Presse in Corona-Zeiten: Krise der Anzeigenblätter
Weil sie von Werbung abhängig sind, trifft die Coronakrise kostenlose Anzeigenblätter besonders hart. Die geplante Presseförderung soll helfen.
Es gibt Partnerschaften, die auf den ersten Blick überraschen. Das gemeinnützige Recherchezentrum Correctiv beispielsweise glänzte in der Vergangenheit vor allem mit investigativen Mammutprojekten wie den Cum-Ex-Files oder Recherchen zum lokalen Mietmarkt. Auf der Webseite der Wochenzeitung Altmühlfranken, einem kostenlosen Anzeigenblatt aus Bayern, wird dagegen auch schon mal die Pressemitteilung eines Landtagsabgeordneten unverändert als redaktioneller Artikel veröffentlicht.
Unterschiedlichere Vorstellungen von journalistischer Arbeit könnte es also kaum geben. Und doch kooperieren die beiden Medienhäuser derzeit unter dem edlen Banner des gemeinsamen Kampfes gegen Fake News und Desinformation. Regelmäßig erscheinen in der Wochenzeitung nun Faktenchecks von Correctiv – genau wie in vielen anderen Titeln des Bundesverbands Deutscher Anzeigenblätter (BVDA). Aus Sicht des Verbands ist das nur konsequent: „Wir sind Teil der Presselandschaft und wichtig für den demokratischen Willensbildungsprozess“, sagt Geschäftsführer Sebastian Schaeffer.
Im Zuge einer aktuellen Debatte bekommt dieses Selbstverständnis nun neue Relevanz. Denn wenn es um die geplante Presseförderung geht, sind Anzeigenblätter immer mitgemeint. Zur Erinnerung: 220 Millionen Euro vom Staat sollen den Verlagen in den kommenden Jahren dabei helfen, ihr veraltetes Geschäftsmodell endlich fit für die digitale Welt zu machen. Genaueres zu den Fördervoraussetzungen weiß man noch nicht. Durchaus wahrscheinlich ist aber, dass eine Zahlung an bestimmte objektive Qualitätskriterien wie etwa den Anteil des redaktionellen Inhalts gekoppelt sein könnte.
Das demonstrative Selbstbewusstsein des BVDA mag da also erst einmal irritieren. Schließlich scheinen viele mit den kostenlosen Blättern vor allem biedere Werbewurfsendungen oder sogar analogen Spam, jedenfalls aber bestimmt keine journalistischen Qualitätsprodukte zu verbinden. Dieses Image kennt auch Schaeffer. Er beklagt allerdings, dass man die Branche zu sehr auf Negativbeispiele reduzieren würde. „Wir sind sehr unterschiedlich“, sagt der BVDA-Geschäftsführer über die etwa 1.200 Titel, die zusammen eine Auflage von fast 80 Millionen erreichen. Viele der Blätter würden mit Herzblut gemacht und seien vor Ort eine echte publizistische Konkurrenz für die Lokalzeitungen.
Weit ausgelegter Pressebegriff
Sowohl das deutsche Pressrecht als auch die Leser*innen sprechen jedenfalls für den BVDA. Immer wieder haben deutsche Gerichte den Pressebegriff sehr weit ausgelegt und dabei sowohl die kostenlosen Wochenzeitungen als auch die Anzeige als solche unter den Schutz der Pressefreiheit gestellt. Für die Leser*innen wiederum scheint der journalistische Qualitätsbegriff ebenfalls sehr viel facettenreicher zu sein, als es so manche Edelfeder in den Büros der renommierten Verlage aus Hamburg oder Berlin gerne hätte. Immer wieder werden die Anzeigenblätter in Umfragen als verlässliche, glaubwürdige und häufig genutzte Quelle für lokale Nachrichten bezeichnet.
Aus Sicht des BVDA stellen sich aber vorerst sowieso ganz andere Fragen. Ähnlich wie die Zeitungsverleger sind sie nämlich überhaupt nicht glücklich darüber, dass die ursprünglich geplante Zustellförderung nun offenbar dem Ziel der digitalen Transformation weichen muss. Doch anders als bei den Zeitungen, die auch journalistische Inhalte im Netz verkaufen können, ist ihr Geschäftsmodell eben zu hundert Prozent von Anzeigen abhängig.
„Wir leben davon, dass wir durch die Präsenz im Briefkasten eine große Werbewirkung erzeugen“, sagt Sebastian Schaeffer. Und das ließe sich im Netz schlicht nicht reproduzieren. „Die Digitalisierung ist bei uns deshalb vielleicht nicht der zwingende Weg der Innovation.“
Die Coronakrise hat jedoch gezeigt, dass die Verlage rasch gute Ideen brauchen. Durch die Abhängigkeit vom Werbemarkt mussten die Blätter laut Schaeffer mit bis zu 90 Prozent Umsatzrückgang klarkommen – etwa 15 Prozent der Titel seien gemessen an der Auflage ganz eingestellt worden. Während das für die Beschäftigten tragisch ist, darf die damit einhergehende Klage über sterbende Medienvielfalt allerdings mit Vorsicht genossen werden: Schon jetzt gehören rund 80 Prozent der Auflage über Tochterfirmen zu den großen Regionalzeitungsverlagen.
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