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Prekäre WohnverhältnisseWo das böse E-Wort kursiert

Im Sahlkamp in Hannover gibt es schon lange Probleme mit Vonovia-Wohnblöcken. Doch die Politik schaut weiter zu.

Schöner wohnen mit Vonovia im Sahlkamp Foto: Christian Wyrwa

W enn es so etwas wie den Preis „Sisyphos des Jahres“ gäbe, stünde er wahrscheinlich Wjahat Waraich (SPD) zu.

Gerade hat der Bezirksbürgermeister der Stadtteile Bothfeld-Vahrenheide es mal wieder mit einem Thema in die örtlichen Medien geschafft, mit dem er nun auch schon über ein Jahr hausieren geht: Die skandalöse Art und Weise, auf die Vonovia mitten im Sahlkamp einen riesigen Wohnblock vergammeln lässt – und keiner fühlt sich in der Lage, etwas dagegen zu unternehmen.

Deutschlands größter Immobilienkonzern geht nicht einmal ans Telefon, wenn der Ministerpräsident anruft, lästern böse Zungen. Die Desasterimmobilie liegt mitten in Stephan Weils Wahlkreis.

Seit wir das letzte Mal berichtet haben, ist es eher noch schlimmer geworden. Wochenlang habe im Winter das Wasser im Keller gestanden, der Schimmelgestank ist intensiver denn je, die Aufzüge funktionierten natürlich auch nicht, der Sperrmüll wird allenfalls durch Brandstiftung beseitigt, berichten Bewohner.

Immerhin hat man es geschafft, das kostbare Sanierungsprogramm mit dem der Stadtteil eigentlich hübsch gemacht werden soll (und teilweise auch wurde), noch einmal zu verlängern.

Bis 2029 gibt es noch öffentliche Zuschüsse. Es wird nur wahrscheinlich nichts nutzen, wenn der Eigentümer sich nicht rührt und ein Eigentümerwechsel nicht rasch genug in die Wege geleitet werden kann.

Dann schon lieber Bodycams

Das, auch darauf weist Waraich nimmermüde hin, hat Auswirkungen: einerseits wachsende Zustimmungsraten für die AfD und andererseits eine Krawallkultur, die sich nicht nur an Silvester zeigt.

Die Krawallkultur stand in der vergangenen Woche noch einmal auf der Tagesordnung des Rates: Man setzt auf Bodycams für Feuerwehrleute und Rettungskräfte.

Mir erschließt sich nicht so ganz, wie die wohl erfassen, aus welcher Ecke welche dunkle Gestalt nun den Böller oder die Rakete geworfen hat – aber vielleicht sind das ja technische Wunderwerke, von den ich nur wieder nichts verstehe.

Und vielleicht helfen sie am Ende wenigstens, ein paar pöbelnde und übergriffige Autofahrer, Gaffer und sonstige Zeitgenossen mit allzu kurzer Zündschnur dingfest zu machen – von denen Rettungskräfte ja auch jenseits des Jahreswechsels gerne mal angegangen werden.

An den schwer erträglichen und desolaten Wohnverhältnissen und der damit einher gehenden sozialen Verwahrlosung ändern die aber natürlich nichts. Der sonst eher gemäßigte SPD-Bezirksbürgermeister ist mittlerweile so verzweifelt, dass er sogar das böse Wort „Enteignung“ in den Mund nimmt. Aber den Stein kriegt man in diesem Land ja auch auf keinen Berg gerollt.

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Nadine Conti
Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020
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3 Kommentare

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  • Dank, Frau Conti für diesen Bericht.



    Was wurde aus der ersten Teilenteignung in Hamburg Mitte in 2016? Hatte Herr Droßmann Erfolg in dem Sinne, dass der Eigentümer zur Vernunft und andere Menschen zu Wohnraum gekommen sind? Gab es weitere solche Maßnahmen in Hamburg und anderswo? Und wie weit ist die Rechtsetzung und Rechtsprechung auf Grundlage der Artikel 14 und 15 des GG ?



    Ich bitte Sie und die taz, das näher zu beleuchten.

  • Die Politik hat die Kontrolle über den Wohnungsmarkt verloren. Beispiel. In einer ARD-TV-Doku zur Wohnungsnot wird auf eine Studie der Universität München verwiesen, wonach 20 Prozent aller Mieter in München klagen könnten, weil deren Miete über dem Mietspiegel liegt.



    Wohnungsbauministerin Geywitz veweist auf die Verantwortung des Staates auf diesen Missstand angesprochen lediglich darauf, dass der Staat keine Nanny sei und nicht in eine freie Vertragsbeziehung zwischen dem Besitzer einer Wohnung und dem jeweiligen Mieter eingreifen könne.



    Neoliberale SPD-Politik pur, die den neoliberalen Ansichten der FDP zum sozialen "Wohnungsmarkt" in nichts nachsteht. Die miserablen Zustände bei Venovia werden sich deshalb nicht verbessern.

    • @Lindenberg:

      Ich halte "Die Politik hat die Kontrolle abgegeben" für zutreffender.

      Es werden ja immer noch aus reinem Geiz kommunale Wohnungsbaugesellschaften privatisiert.