposition, das macht Pluralismus doch aus.

    Von welcher wird denn hier gerade geredet? Von der außerparlamentarischen Opposition bestimmt nicht.

  • Die SPD würde tatsächlich in die Opposition gehen, nur um der AfD die Oppositionsführerschaft zu nehmen.

    Klingt blöd?

    In Bad.Würg. stellt die Opposition keinen Landtagsvizepräsidenten, weil die SPD lieber verzichtet hat, nur damit die AfD auch keinen bekommt.

    • @Werner S:

      Kindergarten also.

  • der merkel verschleiß bzw überdruß und dieser besonders in den tv medien,haben die afd hochgehypt!

    tv talkrunden buhlen stets um die besten einschaltquoten und damit um ihre existenzberechtigung.sie würden auch hitler/himmler &co einladen wenn es quote bringt.da war ihnen die afd gerade recht! wo bleibt da eigentlich die funktion der rundfunkräte die leider zu lobby runden verkümmert sind.dafür gez zahlen...never!

  • Versäumnisse der Politik haben die AfD groß gemacht.

     

    Endlich lese ich diese absolut richtige Feststellung auch einmal in der taz. Statt regelmäßig konkret die Ursachen des Erstarkens der AfD zu erörtern, hatte man sich viel zu lange mit deren bloßer Dämonisierung begnügt.

    • @Nikolai Nikitin:

      "Versäumnisse der Politik haben die AfD groß gemacht."

       

      Dem kann ich nur zustimmen.

       

      "Endlich lese ich diese absolut richtige Feststellung auch einmal in der taz. Statt regelmäßig konkret die Ursachen des Erstarkens der AfD zu erörtern, hatte man sich viel zu lange mit deren bloßer Dämonisierung begnügt."

       

      Zustimmung, nur leider machen viele einfach nur weiter anstatt mal wirklich Probleme zu lösen.

  • Es heißt immer die AfD sei eine Gefahr für die Demokratie. So wie ich das jetzt sehe ist diese übersteigerte Angst vor der AfD eine viel Größere Gefahr für die Demokratie als die AfD selber. Man sollte diese Partei auf keinen Fall (nochmal!!) damit belohnen die parlamentarischen Gepflogenheiten ihreswegen anzupassen.

     

    Die AfD ist eine Partei mit knapp 13% stimmen, von denen über die Hälfte sich selbst als Protestwähler verstehen. Für wie wenig überzeugend muss man die eigene Politik eigentlich halten wenn man vor 5% oder 6% der Bevölkerung derartig die Hose voll hat?

     

    Es ist genau der gleiche Mist wie mit Donald Trump. Eigentlich weiß man das weniger drüber berichten mehr wäre aber am Ende des Tages will doch jeder seinen Senf dazu geben und verschenkt damit Sendezeit oder Zeilen an diese Partei.

  • „Zu viele Privilegien für die AfD?“

     

    Was soll die zitierte Überschrift? Eine Bundestagspartei hat die in der Geschäftsordnung festgelegten „Privilegien“, ob einem das gefällt oder nicht!

     

    Das Problem liegt woanders:

    Als es nach der vergangenen Bundestagswahl den damaligen Oppositionsparteien gelang, Vorteile in der Geschäftsordnung für sich herauszuschinden (z. B. Redezeit), feierten sie das als „großartigen Erfolg“. Inzwischen ist wohl die Feierlaune vergangen.

     

    Der AfD, die nun auch im Bundestag ist, sogar als Oppositionsführer (wenn die SPD wieder in die GroKo geht), werden selbstverständlich die gleichen Rechte zustehen, und niemand kann sie daran hindern, diese zu nutzen. So kann es laufen, wenn man einen Erfolg feiert, ohne an die Folgen zu denken!