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Nach dem Terror von BarcelonaNicht alle Täter gefasst

Der spanische Innenminister spricht von „zerschlagener Terrorzelle“. Dabei ist der Attentäter von Barcelona wohl noch auf freiem Fuß.

Gedenken an die Opfer des Anschlags in Barcelona Foto: dpa

Barcelona taz | Kopfschütteln beim Morgencafé in Barcelona. „Das hört wohl gar nicht mehr auf“, sagt ein älterer Mann mit Schnauzbart und schwarzer Wollkappe. Im Fernseher über der Bar laufen die Nachrichten. Die Wohnung eines Imams in der katalanischen Stadt Ripoll wurde untersucht. Und: Der Attentäter, der am Donnerstag mit einem Transporter über die Ramblas gefahren und dabei 13 Menschen getötet hat, ist wohl doch noch auf freiem Fuß.

In der Nacht auf Samstag bestätigte die katalanische Polizei Mossos d'Esquadra, dass sie mittlerweile den 22-jährigen Marokkaner Younes Abouyaaqoub als Fahrer des Kleinbusses in Betracht zieht. Nach ihm und weiteren Verdächtigen wird derzeit gefahndet.

Den Freitag über hatte man lange geglaubt, der 17-jährige Moussa Oukabir, der den Wagen unter den Namen seines älteren Bruders ausgeliehen hatte, wäre der Hauptattentäter. Als die katalanische Polizei dann am frühen Abend mitteilte, Oukabir sei bei der Vereitelung eines weiteren Attentats in der Küstenstadt Cambrils erschossen worden, atmete die Stadt zunächst auf.

Fünf Personen hatten die Beamten dort in der Nacht vom Donnerstag auf Freitag erschossen, als diese in einem schwarzen Audi A3 der Polizeikontrolle entkommen wollten und dabei Passanten anfuhren. Einer der Attentäter konnte vor seinem Tod zunächst zu Fuß fliehen und erstach dabei eine Frau, das 14. Opfer der Attentate. Die fünf Terroristen trugen Sprengstoffgürtel, die sich später aber als Attrappen herausstellten.

Vorläufige Rückkehr zur Normalität

Auf der Rambla in Barcelona – knapp 24 Stunden später – verbreitet sich die Nachricht schnell: Der Fahrer ist in Cambris erschossen worden. Die Hauptattentäter sind alle ausgeschaltet, so dachte man. „Endlich ist es vorbei“, sagt eine junge Frau, die auf einer Holzbank neben dem Fonts de Canaletas sitzt. Der Brunnen liegt auf den ersten 50 Metern der Todesfahrt. Normalerweise feiern hier die Fußballfans von „Barca“ ihre Siege. Am Freitagnacht ist der Boden rund um den Brunnen mit hunderten Kerzen, Stofftieren, Süßigkeiten und bunten Zetteln ausgelegt.

Die Botschaften, die hier stehen, wollen Mut machen. Und Hass und Angst nehmen. „No tinc por“ – „Wir haben keine Angst“, verkündeten Anwohner und Touristen schon den ganzen Freitag über. Nachts dann öffneten die Restaurants auf der Rambla, zogen wieder Straßenmusiker auf und ab und hielten vor den Tischen ausländischer Touristen. Eine Stadt kehrt zur Normalität zurück.

Dabei gibt es noch viele offene Fragen: Wer den Transporter gelenkt hat, kann die Polizei auch am Samstag Vormittag nicht mit Sicherheit sagen. Auch der erschossene Oukabir ist als Täter noch nicht ausgeschlossen. Polizeichef Trapero sagte jedoch bereits am Freitag Abend, dass diese Annahme mittlerweile „weniger Gewicht“ habe.

Marokkanische Terrorzelle

Was die Ermittler aber bestätigen: dass vieles auf eine marokkanische Terrorzelle in Ripoll, rund 100 Kilometer nördlich von Barcelona, hinweist. Am Samstag morgen haben die spanischen Beamten die Wohnung eines Imams durchsucht und DNA-Proben genommen. Sie gehen davon aus, dass es seine Leiche ist, die die Polizei nach der Explosion am Mittwoch in einem Haus des Küstenortes Alcanar gefunden hat. Die Behörden vermuten, dass die Gruppe dort Sprengstoff für einen größeren Anschlag herstellen wollte. Die Explosion und der damit verbundene Verlust des Sprengstoffes, glaubt Polizeichef Trapero, hätte die Terroristen zu „rudimentären“ Methoden – nach dem Vorbild in Nizza, London und Berlin – veranlasst.

Ein Hinweis für diese Theorie ist, dass die Terrorzelle zwei weitere Kleinwagen gemietet hat, die die Polizei in Cambrils und in Vic – auf halbem Weg zwischen Ripoll und Barcelona – gefunden hat. Was die Gruppe mit den Mietwagen vorhatte, ist bislang aber unklar.

In Ripoll wurden bisher drei Verdächtige festgenommen, darunter am Freitag Sahal El Karib (34) und Mohamed Aallaa (27). Driss Oukabir, der Bruder des minderjährigen Moussa, wurde bereits am Donnerstag festgenommen. Der Ausweis des 28-Jährigen lenkte die Spur auf die Kleinstadt Ripoll. In dem Anschlagswagen, den der Attentäter mitten auf der Rambla stehen gelassen hat, fand die Polizei seinen Ausweis.

Trotz des noch flüchtigen Hauptverdächtigen sagte der spanische Innenminister Juan Ignacio Zoido am Mittag, dass die „Terrorzelle zerschlagen“ sei. Details wollte er mit Rücksichtnahme auf die laufenden Entwicklungen aber nicht nennen. „Am meisten sind wir darum besorgt, den Schutz der Spanier und unserer Besucher sicher zustellen“. Deshalb müssten die Sicherheitsbehörden in Ruhe ihre Arbeit machen können. Von konkreten Anschlagsplänen wissen die Geheimdienste allerdings nicht. Deshalb hat die spanische Regierung nach einer Beratung von Sicherheitskreisen im Innenministerium entschieden, die Warnstufe auf die maximale Stufe anzuheben.

Kurz darauf widersprach die katalanische Polizei der Darstellung des Innenministers: „Von unserer Seite können wir diese Information der Regierung weder dementieren noch bestätigen“, sagte Sprecher Albert Oliva: „Aber Mossos führt zusammen mit der Nationalpolizei und dem Zivilschutz die Ermittlunen. Wir werden darüber informieren, wenn wir die Zelle als zerschlagen erachten“.

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10 Kommentare

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  • Politiker wie Merkel+Ko verursachen Daueraktivitaeten+Untergang der EU

    1. Zuerst werden Kriege geschuert,Syrien,Lybien,Somalien,Niger,Mali,Afganistan,Irak. Raubtierkapitalismus in uebelster Form in Afrika mit EPAS,fuer ein ganzes Kontinent werden fast alle Wirtschaften ruiniert. Kosten Hunderte v Milliarden v Euros f EU-Steuerzahler

    2.Dann muessen Fluechtlinge auffangen werden weil Laender destabilisiert wurden.Viele Angriffe auf Fluechlinge.Vom Westen ausgebildeten Terroristen gefaehrden ganz Europa.Jaehrliche Asylantenkosten etwa 20 Milliarden von Euros fuer deutsche Steuerzahler+Terrorismusbekaempfung.

    3.Dann muessen jetzt Fluechtlinge v/d EU weggehalten werden,geschlossene EU Grenzen,KZ-Lager eingerichtet.Laender wie Tuerkei,Tunesien mit Milliarden gekauft.Viele Milliarden Kosten f deutsche Steuerzahler

    4.Schliesslich wird man auch die Ursachen v Fluechtlingen bekaempfen muessen,Kriege+ Raubtierkapitalismus in Afrika.Verwuestete KriegsLaender muessen aufgebaut werden verwuestete Wirtschaften in Afrika repariert.Terroristen bekaempfen.Viele Hundete v Milliarden v Euros f deutsche Steuerzahler

    5.Bei ersten Forderungen v USA Trump werden sofort 40 Milliarden v Euros f die Nato rausgerueckt.Rechnung f deutsche Steuerzahler

  • Wie abgedreht muss man sein, um diesen abartigen Terror gegen normale Menschen in unseren Städten zu rechtfertigen?

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Die Marokkaner scheinen die Lieblingsfeinde der europäischen Polizisten zu sein.

    Relativ leicht zu fangen und zu erschießen.

    Ich persönlich denke bei Geflüchteten an deren Fluchtursachen, bei Attentätern versuche ich die warscheinliche Ursache zu ergründen, warum sie das tun.

    Es gibt einen besonders unerträglichen amerikanischen Kinofilm (Good Kill - Tod aus der Luft - von Andrew Niccol), der den Alltag der amerikanischen Joystickkiller zeigt.

    Hier sieht man, wie tagtäglich in einer vollendeten Allianz von Europäern und Amerikanern in Afghanistan, Irak, Syrien, Libyen ... Kinder, Frauen, alte Leute und andere einfach einem amerikanischen Terroranschlag per Drohne zum Opfer fallen.

    Der kleine Unterschied zu den Marokkanern (z.B.) ist, daß die europäischen und amerikanischen Akteure nicht zur Rechenschaft gezogen, festgenommen oder erschossen werden.

    Man sollte nicht Marokkaner sein, sondern Amerikaner, dann passiert einem bei der gleichen Tat nichts.

    • @4932 (Profil gelöscht):

      Ihre Misanthropie scheint selektiv nach Hautfarbe ausgeprägt.

      • 4G
        4932 (Profil gelöscht)
        @kleyrar:

        Nein. Sondern ich lese in den Zeitungen, daß nach fast jedem Anschlag hierzulande erstmal ein Marokkaner erschossen wird.

        Marokko ist jedoch das derzeit gesellschaftlich stabilste Land in Nordafrika.

        Das erinnert mich an das Jahr 2001, wo ein Präsident der USA (W.B.) 19 Täter bei dem WTO-Attentat zählte, 15 davon aus Saudi-Arabien stammend, und er hat trotzdem der Einfachheit halber lieber Afghanistan angegriffen, denn dann musste er sich mit seinen Freunden in Saudi-Arabien nicht auseinandersetzen.

        Das ist der Kern meiner Meinungsäußerung.

    • 3G
      39167 (Profil gelöscht)
      @4932 (Profil gelöscht):

      Ihr Kommentar ist einfach nur menschenverachtend.

      Ich bin dafür, auch die Drohnensteuerer anzuklagen und zu verurteilen.

      Ich bin allerdings nicht dafür, wenn völlig unschuldige Menschen, für die Verbrechen mit ihrem Leben zahlen sollen.

      Dafür Verständnis zu zeigen, zeugt von einer sonderbaren Weltanschauung.

      • 4G
        4932 (Profil gelöscht)
        @39167 (Profil gelöscht):

        Ich habe eben kein Verständnis für terroristische Taten, von keiner Seite.

        Aber dazu muss auch mal gesagt werden (wie es in dem genannten Film besonders evident wird), daß die Amerikaner und ihre Verbündeten tagtäglich (!!!) per Drohne warscheinlich 30 - 50 unschuldige Menschen ermorden. Und das seit dem Jahr 2001 (!!!)

        Wenn Sie für sich diese Tatsache ausblenden wollen, dann ist es Ihr Problem. Meine Weltanschauung ist, wer immer Böses tut, soll und muss dafür bestraft werden, ohne Ausnahme.

        Und Sie haben recht: Die Drohnensteuerer und die Deutschen, die den dafür nötigen Ramstein-Relaispunkt stiften, werden merkwürdigerweise nicht bestraft.

        • @4932 (Profil gelöscht):

          Wer ist denn bitte ausführende Instanz Ihrer Bestrafungsphantasie? Höhere Mächte? Der Weltgeist? Die Fügung des Schicksals? Ein 1300 Jahre alter Wüstengott?

        • 3G
          39167 (Profil gelöscht)
          @4932 (Profil gelöscht):

          DIE Deutschen sollen bestraft werden?

          Was ist das für eine absurde Logik.

          Ich bin Deutsche, wähle keine dieser kriegstreiberischen Parteien, bin sogar aktiv gegen diese Verbrechen unterwegs, mit vielen anderen Deutschen und Nichtdeutschen.

          Ich bitte darum, dass ich (wir) nicht für Verbrechen bestraft werden, die wir nicht begangen haben.

          Waren Sie jemals in Ramstein? Wenn Sie es nicht wissen, dort gibt es oft lautstarke Demos gegen diese Kriegstreiberei.

          Wenn Sie das ausblenden wollen, bitte schön. Ich tue es nicht.

          Kommen Sie zur nächsten Demo. Sie sind eingeladen. Jede laute Stimme zählt.

          Das ist dann doch zuviel oder? Lieber relativiert man, in dem Fall Sie, diese terroristischen Tötungen an Unschuldigen.

          • 4G
            4932 (Profil gelöscht)
            @39167 (Profil gelöscht):

            Nach längerem Nachdenken bin ich zu der Überzeugung gelangt, daß Sie warscheinlich zweimal irrtümlich auf auf andere Beiträge geantwortet hatten. Kein Problem. Passiert mir auch. Alles Gute.