Privatisierung der Autobahn: Heute dagegen, morgen dafür

Im Bundestag warnen die Grünen vor der privaten Infrastrukturgesellschaft. Im Bundesrat stimmen sie aber dafür. Die Linke legt sich noch nicht fest.

Ein Stau auf einer Autobahn

Der privaten Infrastrukturgesellschaft steht nicht mehr viel im Weg Foto: dpa

BERLIN taz | Im Bundestag waren die Fronten am Donnerstag klar: Vor der Abstimmung über die Grundgesetzänderung, mit der die Autobahnen in eine privatrechtlich organisierte Infrastrukturgesellschaft überführt werden, verurteilten Grüne und Linke das Vorhaben noch einmal scharf. „Die Hintertüren für eine Privatisierung der Autobahnen stehen weiter offen“, sagte der Grünen-Abgeordnete Sven Kindler. Teure öffentlich-private Partnerschaften seien weiter möglich, sagte er – und forderte „ein klares Nein“ zu der geplanten Regelung.

Noch schärfer fiel die Kritik von Sahra Wagenknecht aus. Durch die geplante Regelung werde einer „großflächigen Privatisierung“ der Weg bereitet, warnte die Vorsitzende der Linken-Fraktion. Der SPD, die nach den jüngsten Änderungen am Gesetz Privatisierungen für ausgeschlossen erklärt hat, warf Wagenknecht vor, zu täuschen. „Hören Sie auf, die Leute zu belügen“, rief sie – und unterstellte einen Zusammenhang mit den hohen Parteispenden, die Union und SPD aus der Versicherungsbranche erhalten.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann wies das empört zurück und warf Wagenknecht eine sprachliche Nähe zur AfD vor. Inhaltlich verteidigte er den Beschluss. „Sie haben anscheinend gar nicht mitbekommen, dass wir das Gesetz verändert haben“, hielt er Wagenknecht vor. Selbst der Bundesrechnungshof, den die Linke bei der letzten Debatte noch als Kronzeuge gegen die Infrastrukturgesellschaft anführte, habe gegen das überarbeitete Gesetz keine Einwände, sagte Oppermann. Auch CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt verteidigte die Pläne.

Bei der Abstimmung erreichte die Grundgesetzänderung, mit der die Zuständigkeit für die Autobahnen auf die neue Gesellschaft übergeht, die notwendige Zweidrittelmehrheit deutlich. Während Linke und Grüne fast geschlossen dagegen stimmten, gab es aus Union und SPD nur einzelne Neinstimmen und Enthaltungen.

Knebel durch Paketabstimmung

Um beschlossen zu werden, braucht das Gesetz aber auch im Bundesrat noch eine Zweidrittelmehrheit. Anders als im Bundestag könnten Linke und Grüne diese im Bundesrat leicht verhindern, denn sie sind in 12 der 16 Bundesländer an der Regierung beteiligt. Und wenn sich die Koalitionspartner nicht einig sind, muss sich ein Bundesland enthalten, was bei einem zustimmungspflichtigen Gesetz wie ein Nein wirkt.

Doch diese Macht wollen die Ländervertreter der Grünen nicht nutzen. Baden-Württemberg, wo die Grünen mit Winfried Kretschmann den Ministerpräsidenten stellen, werde „für die Neuordnung“ stimmen, teilte die Staatskanzlei auf Anfrage mit. Das rot-grün regierte Hamburg kündigte ebenfalls eine Zustimmung an. Und auch im rot-grün regierten Niedersachsen, wo es auch in der SPD viele Kritiker der privaten Autobahn-Gesellschaft gibt, „führt diese Kritik voraussichtlich nicht dazu, dass Niedersachsen gegen das Gesetzespaket stimmen wird“, so der stellvertretende Regierungssprecher Michael Jürdens zur taz.

Sahra Wagenknecht, Die LinkeSahra Wagenknecht, Die Linke

„Hören Sie auf, die Leute zu belügen“

Denn entschieden wird über die Einrichtung der Autobahn-Gesellschaft, obwohl es keinen direkten sachlichen Zusammenhang gibt, im Paket mit der Neuregelung der Bund-Länder-Finanzen. Und auf die damit verbundenen Zahlungen des Bundes sind viele Länder dringend angewiesen.

Damit würde der Bund die Länder „erpressen“, kritisierte Sahra Wagenknecht. Ob das auch bei den Ländern mit Regierungsbeteiligung der Linken gelingt, war am Donnerstagnachmittag offen. In Berlin zeigte sich die Senatssprecherin „optimistisch“, dass das Land zustimmen werde. Thüringen, wo die Linke mit Bodo Ramelow den Ministerpräsidenten stellt, und Brandenburg konnten oder wollten sich noch nicht festlegen. Doch selbst ohne die Stimmen dieser Länder ist eine Mehrheit sicher.

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