piwik no script img

PortraitAus dem Dorf zur UNO

Die Jesidin Nadia Murad, UNO-Botschafterin Foto: dpa

Bis zum 2. August 2014 war die Welt von Nadia Murad Basee Taha noch in Ordnung. Die heute 21jährige Frau lebte mit ihrer Familie in dem Dorf Kocho im Nordosten des Irak. Sie hatte gerade die 11. Klasse abgeschlossen, wollte Geschichtslehrerin werden oder als Visagistin in einem Kosmetiksalon arbeiten. Seit vergangenen Freitag ist sie UN-Sonderbotschafterin für die Würde der Opfer für Menschenhandel.

Es war der Völkermord des „Islamischen Staates“ (IS) an den Jesiden, der am 3. August 2014 begann und Murads bisherigem beschaulichem Leben ein abruptes Ende setzte. Murad wurde als Sexsklavin in die IS-Hochburg Mossul verschleppt, Opfer von Gruppenvergewaltigungen und mehrfach weiterverkauft.

„Ich wurde auf die Art und Weise benutzt, wie sie es wollten,“ sagt Murad heute. „Wir dürfen das nicht geschehen lassen.“ 18 ihrer Angehörige hat sie verloren, darunter ihre Mutter, sechs Brüder und deren Frauen, ihre Neffen und Nichten.

Schließlich gelang ihr die Flucht. Zunächst lebte sie ein Jahr lang in einem Flüchtlingslager im Irak; dann kam sie im Rahmen eines Hilfsprogramms für Sexsklavinnen nach Deutschland. Und nun agiert sie auf internationalem Parkett – um die Welt für das Schicksal der Jesiden zu mobilisieren.

Murad fordert die Freilassung von schätzungsweise 3.200 jesidischen Frauen und Mädchen, die weiter als Sexsklavinnen vom IS festgehalten werden, und verlangt, die Täter vor Gericht zu stellen. Ihre große Angst sei es, dass die IS-Kämpfer, wenn die Miliz einmal besiegt sei, „einfach ihre Bärte abrasieren und durch die Straßen der Städte gehen, als sei nichts gewesen“, sagte Murad.

Etwa 3.200 Jesidinnen werden weiter als Sexsklavinnen vom IS festgehalten

Als Sonderbotschafterin der UNO wird Murad auf das Leid der Opfer von Menschenhandel aufmerksam machen, vor allem auf das Schicksal von Flüchtlingen, Frauen und Mädchen. Allerdings möchte Murad die UNO nicht als ihr einziges Standbein sehen: „Wir können uns nicht nur auf die Aktionen der UNO und der Führer der Welt verlassen. Individuen können auch ihren Teil zu dem Kampf beitragen. Wenn wir alle unseren kleinen Teil übernehmen, in jeder Ecke der Welt, können wir, wie ich glaube, Genozid und massenhaft verübte Grausamkeiten gegenüber Frauen und Mädchen beenden“, schreibt Murad auf ihrer Homepage (www.nadia.murad.org). “Die Welt ist eine Gemeinschaft und wir müssen als solche handeln.“ Beate Seel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen