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Polizeigewalt bei Demo in MoskauEU kritisiert Festnahmen

Am Samstag demonstierten mehr als 3.000 Menschen gegen den Ausschluss von Oppositionskandidaten in Moskau. Die Polizei schlug den Protest gewaltvoll nieder.

Abgeriegelt: Die Polizist*innen wollten die Demonstirerenden nicht ins Zentrum der Stadt lassen Foto: ap

Moskau/Brüssel ap/afp/taz | Die russische Polizei hat bei Protesten gegen den Ausschluss von Oppositionskandidaten von der Moskauer Kommunalwahl mehr als 1.000 Personen festgenommen. Außerdem stürmte sie am Samstag Fernsehstudios, die von den Protesten berichteten.

Die Demonstration begann in der Nähe des Bürgermeisteramts. Die Polizei sprach von etwa 3.500 Teilnehmern. Polizeikräfte gingen mit Schlagstöcken gegen die Proteste vor. Eine junge Frau wurde am Kopf getroffen und blutete stark. Die Demonstrant*innen riefen Parolen wie „Russland wird frei sein“ und „Wen schlagt ihr?“ Die Polizei drängte sie in Seitenstraßen ab. Später verlagerte sich die Demonstration auf einen rund einen Kilometer vom Bürgermeisteramt entfernten Platz, wo es erneut zu Auseinandersetzungen gab.

Die staatlichen Nachrichtenagenturen Tass und Ria-Novosti meldeten unter Berufung auf die Polizei, im Laufe der mehr als siebenstündigen Proteste seien 1.074 Personen festgenommen worden.

Behelmte Polizisten stürmten das Video-Studio des Oppositionsaktivisten Alexej Navalny, das auf Youtube über die Proteste berichtete und nahm Programmleiter Wladimir Milonow fest. Außerdem durchsuchten Beamte den Internet-Fernsehkanal Doschd und lud Chefredakteurin Alexandra Perepelowa zu Befragung vor. Auch Doschd hatte über die Demonstration berichtet.

„Fundamentale Rechte schützen“

Vor Demonstrationsbeginn wurden in ganz Moskau mehrere Oppositionelle festgenommen, die für den Stadtrat kandidieren wollten. Unter ihnen waren Ilja Jaschin, Dmitri Gudkow und Iwan Schdanow, ein wichtiger Verbündeter Nawalnys. Dieser war am Mittwoch zu 30 Tagen Gefängnis verurteilt worden, weil er die unangemeldete Demonstration organisiert haben soll.

Die Behörden haben mehrere Oppositionelle nicht als Kandidaten zur Stadtratswahl am 8. September zugelassen, weil diese nicht genügend gültige Unterschriften von Unterstützern gesammelt haben sollen.

Die Europäische Union hat die Festnahme der Demonstrant*innen verurteilt. Die Festnahmen und der „unverhältnismäßige Einsatz von Gewalt gegen friedliche Demonstranten“ liefen den Rechten auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit zuwider, erklärte EU-Sprecherin Maja Kocijančič am späten Samstagabend in Brüssel. Diese „fundamentalen Rechte“ seien in der russischen Verfassung verankert. „Wir erwarten, dass sie geschützt werden.“

Zugleich forderte die EU mit Blick auf die im September anstehenden Kommunalwahlen in Russland „Chancengleichheit“. Kocijančič teilte mit, dass Russland sich an die Vorgaben der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und andere internationale Verpflichtungen halten müsse.

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1 Kommentar

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  • „Jeder spreche von seiner eigenen Schand‘„

    Gegen Polizeiwillkür zu protestieren, wo immer sie walten möge, verdient jede Unterstützung. In diesem Falle verwundert allerdings der Absender dieses Protestes, die Europäische Union, zu deren Mitgliedern die Russische Föderation bekanntlich nicht zählt. Ganz im Gegensatz zu Frankreich, wo die „Compagnies républicaines de sécurité“ (CRS) regelmäßig manu militari gegen Demonstranten wie die „Gillets jaunes“ vorgehen und dabei auch gezielt Kriegswaffen einsetzen wie die sog. LBD-Geschosse, eine großkalibrige Waffe, oder Blendgranaten. Bislang sind unter den Demonstranten mehrere Todesopfer und über 2200 z. T. Schwerverletzte zu beklagen. Dutzende verloren ein Auge, wurden Hände abgerissen usw. Zu den Opfern gehören auch 62 als solche sichtbar gekennzeichnete Journalisten (Quellen u.a.: LCI, Le Canard enchaîné ).

    Gegen dieses barbarische Vorgehen der paramilitärischen französischen Sicherheitspolizei gab es heftige Proteste von Amnesty International, dem Europarat und sogar vom UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte, bizarrerweise nicht jedoch von der EU-Kommission, die ansonsten sogar gegen die Pensionierung von 65-jährigen Verfassungsrichtern einschreitet...

    „Jeder spreche von seiner eigenen Schand‘ (Bertolt Brecht)