Polizeikampagne gegen Kinderporno-Teilen: Für die Opfer ein schlechter Scherz
Schleswig-Holsteins Polizei versucht, die Verbreitung von Kinderpornos durch Schüler*innen einzudämmen. Doch ihre Kampagne ist halbgar und zahnlos.
E in Jugendlicher ist auf dem Bild zu sehen, erst hält er ein Handy in der Hand, eine Animation später dann ein Buch. Auf rotem Hintergrund erscheint in weißer Schrift:„Das Zockverbot haut rein!“ Der nächste Text wird eingeblendet: „Mats (12 Jahre) hat in seinem Klassen-Chat kinderpornografisches Material verbreitet“.
Das ist also die Kampagne der Polizei Schleswig-Holstein gegen die Verbreitung von kinderpornografischem Material durch Kinder und Jugendliche. Sie soll in sozialen Medien und in Apps laufen, also genau da, wo sich die Zielgruppe aufhält und vielleicht auch genau da, wo manche von ihnen Kinderpornos teilen. Hinzu kommen Plakate, die sich in der Ansprache auch an die Eltern richten sollen.
Erst mal klingt das nach einer guten Idee und eine Kampagne zu dem Thema ist leider dringend notwendig: In Schleswig-Holstein ist die Zahl der jugendlichen Tatverdächtigen innerhalb von zehn Jahren von 9 auf 214 geradezu explodiert.
Aber was will uns diese Kampagne sagen: „Passt auf Kids, wenn ihr Kinderpornos verbreitet, nimmt euch die Mama für eine Woche die Playstation weg“? Die Opfer von Kinderpornografie leiden ihr ganzes Leben. Sie werden erst bei der „Produktion“ misshandelt und dann jedes Mal erneut missbraucht, wenn ihre Peinigung verbreitet wird. Ihnen dürfte diese Kampagne wie ein schlechter Scherz vorkommen. Den meisten sollte die Geschichte von Amanda Todd noch geläufig sein. Das junge Mädchen aus Kanada wurde jahrelang mit Aufnahmen ihres entblößten Oberkörpers gepeinigt. Die Aufnahmen entstanden, als sie zwölf Jahre alt war. Ihrem Leben setzte sie mit 15 ein Ende.
Das sind die wirklichen Konsequenzen von Kinderpornografie. Das muss den jugendlichen Täter*innen und denjenigen, die Kinderpornos im Klassen-Chat dulden, bewusst werden. Ihre Handlungen haben reale und oft drastische Folgen. Sie können dafür verantwortlich sein, dass sich ein*e Mitschüler*in das Leben nimmt, oder zumindest zutiefst psychisch belastet ist. Und sie selbst können schnell von der Täter*innenrolle in die Opferrolle rutschen.
Dass man in jungen Jahren noch kein Gespür für die Tragweite seiner Handlungen hat, ist klar. Deswegen sollten offensivere Botschaften und drastischere Beispiele gewählt werden. Diese halbgare Kampagne aber wird es schwer haben, etwas zu bewirken. Sie ist zu zahnlos, zu sehr auf jugendlich gemacht, zeigt dabei aber mal wieder, dass man bei der Polizei kein Gespür für junge Menschen hat. Nur weil Ausdrucksweisen wie „Zockverbot“ oder „Das haut echt rein“ verwendet werden, heißt das noch lange nicht, dass man die Sprache der Jugend spricht.
Im schlimmsten Fall wird die Kampagne zu Gelächter auf den Schulhöfen führen. Wahrscheinlicher ist aber, dass sie bald schon vergessen ist und die Zahl der jugendlichen Täter weiter ansteigt. Alles in allem also eine vertane Chance.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil