Polizeieinsatz am Hamburger Hauptbahnhof: Eskalierter Corona-Konflikt
Bei einem Polizeieinsatz am Standort des früheren Lampedusa-Zeltes wird ein schwarzer Mann im Schwitzkasten gehalten und verhaftet.
![Polizisten fixieren einen Menschen auf dem Boden Polizisten fixieren einen Menschen auf dem Boden](https://taz.de/picture/4186201/14/Screenshot4-1.png)
Das Ergebnis des Einsatzes sind laut Abimbola Odugbesan, dem Sprecher der Gruppe Lampedusa in Hamburg, vier verhaftete Männer, von denen erst drei wieder frei seien. Odugbesan war Augenzeuge und wirft der Polizei vor: „Sie hat eskaliert.“
Laut Polizeisprecher Holger Vehren wurden drei Männer in Gewahrsam genommen und nach erkennungsdienstlicher Behandlung wieder entlassen. Es lägen mehrere Strafanzeigen vor, wegen Verdachts auf Widerstand und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte sowie versuchter Gefangenenbefreiung.
Klar ist: Der Konflikt wäre ohne die Corona-Auflagen so nicht eskaliert. Er ereignete sich auf einem Platz am Steindamm, etwa 20 Minuten bevor dort die Lampedusa-Gruppe für die Wiederaufstellung ihres Zeltes eine erlaubte Kundgebung abhielt. Das Zelt war im März wegen Corona geräumt worden. Die Gruppe ist 2013 nach dem Libyen-Krieg nach Hamburg gekommen und kämpft seither für ein kollektives Asyl.
Zu den US-Ereignissen will die Lampedusa-Gruppe am Samstag von 15 bis 17 Uhr auf dem Rathausmarkt protestieren.
Von 14 bis 16 Uhr heißt es auf dem Jungfernstieg „Nein zu Rassismus“.
Am Freitag plant „Lampedusa“ eine Kundgebung von 15 bis 17 Uhr vorm US-Konsulat.
Laut Odugbesan kamen zwei Polizisten zu dem Mann, der später am Boden lag, und forderten ihn auf, eine Maske zu tragen. Da habe dieser gefragt, warum die Polizisten selbst keine Maske trügen. Dann hätten die Polizisten den 24-Jährigen festnehmen wollen. „Then he tried to run away“, sagt Odugbesan.
Masken zu tragen, ist in der Öffentlichkeit keine Pflicht, kann aber bei Versammlungen zur Auflage werden. Polizeisprecher Vehren spricht von einem „Verstoß gegen die Eindämmungsverordnung“. Die Polizisten hätten den jungen Mann und weitere wegen zu geringer Abstände angesprochen, es aber bei einer Ermahnung belassen.
Dieser habe sich entfernt, aber kurz danach wieder mit zwei weiteren „zu eng zusammen“ gestanden. Weshalb man für die Verfolgung der „Ordnungswidrigkeit“ die Identität der drei habe feststellen müssen. Dem habe der Mann sich zu entziehen versucht und der Aufforderung zum Stehenbleiben durch einen Schubs widersetzt. Als er weg rannte, hätten sich andere Leute den Polizisten in den Weg gestellt.
Es sei gelungen, ihn zu ergreifen. Er habe sich gegen das Festhalten gesperrt, sei mit „einfacher körperlicher Gewalt“ zu Boden gebracht worden und hätte sich weiter gesperrt, sagt der Sprecher. Andere hätten versucht, den Mann zu befreien. Einer habe den fesselnden Beamten an den Hals gegriffen und versucht, diesen nach hinten zu ziehen. Auch den habe die Polizei festgenommen und Pfefferspray eingesetzt.
Der Sprecher der Lampedusa-Gruppe sagt, die Polizei habe die Situation zugespitzt. Sie hätten es bei einer Warnung belassen und sagen können: „Wir nehmen dich mit, wenn du wiederkommst.“ Auch sollte die Polizei sich selbst an die Regeln halten und Masken tragen, wenn sie das Einhalten der Regeln verlange. Die Gruppe hat aus Anlass der Ereignisse in den USA für Freitag und für Samstag Kundgebungen angemeldet.
Polizeisprecher Vehren bleibt auf Nachfrage dabei, dass die Beamten einschritten, weil er Mindestabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten wurde. Dass Polizisten bei Bürgerkontakten Schutzmasken tragen, sei zwar wünschenswert, aber nicht Pflicht. Die sei auch immer „im Lichte der Einsatzdynamik“ zu bewerten. So erkläre sich, dass im Video nicht alle Masken tragen.
Deniz Celik, Abgeordneter der Linken, will eine Anfrage zu dem Vorfall stellen. Die Vorgeschichte sei aus dem Video nicht ersichtlich, „aber schon dass ein schwarzer Mensch auf dem Boden liegt und von Polizisten in den Schwitzkasten genommen wird, ist ein fatales Bild“. Gerade nach der Tötung von George Floyd durch einen Polizisten in den USA müsste sich die Polizei hierzulande sensibilisiert zeigen. „Sie sollte alles tun, damit solche Bilder nicht entstehen“, sagt Celik. „Schon gar wegen eines so geringfügigen Anlasses wie Abstandhalten.“
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