Polizeieinsätze gegen Partys in Hamburg: Spot an, Knüppel frei
Gegen feiernde Jugendliche setzt der Hamburger Senat ganz auf Repression, erst in den Ausgehvierteln, nun im Stadtpark. Ein Angebot macht er nicht.
Deeskalation auf Hamburgisch: Lichtmast der Polizei im Hamburger Stadtpark am 18. Juni Foto: Jonas Walzberg/dpa
Es ist vollbracht: Hamburgs Senat hat ein neues Ritual geschaffen. Auch an diesem Wochenende trafen sich wieder tausende Jugendliche auf der großen Stadtparkwiese. Die Polizei beleuchtete die Szenerie mit Scheinwerfern, entdeckte gemeinsam tanzende Menschen, ermahnte sie, die Abstandregeln einzuhalten – und als das nicht fruchtete, räumte sie den Park mit Gewalt.
Wie jede Woche eskalierte die Lage, flogen Flaschen. Wieder meldete die Polizei Verletzte und es zählte niemand die verletzten Jugendlichen. Wieder hagelte es Anzeigen. Das ganze einmal am Freitag und einmal am Samstag, bei einer Corona-Inzidenz von 9,347. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich im Stadtpark überhaupt ein frisch infizierter und deshalb nicht diagnostizierter Mensch aufhält, dürfte weit unter 0,1 Prozent liegen.
Etabliert hat der Senat dieses Ritual, indem er die jungen Menschen von überall dort vertrieben hat, wo sie sich vorher trafen: Aus St. Pauli, dem Schanzenviertel, vom Altonaer Balkon, aus Ottensen, vom Winterhuder Kai. Ebenfalls mit Polizeigewalt, und, wie man dachte, noch viel raffinierter: Mit einem Alkoholverkaufsverbot ab 14 Uhr.
Die erste Lehre für die Politik ist, dass das wohl doch nicht so ein raffiniertes Instrument ist, zumindest nicht zum Schutz vor Coronainfektionen. Allenfalls zum Schutz der Anwohner:innen inzwischen aufgewerteter Viertel vor Lärm und Dreck. Die Jugendlichen kümmert es nämlich herzlich wenig, wenn es vor Ort nichts zu trinken gibt. Sie nehmen sich Vorräte mit. Es gehört nicht viel dazu, sich vorzustellen, dass das nicht kistenweise Bier sein wird, sondern eher harter Alkohol. Und dass das dem „Hochkochen“ der Stimmung förderlich ist.
Wird das Tanzen an der frischen Luft entkriminalisiert?
Wenn der Senat diese Woche darüber spricht, ob er das Tanzen an der frischen Luft entkriminalisiert, kann man nur hoffen, dass die Ergebnisse nicht auf sich warten lassen, bis die Ferien und der Sommer vorbei sind – oder bis die Delta-Variante das ganze Land, zumindest aber die ungeimpfte, junge Bevölkerung im Würgegriff hat.
Dann wäre für die Jugend ein weiterer Sommer verloren. Und Polizist:innen würden weiterhin in einem sinnlosen Konflikt verheizt, den sie nicht gewinnen können. Aber vielleicht zieht die Stadt auch einfach wie bei „Planten un Blomen“ einen soliden Stahlzaun rund um den Stadtpark.
Polizeieinsätze gegen Partys in Hamburg: Spot an, Knüppel frei
Gegen feiernde Jugendliche setzt der Hamburger Senat ganz auf Repression, erst in den Ausgehvierteln, nun im Stadtpark. Ein Angebot macht er nicht.
Deeskalation auf Hamburgisch: Lichtmast der Polizei im Hamburger Stadtpark am 18. Juni Foto: Jonas Walzberg/dpa
Es ist vollbracht: Hamburgs Senat hat ein neues Ritual geschaffen. Auch an diesem Wochenende trafen sich wieder tausende Jugendliche auf der großen Stadtparkwiese. Die Polizei beleuchtete die Szenerie mit Scheinwerfern, entdeckte gemeinsam tanzende Menschen, ermahnte sie, die Abstandregeln einzuhalten – und als das nicht fruchtete, räumte sie den Park mit Gewalt.
Wie jede Woche eskalierte die Lage, flogen Flaschen. Wieder meldete die Polizei Verletzte und es zählte niemand die verletzten Jugendlichen. Wieder hagelte es Anzeigen. Das ganze einmal am Freitag und einmal am Samstag, bei einer Corona-Inzidenz von 9,347. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich im Stadtpark überhaupt ein frisch infizierter und deshalb nicht diagnostizierter Mensch aufhält, dürfte weit unter 0,1 Prozent liegen.
Etabliert hat der Senat dieses Ritual, indem er die jungen Menschen von überall dort vertrieben hat, wo sie sich vorher trafen: Aus St. Pauli, dem Schanzenviertel, vom Altonaer Balkon, aus Ottensen, vom Winterhuder Kai. Ebenfalls mit Polizeigewalt, und, wie man dachte, noch viel raffinierter: Mit einem Alkoholverkaufsverbot ab 14 Uhr.
Die erste Lehre für die Politik ist, dass das wohl doch nicht so ein raffiniertes Instrument ist, zumindest nicht zum Schutz vor Coronainfektionen. Allenfalls zum Schutz der Anwohner:innen inzwischen aufgewerteter Viertel vor Lärm und Dreck. Die Jugendlichen kümmert es nämlich herzlich wenig, wenn es vor Ort nichts zu trinken gibt. Sie nehmen sich Vorräte mit. Es gehört nicht viel dazu, sich vorzustellen, dass das nicht kistenweise Bier sein wird, sondern eher harter Alkohol. Und dass das dem „Hochkochen“ der Stimmung förderlich ist.
Wird das Tanzen an der frischen Luft entkriminalisiert?
Wenn der Senat diese Woche darüber spricht, ob er das Tanzen an der frischen Luft entkriminalisiert, kann man nur hoffen, dass die Ergebnisse nicht auf sich warten lassen, bis die Ferien und der Sommer vorbei sind – oder bis die Delta-Variante das ganze Land, zumindest aber die ungeimpfte, junge Bevölkerung im Würgegriff hat.
Dann wäre für die Jugend ein weiterer Sommer verloren. Und Polizist:innen würden weiterhin in einem sinnlosen Konflikt verheizt, den sie nicht gewinnen können. Aber vielleicht zieht die Stadt auch einfach wie bei „Planten un Blomen“ einen soliden Stahlzaun rund um den Stadtpark.
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Kommentar von
Jan Kahlcke
Redaktionsleiter
Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück
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