Präsident Steinmeier auf Polen-Besuch: Künftig an einem Strang ziehen

Angesichts des russischen Krieges gegen die Ukraine sei Einheit wichtiger denn je. Da sind sich die Präsidenten Deutschlands und Polens einig.

Zwei Männer vor der deutschen und polnischen Flagge stehen hinter Pulten

Die Präsidenten Steinmeier und Duda bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Warschau Foto: Czarek Sokoloswki/ap

WARSCHAU taz | Russlands Krieg gegen die Ukraine war am Dienstag Hauptthema des Gesprächs zwischen den Präsidenten Polens und Deutschland, Andrzej Duda und Frank-Walter Steinmeier, in Polens Hauptstadt Warschau. Duda fragte nach dem über zweistündigen Treffen mit sehr ernster Miene „Was können wir tun, um der Ukraine zu helfen und den Krieg so schnell wie möglich zu beenden?“

Vielleicht hatte er militärische Hilfe im Sinn, Kampfflugzeuge und Schützenpanzer, die die Ukraine zu ihrer Verteidigung erbeten hatte. Anders als Deutschland hat Polen noch Modelle aus Sowjetzeiten im Bestand, die sofort einsatzfähig wären und von ukrainischen Soldaten auch ohne langwierige Schulung genutzt werden könnten. Doch weder Duda noch Steinmeier verloren auch nur ein Wort darüber, ob sie über Waffenhilfe für die Ukraine gesprochen hatten und ob Steinmeier im Namen der Regierung womöglich eine Kompensation angeboten hatte.

Stattdessen dankte Duda zunächst den beiden Ehefrauen Agata Kornhauser-Duda und Elke Büdenbender, die es in den vergangenen Wochen geschafft hatten, für schwer kranke und behinderte Kinder aus der Ukraine die bestmögliche Unterbringung und Behandlung zu organisieren. Ambulanzen, Flugzeuge und medizinisches Personal beider Länder waren weitgehend unbürokratisch im Einsatz – dank der guten Zusammenarbeit der beiden First Ladies.

Doch Polen wäre den Deutschen auch sehr dankbar, wenn diese sich in der EU für einen Flüchtlingsfonds für Polen stark machen könnten. Polens Premier Mateusz Morawiecki hatte zuvor Polen mit dem Nicht-EU-Mitglied Türkei verglichen, das für die Unterbringung und Versorgung von Millionen Flüchtlingen mehrere Milliarden Euro aus der EU-Kasse erhalten hatte. Morawiecki meint, dass Polen ein ähnlich hoher Betrag zustehe.

Mehr als 2,6 Millionen Schutzsuchende

Tatsächlich haben seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar mehr als 2,6 Millionen Schutzsuchende die Grenze zu Polen überschritten. Rund 600.000 von ihnen haben bereits die sogenannte Pesel-Nummer erhalten, die den Bezug eines einmaligen Willkommensgeldes in Höhe von 65 Euro und von Kindergeld in Höhe von monatlich 107 Euro ermöglicht.

Außerdem können sich die Geflüchteten mit der Peselnummer krankenversichern und legal eine Arbeit aufnehmen. Da viele in Polen Angekommene nach ein paar Tagen Erholung in andere europäische Länder oder auch in die USA, nach Kanada und Australien, weiter gereist sind, ist schwer zu sagen, wie viele ukrainische Geflüchtete derzeit in Polen sind.

„Wir sind solidarisch mit der Ukraine“, sagte Steinmeier im Anschluss an Duda. „Wir – Polen und Deutsche – fühlen nicht nur, wem wir uns entgegenstellen müssen, sondern auch, auf wessen Seite wir stehen, für wen und wofür.“ Er danke den Polen und Polinnen für ihr großes Engagement für die Geflüchteten. Auch die Deutschen würden solidarisch helfen.

Der Krieg direkt vor der Haustür von EU und Nato zeige aber auch die Kraft der Einheit: „Es ist Wladimir Putin nicht gelungen, uns zu entzweien“, so Steinmeier. Solidarität bedeute auch, dass alle neue Lasten übernehmen müssten. Noch wisse man nicht, wie der Krieg ausgehen werde. „Doch es ist klar, dass es mit Russland kein Zurück mehr zum Zustand vor dem Krieg mehr geben wird.“

Infrastruktur fast fertig

Von den Journalisten auf schärfere Energiesanktionen angesprochen, sagte Duda, dass Polen schon bald aus dem Kohleimport aussteigen werde. Da Warschau schon 2014 damit begonnen habe, seine Energieimporte zu diversifizieren, sei die dazu notwendige Infrastruktur fast fertig: der Flüssiggashafen in Swinemünde (Swinoujskie), neue Gasleitungen und Interkonnektoren zu Nachbarländern. Ende des Jahren wolle Polen von russischen Öl- und Gasimporten unabhängig sein.

Steinmeier versicherte, dass auch Deutschland alles daran setze, so schnell wie möglich seine Energieabhängigkeit von Russland zu beenden. Allerdings könne dies etwas länger dauern als in Polen, da die chemische Industrie in Deutschland ohne Öl- und Gaszufuhr zusammenbrechen würde. Dafür müsse erst Ersatz gefunden werden. Es könne ja auch nicht sein, dass die Sanktionen den Deutschen mehr schadeten als den Russen. Aber der Energieimport aus Russland verringere sich Tag um Tag.

Duda forderte dennoch weitere Sanktionen. Es gebe ja auch welche, die den Westen nicht viel kosteten, aber für Russland einen schmerzlichen Prestigeverlust bedeuteten. „Man könnte Russland in internationalen Organisationen die Stimme entziehen, auch zu internationalen Sportveranstaltungen muss man nicht unbedingt Russen einladen.“

Auf die Frage, ob die bisher harsche Kritik polnischer Politiker an der eher russlandfreundlichen Haltung der deutschen Regierung eine Rolle im Gespräch der beiden Präsidenten gespielt habe, antwortete Duda: „Wir Polen haben mit den Russen andere historische Erfahrungen gemacht als die Deutschen. So sind deutsche und polnische Entscheidungen oft unterschiedlich ausgefallen. Aber heute – angesichts des barbarischen russischen Krieges gegen die Ukraine – müssen wir an einem Strang ziehen.“ Steinmeier nickte: „Wir sind solidarisch mit der Ukraine.“

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