piwik no script img

Portugal zeigt Solidarität in CoronakriseExpresslegalisierung

Portugal macht's vor. Alle dort lebenden Ausländer bekommen bis mindestens 1. Juli volle Aufenthaltsrechte – inklusive Krankenversicherung.

Portugals Präsident Rebelo de Sousa bei einer Videokonferenz vor Ausrufung des Ausnahmezustands Foto: Miguel Figueiredo Lopes/afp

MADRID taz | Wer in Portugal vor dem 18. März, als dort der Ausnahmezustand im Kampf gegen das Coronavirus ausgerufen wurde, eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt hat, bekommt diese jetzt automatisch erteilt. Mit dem Antrag in der Hand werden die Betroffenen bis mindestens zum 1. Juli diesen Jahres die vollen Rechte genießen. Sie werden in die Sozial- und Krankenversicherung aufgenommen, können arbeiten, Arbeitslosengeld beantragen und ein Bankkonto eröffnen.

Das gilt auch für Flüchtlinge, die Asyl beantragt haben. Und wer ein Visum hatte, das nach dem 25. Februar verfallen ist, darf bis zum 30. Juni im Land bleiben. Dieses Maßnahmenpaket gab Innenminister Eduardo Cabrita im Namen der sozialistischen Regierung von Ministerpräsident Antonio Costa am Samstag bekannt.

Die Behörden, die Anträge bearbeiten, sind weitgehend geschlossen. Diese Maßnahmen seien deshalb „Pflicht für eine solidarische Regierung in Zeiten der Krise“, erklärte Cabrita.

Letzte Woche hatten 20 Immigrantenverbände und Hilfsorganisationen in einem Brief von der Regierung eine Lösung für Menschen mit laufendem Aufenthaltsgenehmigungsverfahren verlangt. Wie viele von der Expresslegalisierung profitieren, wurde nicht bekannt.

Lissabon reagierte schnell auf die Coronapandemie

In Portugal mit seinen etwas mehr als 10 Millionen Einwohnern leben rund 580.000 Immigranten. Mehr als ein Viertel davon stammt aus der ehemaligen Kolonie Brasilien, gefolgt von Rumänen, Ukrainern, Briten und Chinesen.

Portugal zählt 5.170 bestätigte Sars-CoV-2-Fälle. 100 Personen verstarben bisher am Coronavirus. 61 sind schwer erkrankt, 43 wurden als geheilt entlassen. Die Regierung reagierte sehr schnell. Nach erst zwei Toten wurde am 18. März der Ausnahmezustand verhängt. Als diese Entscheidung im benachbarten Spanien am 14. März gefällt wurde, waren dort bereits 136 Tote zu beklagen.

Und als in Italien am 9. März eine weitgehende Ausgangssperre in Kraft trat, waren dort schon 463 Menschen an Covid-19 gestorben. Viele Portugiesen waren bereits nach Verhängung einer Ausgangssperre in Spanien freiwillig zu Hause geblieben.

In der Eurokrise wurde im Gesundheitssystem gespart

Ob Portugal langfristig seine bisher flache Infektionskurve beibehalten kann, wird sich zeigen müssen. Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa gibt sich optimistisch. In einem Pressegespräch nach einem nationalen Gesundheitsgipfel, an dem Parteivertreter und Epidemiologen teilnahmen, erklärte er am Samstag, die Infektionen könnten schon Mitte April ihren Höhepunkt erreichen. „Das bedeutet, dass der Druck auf das Gesundheitssystem niedriger ausfällt“, erklärt Rebelo de Sousa.

Die Legalisierung sei Pflicht für eine solidarische Regierung

Innenminister Eduardo Cabrita

Ähnlich wie im benachbarten Spanien, dessen Krankenhäuser an ihre Belastungsgrenzern stoßen, wurde auch in Portugals Gesundheitssystem während der Eurokrise drastisch gespart. Beide Länder geben nur etwas mehr als 6 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für die Gesundheitsversorgung aus. In Deutschland sind es über 7 Prozent.

Der Pro-Kopf-Vergleich fällt noch deutlicher aus. Während Portugal 2018 gerade einmal 2.861 Euro pro Kopf für das Gesundheitssystem ausgab, waren es in Spanien 3.323 Euro und in Deutschland mit 5.986 Euro mehr als doppelt so viel.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Portugal macht alles richtig, der Kapitalismus macht alles falsch. Einwanderer zu diskriminieren, den Armen ohne Krankenkasse, medizinische Betreuung zu verweigern, wird als Bumerang zurückschlagen . Man muss erst mal so dumm wie Trump und der Super Faschist Baldomoro sein! In den Armenvierteln (brasilianische Favelas) wird sich der Virus rasant vermehren.

  • "Der Pro-Kopf-Vergleich fällt noch deutlicher aus. Während Portugal 2018 gerade einmal 2.861 Euro pro Kopf für das Gesundheitssystem ausgab, waren es in Spanien 3.323 Euro und in Deutschland mit 5.986 Euro mehr als doppelt so viel." - Was für einen tollen Vergleich! Habt Ihr schon mal nachgedacht dass ein Arzt in Deutschland mehr verdient als in Portugal? Habt Ihr nachgedacht dass das Mindestlohn pro Stunde in Portugal 3,83 Euro beträgt und in Deutschland 9,35 Euro? Wenn wir es so vergleichen, dann sind die 2.861 Euro pro Kopf ähnlich wie 5.986 Euro in Deutschland!

  • Das sind Sozialisten!



    Nicht diese SchauspielerInnen, die wir hier in der BRD haben, und welche nur an die Unternehmen denken.

  • Ich bin begeistert! Das ist ja sagenhaft. Danke Portugal.



    Ja, Eurobonds sind notwendig und gerecht.

  • ausländer*innen oder arme von der krankenversicherung auszuschliessen ist nicht nur unmenschlich es ist auch selbstschädigend ,denn viren und bakterien fragen weder nach dem pass noch nach dem geldbeutel.



    wenn teilen der bevölkerung ärztliche hilfe verweigert wird gefährdet das die ganze bevölkerung.



    wie sehr-das wird man mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit schon in naher zukunft am beispiel der usa beobachten können,denn dort hat man die kapitalistische hartherzigkeit weiter getrieben als in vielen anderen ländern .viele millionen menschen haben dort keine krankenversicherung

  • Das sollte Deutschland auf jeden Fall auch machen!

  • Und hier?

    Eurobonds, JETZT!

    • @tomás zerolo:

      Ähnliches gibt es schon längst hier!

      • @Gerhard Krause:

        Ja, heisst Ankerzentrum, gell?

        • @tomás zerolo:

          Nö, nennt sich Allgemeinverfügung, sogar im wohl rechten Osten, die kreisfreie Stadt Leipzig als Ausländerbehörde gemäß P. 71 Absatz 1 Satz 1 AufenthG wäre ein Beispiel. .. Sind Sie heute auf dem Ideologentrip "Fragezeichen"

    • @tomás zerolo:

      Ähnliches gibt es schon längst hier!

      • @Gerhard Krause:

        www.gesetze-im-int...thg_2004/__71.html

        Und wo soll da "Ähnliches" zu finden sein?

        • @Hampelstielz:

          Bundesrecht, wie hier das Aufenthaltsgesetz (AufenthG), fällt wie Stoffwechselendprodukte von oben nach unten, s. P. 71 Absatz 1 Satz 1 AufenthG.

          Ich wüsste jetzt auch nicht, wo ich auf der von Ihnen herangezogenen Internetseite die diesbezüglichen Rechtssetzungssätze der Gemeinden Leipzig und Dresden finden sollte ;-). Damit wäre auch ich völlig überfordert ;-).

          • @Gerhard Krause:

            Die Freundlichkeit einer Verlinkung wäre für einen so erhabenen Herren zuviel der Ehre gewesen. Ich verstehe.

            • @Hampelstielz:

              ;-)