Presseschau zu den Anschlägen in Spanien: „Einfach ein absoluter Irrsinn“
Nach den Attentaten warnen Zeitungen in Spanien vor dem Dschihadismus. Auch die katalanische Unabhängigkeitsbewegung wird kritisiert.
Kurze Zeit später fuhr ein PkW in eine Promenade in Cambrils, einem Küstenstädtchen etwas über 100 km südlich von Barcelona. Zuvor, wie zwischenzeitlich von der katalanischen Regionalpolizei bekannt gegeben wurde, ereignete sich eine Explosion in Alcanar, einem Ort, 200 km südlich von Barcelona entfernt.
Wie berichten die spanischen Medien über die Anschläge?
Die Tageszeitung El País schreibt in ihrem Editorial: „Der Terrorismus wählt bewusst seine Feinde aus und dieses mal hat er sich eine Stadt ausgesicht, die wie keine andere ein offenes, demokratisches, plurales Ambiente hat, den der Radikalismus zerstören will.“
Katalonien steht kurz vor einem Referendum über die Unabhängigkeit vom spanischen Nationalstaat, das am 1. Oktober stattfinden soll. El País verpasst nicht, diesen Termin im Zuge der Ereignisse zu kritisieren: „Der brutale Anschlag, der Barcelona wiederfahren ist, passiert in einer Zeit größter Verwirrungen in Katalonien. (…) Eine Attacke diesen Ausmaßes sollte ein Weckruf für die politischen Kräfte Kataloniens sein, für die Regierung, das Parlament oder auch die Unabhängigkeitsbewegung, die in den letzten Jahren hauptsächlich die sezessionistische Chimäre auf die politische Agenda gesetzt haben. (…) Es ist Zeit, dass unsere Regierenden, alle unsere Regierenden, im Sinne der Interessen der Bürger arbeiten. (…) Ein Attentat wie dieses braucht eine effektive und koordinierte Antwort durch den Nationalstaat.“
Die spanische Tageszeitung El Mundo kritisiert ebenfalls die katalanische Regionalregierung, setzt aber gleichfalls einen stärkeren internationalen Fokus. In ihrem Editorial stellt sie fest, der Dschihadismus sei ohne Zweifel die größte Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit weltweit. Gleichzeitig sei Barcelona nach Experteneinschätzung neben Ceuta, Madrid und Melilla eine derjenigen Städte mit den meisten Anhängern des radikalen Salafismus, nationalen und internationalen.
„Die katalanische Autoritäten sollten über ihre Politik nachdenken, die Wahlinteressen im Zusammenhang mit dem Unabhängigkeitsbestrebungen über die nationalen Sicherheitsinteressen stellen“, stellt der Kommentar fest. „Es muss mit aller Kraft verhindert werden, dass Spanien ein Rückzugsort für Dschihadisten wird.“
Die Tageszeitung La Vanguardia hingegen kommentiert in ihrem Editorial: „Katalonien war schon immer ein Ort des Friedens und des Willkommens und keiner sollte uns das wegnehmen. Zugleich muss mit der maximalen politischen, juristischen und polizeilichen Zusammenarbeit und Koordination aller Staaten gegen den Terrorismus vorgegangen werden und natürlich auch zusammen mit der spanischen Verwaltung und Polizei.“
Zugleich fragt sie nach lokalen Verantwortlichen und Sicherheitsbedingungen: „Das Risiko eines Fahrzeug-Attentats in Barcelona, nach dem Vorbild der Attentate anderer europäischer Städte, macht es schwer zu verstehen, wie die Ramblas, einer zentralen Touristenader der Stadt, nicht durch Poller und Betonblöcke geschützt sein kann, um solche Fahrzeuge erst gar nicht durchzulassen.“
Der Chefredakteur der Vanguardia, Marius Carol, resümiert die Attacke auf Barcelona: „Der Dschihadismus hat das Ziel, dass wir uns alle als mögliche Opfer fühlen und dass wir alle möglichen Dinge des Alltags als Waffen sehen. Aber das Einzige, was erreicht wurde, war, ein großer Aufschrei gegen jegliche Gewalt und die tiefgreifende Solidarität mit den Opfern. Das ist ein erster Sieg gegen den Terrorismus.“
Und die katalanische Zeitung El Periódico fasst zusammen: „Diese Gewalt ist nicht nur grausam und irrational, sondern absolut blind. Sie sagt, sie würde im Zeichen des Islam handeln, aber sie unterteilt nicht in Gläubigen und Ungläubigen unter ihren Opfern. Das Ganze ist einfach ein absoluter Irrsinn.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation