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Präsidentschaftswahl in FrankreichDer Präsident bleibt, die Wut auch

Emmanuel Macron gewinnt in der Stichwahl als Favorit der Großstädte. Doch durch das Land verläuft ein tiefer politischer Graben.

Macron bei seiner Ansprache am Wahlabend vor dem Eiffelturm Foto: Christophe Ena/ap

Paris taz | Nach François Mitterrand und Jacques Chirac ist Emmanuel Macron erst der dritte Staatschef, der nach seinem ersten Mandat wiedergewählt wurde. Eine Mehrheit der Franzosen und Französinnen hat am Sonntag für die Kontinuität gestimmt. Die bedrohliche Lage in Europa, aber auch die Ungewissheit oder Angst, die das Programm seiner Gegnerin Marine Le Pen wecken musste, hat für viele den Ausschlag gegeben.

Noch am Abend erhielt Macron die Gratulationen mehrerer europäischer Staats- und Regierungschefs, die erleichtert sind, die Zusammenarbeit mit ihm fortsetzen zu können. Für sie ist das Wahlresultat ein positives Signal. Auf Twitter hat Kanzler Olaf Scholz Macron sogleich beglückwünscht: „Deine Wählerinnen und Wähler haben heute auch ein starkes Bekenntnis zu Europa gesendet.“

Am Wahlsieg von Emmanuel Macron ist nicht zu rütteln. Er ist mit 58,5 Prozent der Stimmen in der Stichwahl am Sonntag von den Stimmberechtigten für weitere fünf Jahre als Präsident bestätigt worden. Seine Konkurrentin vom Rassemblement national (RN), Marine Le Pen, kam auf 41,5 Prozent. Sie kann sich damit halbwegs trösten, dass sie bei ihrer dritten Kandidatur für die Präsidentschaft mit mehr als 13 Millionen Stimmen ein historisches Spitzenresultat für Frankreichs nationalistische Rechte erzielt hat. Marine Le Pen hat nicht die Absicht, der Politik den Rücken zu kehren. Wie die im ersten Wahlgang ausgeschiedenen Konkurrenten hat sie bereits die Parlamentswahlen im Juni im Auge.

Die französische Zeitung Libération spricht von einem glanzlosen „Sieg ohne Ruhm“, der für Macron mehr eine „Verpflichtung für die kommenden Jahre“ sei.

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Macron gibt sich bescheiden

Bei seiner Siegesfeier auf dem Marsfeld zu Füßen des Eiffelturms gab sich Macron betont bescheiden. Der Unterschied zu 2017 war augenfällig. Vor fünf Jahren nämlich triumphierte er wie ein Monarch, der den Thron besteigen durfte. Er schritt damals ganz allein, wie von einer Filmregie inszeniert, auf seine Bühne vor der Pyramide des Louvre (des ehemaligen Königspalasts) zu. Bei seiner Wiederwahl nun kam er an der Seite seiner Gattin Brigitte begleitet von einer Gruppe von Kindern und Jugendlichen zu den Klängen der Europahymne, Beethovens „Ode an die Freude“ auf diesen Festplatz, auf dem die Partystimmung seiner An­hän­ge­r*in­nen zu den Rhythmen eines DJ nicht so recht aufkommen wollte.

Ab sofort sei er nicht mehr ein (parteiischer) Kandidat, sondern „der Präsident von allen“, sagte er in seiner kurzen Ansprache. Er ist sich im Klaren darüber, dass mehr als 16 Millionen Wahlberechtigte oft aus Überzeugung oder Unzufriedenheit über das Angebot in der Stichwahl entweder den Urnengang boykottiert oder einen leeren oder ungültigen Wahlzettel eingelegt haben. Er wolle diesem „Schweigen“ Rechnung tragen. Ebenso der ihm bewussten Tatsache, dass viele nicht eigentlich für ihn gestimmt hätten, sondern lediglich seine Konkurrentin verhindern wollten. „Antworten“ wolle er auch den 13 Millionen Landsleuten geben, die aus Wut für Le Pen votierten, versicherte Macron.

Er sieht in seiner Wiederwahl eine Bekräftigung seines „Projekts für ein mehr unabhängiges Frankreich und ein stärkeres Europa“, und er wolle „Fortschritte für jeden und jede sichern und die Kreativität und Innovation fördern, damit Frankreich eine große ökologische Nation werde“. Seine zweite Präsidentschaft werde darum nicht einfach eine Fortsetzung des ersten Mandats sein. Denn es gehe darum, „gemeinsam eine Methode zu erfinden, damit die kommenden fünf Jahre ‚besser‘ für das Land und vor allem für die Jugend werden“.

Der Graben zwischen Stadt und Land

Der Blick auf Frankreichs Landkarte mit den Wahlergebnissen zeigt, dass ein Graben existiert. In den Großstädten und urbanen Agglomerationen kam Macron auf mehr als zwei Drittel der Stimmen, gerade umgekehrt sieht es in ländlichen Regionen und vor allem im Norden und Osten des Landes aus, wo die RN-Kandidatin fast ebenso deutlich vorne liegt.

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Etwas überraschender ist auch, dass die Wählenden in den mehreren Überseegebieten, namentlichen in den Antillen und im Indischen Ozean, der rechtsextremen Kandidatin zum Teil mit mehr als 70 Prozent den Vorzug gegeben haben. In diesem Votum kommt eine Feindseligkeit gegenüber der Zentralmacht in Paris zum Ausdruck, aber vielleicht auch die Angst, in diesen weit entfernten Teilen eines ehemaligen Kolonialreichs im Stich gelassen zu werden. Offenbar spielte bei der Stimme für Marine Le Pen der vom Parteigründer Jean-Marie Le Pen geerbte Rassismus keine Rolle mehr.

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9 Kommentare

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  • Frankreich ist so gespalten wie lange nicht mehr. Es ist schon eine toxische Mischung, die sich zusammengebraut hat. Dass es so gespalten und voller Wut und Aggression ist, hat durchaus was mit Macron und seiner Bewegung zu tun. Fragt sich, ob Macron gelernt hat oder ob es so weiter geht. garniert mit ein paar sozialen Projekten oder Ideen. Das wäre deutlich zu wenig. Eigentlich geht es in Frankreich richtung harter Konflikte, auch gewaltttätiger Art. Dieses Mal sind es aber nciht perspektivlose Menschen aus den Vororten, den Trabantenstädten, sondern der Riss verläuft überall, durch alle Schichten und Milieus. Nur die Reichen sind mit Macron zufrieden gewesen. Alle anderen sind mehr oder weniger unzufrieden. Die Skala reicht von kritisieren bis zu Krawall. Und vielleicht auch weiter.

  • Macron sagt, er habe verstanden und versuche jetzt für alle Franzosen da zu sein. Ob das reicht?

    Ich habe eher den Eindruck, das hat nur begrenzt mit ihm zu tun, jeder Präsident hätte ein Problem und Macron kann da auch nur begrenzt viel machen.

    Das tiefere Problem ist, dass Frankreich (wie viele Gesellschaften) in Gruppen zerfällt, die sich wenig grün sind, verschiedene Sichtweisen haben, man lehnt sich eher gegenseitig ab (zum Teil abgründig), es fehlt oft selbst eine gemeinsame Sprache und Begriffswelt. Der Präsident wird das trotz seiner Machtfülle nur wenig ändern können.

  • Hätten nur 8.5 Prozent anders abgestimmt, hätte Mme Le Trumputine ihr Zerstörungswerk beginnen können.



    Und ohne frische Erinnerung an die Nulopkraten Trump und BoJo wären es wohl noch knapper geworden (Der Durchschnittsfranzose verbittet sich jeglichen Vergleich mit östlichen Ländern wie Österreich, Polen, Ungarn oder gar Russland, deswegen sind die dortigen Populisten entscheidungsirrelevant)



    Ja wir alle haben noch mal Glück gehabt, aber wenn die F-Linke weiterhin sich Gockelkämpfen hingibt statt zukunftsfähige Konzepte zu vermitteln, sehe ich nicht nur schwarz, sondern blaun.

  • 9G
    93851 (Profil gelöscht)

    Antillen und im Indischer Ozean, weit weg, Wut raushauen, aber keine Ahnung, was hier in Europa los ist, oder? Mögen die dort ihren eigenen Bolsonaro vor die Nase gesetzt kriegen...

    • @93851 (Profil gelöscht):

      gibt es in Ihren Augen Wähler erster und zweiter Klasse?



      die durchklingende Geringschätzung der außereuropäischen franz. Gebiete einmal außen vorgelassen....

  • Ich frage mich immer wieso die Elitenverachtung auf der AfD, Trump, Le Pen und Co aktuell ihre Wahlergebnisse generieren partout nicht verstanden wird. Auch in diesem Artikel wird ja wieder die Frage aufgeworfen warum nur diese Hinterwäldler in der Provinz scheinbar gegen ihre eigenen Interessen gewählt haben. Solange die Linke nicht versteht warum sie der eigentlichen eigenen Kernklientel inhaltlich nichts mehr anzubieten hat als Verachtung werden diese Parteien weiter relativ einfach Erfolge feiern.

    • @Šarru-kīnu:

      das ist genau der Punkt!

    • @Šarru-kīnu:

      So sehe ich das auch! Didier Eribon lesen!

  • Lieber so, als LePen alias Trump oder Brexit mit BoJo.