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Polizeikosten für HochrisikospieleLand Bremen darf den Fußball zur Kasse bitten

Das Bundesverfassungsgericht billigte den Bremer Vorstoß bei Polizeikosten für Hochrisikospiele. Nun könnten andere Bundesländer folgen.

Polizeikräfte vor dem Bremer Weserstadion Foto: Christian Charisius/dpa

Karlsruhe taz | Ein Bremer Gesetz, das der Deutschen Fußball-Liga (DFL) polizeiliche Mehrkosten von Hochrisikospielen auferlegt, ist grundgesetzkonform. Das entschied das Bundesverfassungsgericht. Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) hatte die Idee entwickelt. Seit 2015 können in Bremen die Zusatzkosten für gewinnorientierte Großveranstaltungen (über 5.000 Teilnehmer), die erfahrungsgemäß zu Gewalttätigkeiten führen, dem Veranstalter in Rechnung gestellt werden. Für ein Spiel von Werder Bremen gegen den Hamburger SV im April 2015 verlangte das Land von der DFL 425.000 Euro.

Doch die klagte gegen den Bescheid. Sie hielt das Gesetz für verfassungswidrig. Öffentliche Sicherheit müsse durch Steuergelder finanziert werden, nicht durch Gebühren. Die DFL sei auch nicht für Fan-Ausschreitungen verantwortlich, vielmehr seien die Vereine selbst die Leidtragenden. Außerhalb des Stadions sei eindeutig die Polizei zuständig und nicht der Verein.

Die DFL klagte gegen den ersten Gebührenbescheid, den sie 2015 erhielt. Sie erlitt in den oberen Instanzen aber nur Niederlagen, zuletzt 2021 beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Nun verlor sie in vollem Umfang auch beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Gerichtspräsident Stephan Harbarth stellte fest, dass das Bremer Gebühren- und Beitragsgesetz nicht gegen das Grundgesetz verstößt.

Zwar stelle die Gebührenpflicht für Hochrisikospiele einen Eingriff „von einigem Gewicht“ in die Berufsausübungsfreiheit der DFL dar. Die Gebührenpflicht verfolge jedoch das legitime Ziel, den Staatshaushalt zu schonen, indem die Kosten von besonders aufwändigen Polizeieinsätzen auf diejenigen abgewälzt werden, die auch den Gewinn aus der Veranstaltung ziehen.

Gebühr gerechtfertigt

Es gebe im Grundgesetz schon keinen Grundsatz, dass der Staat seine Kernaufgaben stets kostenfrei erledigen müsse, so Harbarth. So werde zum Beispiel die Justiz durch Gerichtsgebühren mitfinanziert. Für die Polizei könne nichts anderes gelten.

Entscheidend sei, dass die Gebühr durch eine individuell zurechenbare Leistung der Polizei gerechtfertigt werde, so die Richter:innen. Dies sei bei den Hochrisikospielen eindeutig der Fall. Die Polizei sorge dafür, dass die Leute „unversehrt“ zum Stadion kommen und wieder zurück. „Durch die Polizeikräfte wird die Großveranstaltung in Gänze ermöglicht und das Risiko reduziert, dass ihre Durchführung in chaotische Zustände verfällt“, erläuterte der federführende Richter Heinrich Amadeus Wolff.

Unzulässig, wenn „erdrosselnd“ wirken

Wolff wies auch das zentrale Argument der DFL zurück, dass die Polizei nur von „Störern“ Gebühren verlangen dürfe. Auch wer sich rechtmäßig verhält und dadurch Polizeieinsätze „auslöst“, könne grundsätzlich an den Kosten beteiligt werden, so Richter Wolff. Es komme auch nicht darauf an, ob die DFL die Polizeieinsätze beantragt oder bestellt hat. Unzulässig wären solche Gebühren nur, wenn sie abschreckend oder gar „erdrosselnd“ wirken würden, so Wolff. Davon könne bei den Bremer Polizeigebühren aber nicht die Rede sein. Es gebe keine Anzeichen, dass die Durchführung der Bundesliga oder von Hochrisikospielen „nicht mehr möglich wäre oder auch nur verändert werden müsste“.

Ulrich Mäurer, der immer noch Bremer Innensenator ist, rechnet damit, dass nun andere Länder dem Bremer Beispiel folgen. In Hamburg und Rheinland-Pfalz gab es schon vor dem Urteil entsprechende Absichtserklärungen. Große Länder wie Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen waren bisher jedoch dagegen.

Mäurer schlägt vor, dass die Länder einen Polizeikostenfonds einrichten, in den alle Vereine einzahlen, und daraus dann die Polizeikosten der konkret betroffenen Vereine bezahlt werden; so will er Wettbewerbsverzerrungen vermeiden. Die DFL wollte nach dem Urteil „noch nicht über Folgen spekulieren.“

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6 Kommentare

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  • Und da sage doch bitte niemand, dass es nicht auch gute Meldungen gibt!!

  • Die DFL kann aus den Milliarden TV-Geldern, die sie den Vereinen ausschüttet ein Fonds gründen und ein Verteilungsschlüssel bilden. Die Polizeigebühren müssen dabei stets transparent und kalkulierbar sein. Nicht alles lässt sich umlegen. Wo ist das Problem? Die Vereine, wie Hansa Rostock oder Dynamo Dresden etc, die stets für Hochrisikospiele sorgen, müssen dann ihre "Fans" in Regress nehmen. Ein Recht auf Hooliganismus und Gefährdung von unbeteiligten existiert nicht. Private Sicherheitskräfte will auch niemand finanzieren und wünscht man sich ehrlicherweise bei den Auswüchsen noch weniger.

  • Richtige Entscheidung. Warum das dauersubventionierte Berlin auf die Einnahmen verzichten will, erschließt sich mir nicht.

  • es geht nur um Hochrisikospiele! Und da sind auch die Vereine in der Pflicht und nicht zuletzt die Fans. Dann müssen halt in solchen Spielen die Tickets teurer werden.

    • @Peter Hansen:

      Hmmm... Die Vereine können nur im Stadion für Sicherheit sorgen. Schon wenige Meter entfernt ist öffentlicher Raum und da gilt das Gewaltmonopol des Staates. Und die Randale findet meistens an Bahnhöfen oder in den Städten statt, eher selten im Stadion.



      Was mich stört und da wird man die Urteilsgründe genau lesen müssen, ist, dass hier eine eigentlich klassisch öffentliche Leistung monetarisiert wird. In Zeiten klammer öffentlicher Kassen und Erfindungsreichtum von politischer Seite könnte man das Urteil auch auf Weihnachtsmärkte, Stadtfeste etc. anwenden. Gerade nach Magdeburg werden zukünftig solche Veranstaltungen ebenfalls als "hochrisiko" eingestuft werden... Was, wenn sich regional die politischen Verhältnisse ändern? Muss dann auch die Synagoge für ihren Schutz bezahlen oder Demonstranten? Man mag einwerfen, diese Gruppen handelten nicht gewinnorientiert, aber genau dies ist jeder Gebühr eigentlich wesensfremd. Beim TÜV zahlt der Kleinwagen genauso viel, wie der SUV! Und wenn die Demonstranten von ihrem Grundrecht gebrauch machen, so gilt dies auch für die DFL (die ja nicht Störer ist).



      Es bleiben noch viele Fragen offen.

      • @Cerberus:

        Zitat Cerberus: "Muss dann auch die Synagoge für ihren Schutz bezahlen oder Demonstranten?"



        Nach dem Urteil nicht. Dieses Urteil bezieht sich ausdrücklich auf Veranstaltungen mit mehr als 5.000 Teilnehmer, die auf Gewinnerzielung angelegt sind. Demonstrationen sind es nicht und Synagogen sind keine Veranstaltung. Außerdem sind nur die Spiele von dieser "Gebühr" (besser: Aufwandsentschädigung) betroffen, von denen eine höhere Gewaltbereitschaft als normal zu erwarten ist. In dieser Spielzeit hat Bremen noch kein einziges Hochrisikospiel gehabt und wird es wohl auch nicht mehr bekommen.



        Es ist schon erstaunlich, dass die Bundesländer, die zu den Hochrisikospielen Polizisten nach Bremen entsendet hatten, diesen Einsatz Bremen in Rechnung gestellt haben. Bremens Klage um das Geld vom Verursacher wiederzuholen, wollten diese Bundesländer aber nicht unterstützen.