Präsidentschaftswahl in Frankreich: Der Präsident bleibt, die Wut auch
Emmanuel Macron gewinnt in der Stichwahl als Favorit der Großstädte. Doch durch das Land verläuft ein tiefer politischer Graben.
Noch am Abend erhielt Macron die Gratulationen mehrerer europäischer Staats- und Regierungschefs, die erleichtert sind, die Zusammenarbeit mit ihm fortsetzen zu können. Für sie ist das Wahlresultat ein positives Signal. Auf Twitter hat Kanzler Olaf Scholz Macron sogleich beglückwünscht: „Deine Wählerinnen und Wähler haben heute auch ein starkes Bekenntnis zu Europa gesendet.“
Am Wahlsieg von Emmanuel Macron ist nicht zu rütteln. Er ist mit 58,5 Prozent der Stimmen in der Stichwahl am Sonntag von den Stimmberechtigten für weitere fünf Jahre als Präsident bestätigt worden. Seine Konkurrentin vom Rassemblement national (RN), Marine Le Pen, kam auf 41,5 Prozent. Sie kann sich damit halbwegs trösten, dass sie bei ihrer dritten Kandidatur für die Präsidentschaft mit mehr als 13 Millionen Stimmen ein historisches Spitzenresultat für Frankreichs nationalistische Rechte erzielt hat. Marine Le Pen hat nicht die Absicht, der Politik den Rücken zu kehren. Wie die im ersten Wahlgang ausgeschiedenen Konkurrenten hat sie bereits die Parlamentswahlen im Juni im Auge.
Die französische Zeitung Libération spricht von einem glanzlosen „Sieg ohne Ruhm“, der für Macron mehr eine „Verpflichtung für die kommenden Jahre“ sei.
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Macron gibt sich bescheiden
Bei seiner Siegesfeier auf dem Marsfeld zu Füßen des Eiffelturms gab sich Macron betont bescheiden. Der Unterschied zu 2017 war augenfällig. Vor fünf Jahren nämlich triumphierte er wie ein Monarch, der den Thron besteigen durfte. Er schritt damals ganz allein, wie von einer Filmregie inszeniert, auf seine Bühne vor der Pyramide des Louvre (des ehemaligen Königspalasts) zu. Bei seiner Wiederwahl nun kam er an der Seite seiner Gattin Brigitte begleitet von einer Gruppe von Kindern und Jugendlichen zu den Klängen der Europahymne, Beethovens „Ode an die Freude“ auf diesen Festplatz, auf dem die Partystimmung seiner Anhänger*innen zu den Rhythmen eines DJ nicht so recht aufkommen wollte.
Ab sofort sei er nicht mehr ein (parteiischer) Kandidat, sondern „der Präsident von allen“, sagte er in seiner kurzen Ansprache. Er ist sich im Klaren darüber, dass mehr als 16 Millionen Wahlberechtigte oft aus Überzeugung oder Unzufriedenheit über das Angebot in der Stichwahl entweder den Urnengang boykottiert oder einen leeren oder ungültigen Wahlzettel eingelegt haben. Er wolle diesem „Schweigen“ Rechnung tragen. Ebenso der ihm bewussten Tatsache, dass viele nicht eigentlich für ihn gestimmt hätten, sondern lediglich seine Konkurrentin verhindern wollten. „Antworten“ wolle er auch den 13 Millionen Landsleuten geben, die aus Wut für Le Pen votierten, versicherte Macron.
Er sieht in seiner Wiederwahl eine Bekräftigung seines „Projekts für ein mehr unabhängiges Frankreich und ein stärkeres Europa“, und er wolle „Fortschritte für jeden und jede sichern und die Kreativität und Innovation fördern, damit Frankreich eine große ökologische Nation werde“. Seine zweite Präsidentschaft werde darum nicht einfach eine Fortsetzung des ersten Mandats sein. Denn es gehe darum, „gemeinsam eine Methode zu erfinden, damit die kommenden fünf Jahre ‚besser‘ für das Land und vor allem für die Jugend werden“.
Der Graben zwischen Stadt und Land
Der Blick auf Frankreichs Landkarte mit den Wahlergebnissen zeigt, dass ein Graben existiert. In den Großstädten und urbanen Agglomerationen kam Macron auf mehr als zwei Drittel der Stimmen, gerade umgekehrt sieht es in ländlichen Regionen und vor allem im Norden und Osten des Landes aus, wo die RN-Kandidatin fast ebenso deutlich vorne liegt.
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Etwas überraschender ist auch, dass die Wählenden in den mehreren Überseegebieten, namentlichen in den Antillen und im Indischen Ozean, der rechtsextremen Kandidatin zum Teil mit mehr als 70 Prozent den Vorzug gegeben haben. In diesem Votum kommt eine Feindseligkeit gegenüber der Zentralmacht in Paris zum Ausdruck, aber vielleicht auch die Angst, in diesen weit entfernten Teilen eines ehemaligen Kolonialreichs im Stich gelassen zu werden. Offenbar spielte bei der Stimme für Marine Le Pen der vom Parteigründer Jean-Marie Le Pen geerbte Rassismus keine Rolle mehr.
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