piwik no script img

Polizei verliert Maschinenpistole„Das wird Konsequenzen haben“

In Niedersachsen sucht die Polizei eine MP5-Maschinenpistole samt Munition. Es ist die vierte Sicherheitspanne in kurzer Zeit.

Wie sucht man eine MP5? Die taz nord möchte helfen und hat diesen Zettel entworfen und ausgehängt Foto: Jean-Philipp Baeck/Aushang: taz nord

Hamburg taz | Die Polizeiinspektion Celle hat eine Maschinenpistole vom Typ MP5 des Herstellers Heckler & Koch mit zwei Magazinen samt Einsatzmunition verloren. Das berichtete der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) am Donnerstag im Innenausschuss. Das Fehlen der Waffe war Ende März aufgefallen. Die zuständige Polizeidirektion wurde allerdings erst im Mai informiert. Anlass für die Sondersitzung des Innenausschusses war eigentlich die Unterrichtung über Regeln für den Umgang mit sensiblen Akten im Landeskriminalamt (LKA). Denn erst vor kurzem wurde bekannt, dass im LKA ein vertrauliches Dokument vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) seit einem Jahr verschwunden ist.

Dass eine MP5 im Bestand fehlt, wurde laut Landespolizeipräsident Axel Brockmann nur durch eine anlasslose Stichprobe bemerkt. Der letzte Verweis auf den Verbleib der Waffe sei im November 2018 zu finden, als sie ausgeliehen und auch wieder zurückgegeben wurde. „Es gibt Defizite bei der Beachtung von Regeln und bei der Kontrolle“, sagte Brockmann.

„Der Vorfall ist nicht zu akzeptieren“, erklärte Pistorius. Der Verbleib müsse ständig registriert werden, Abhandenkommen müsste sofort gemeldet werden. Allerdings wurde die zuständige Polizeidirektion Lüneburg erst nach internen Untersuchungen informiert. Daraufhin wurden laut Brockmann sämtliche Waffenbestände der Polizeidirektionen durchsucht. Die Maschinenpistole konnte jedoch nicht gefunden werden. Die Überprüfung habe aber gezeigt, dass weitere Bestände vollständig seien, sagte Brockmann.

Anders als die persönliche Dienstwaffe ist eine MP5 keinem Beamten zugeordnet und wird als sogenannte Poolwaffe verwendet: Mehrere Polizisten nutzen die Waffe, die Beamten müssen den Erhalt und die Rückgabe quittieren. „Die Kon­trollfunktion hat hier versagt“, sagte der Polizeipräsident. Es seien Disziplinarverfahren eingeleitet worden, außerdem liefen strafrechtliche Ermittlungen. Der Vorfall werde Konsequenzen nach sich ziehen, sagte Brockmann.

Dass eine Maschinenpistole samt Munition im Bestand fehlt, wurde laut Landespolizeipräsident Axel Brockmann nur durch eine anlasslose Stichprobe bemerkt

Die oppositionellen Grünen und FDP nannte den Vorfall „erschreckend“. FDP-Fraktionschef Stefan Birkner kritisierte, dass der Innenausschuss über die vermisste MP5 erst jetzt informiert wurde. Auch Grünen-Fraktionsvorsitzende Anja Piel erklärte: „Wie und wann das Parlament informiert wird, können Groko, Innenministerium und Sicherheitsbehörden nicht willkürlich entscheiden.“ Als politischer Leiter der Behörde sei Pistorius in der Pflicht, die Sicherheitsprobleme öffentlich darzulegen.

Birkner sieht zudem systematische Mängel bei den Sicherheitsbehörden beim Umgang mit geheimen Daten. „Das ist ein Alarmsignal dafür, dass etwas in den Abläufen nicht in Ordnung ist“, sagte Birkner. „Die Pannenserie, die Minister Pistorius zu verantworten hat, ist mittlerweile deutlich zu lang.“

Denn die vermisste Maschinenpistole ist nicht die erste und nicht die einzige Panne im Landeskriminalamt: Einem LKA-Mitarbeiter wurde im August 2018 gegen Unterschrift ein als „VS-Vertraulich“ eingestuftes Dokument des Bundesamtes für Verfassungsschutz ausgehändigt – jedoch nie zurückgegeben. Dabei handele es sich um einen wöchentlichen Informationsbrief „BfV-aktuell“ mit der zweitniedrigsten von vier Geheimhaltungsstufen, sagte ein Sprecher des Innenministeriums.

Von einem Angler aus einem Teich gefischt

Bekannt wurde der Fall erst durch eine Anfrage der FDP an die Landesregierung. Die Liberalen erfragten, ob es im Innenministerium geheime Akten gibt, deren Verbleib unklar ist.

Zudem war wenige Wochen zuvor einem Beamten der Polizeibehörde eine Aktentasche mit sensiblen Dokumenten aus seinem Privatwagen gestohlen worden. Diese wurde wenig später von einem Angler aus einem Teich gefischt.

Vergangene Woche wurden auch Sicherheitslecks beim niedersächsischen Verfassungsschutz bekannt. 2017 wurden aus Privatautos zweier Mitarbeiter der Behörde Diensthandys gestohlen. Zudem verschwand eine vertrauliche Akte, die sich laut einem Sprecher aber mittlerweile wieder in den Händen des Verfassungsschutzes befindet. Gegen einen Beamten wurde ein Verweis ausgesprochen.

Ende 2018 wurde aufgrund organisatorischer Mängel beim niedersächsischen Verfassungsschutz ein V-Mann enttarnt. Als Antwort auf ein Auskunftsersuchen hatte der Geheimdienst versehentlich sensible Informationen offengelegt. Behördenchefin Maren Brandenburger gab daraufhin ihren Rücktritt bekannt.

Eine Verkettung von Sicherheitsmängeln im organisatorischen Ablauf sieht Pistorius dennoch nicht: „Wir haben es hier mit einer Reihe von Einzelfällen in verschiedenen Behörden zu tun, die geschehen sind, obwohl die Regelungen klar sind“, sagte er am Donnerstag.

Wie die geheime Informationsbroschüre verloren gehen konnte, sollen jetzt Fachleute aufarbeiten. Das Innenministerium lasse Kontrollmechanismen des LKAs durch erfahrene Beamte aus anderen Behörden überprüfen, sagte ein Sprecher des Ministeriums. Im LKA seien wegen der aktuellen Sicherheitspanne bereits Disziplinarverfahren gegen drei Personen eingeleitet worden. Eine dieser Personen wurde aus der Polizeibehörde in einen anderen Aufgabenbereich versetzt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Liebe Redaktion, logisch ist das nicht, was Ihr da schreibt. Zitat: „Denn die vermisste Maschinenpistole ist nicht die erste und nicht die einzige Panne im Landeskriminalamt:“

    Zu Beginn des Artikels aber schriebt Ihr, Zitat: „Die Polizeiinspektion Celle hat eine Maschinenpistole [...] verloren.“

    Ja wer denn nun? Die Polizeiinspektion Celle oder das Landeskriminalamt?

  • Wahrscheinlich ist die MP bei einem Reichsbürger oder Rechtsradikalen gelandet. Diesen sind ja einige Polizisten doch recht zugetan.

    • @Senza Parole:

      War auch meine erste Vermutung…

  • Hat Bild schon berichtet? Ich frage mich nicht wirklich, warum die Skandalbehörde Polizei nicht die gleiche Aufmerksamkeit erhält wie das Bamf...

  • Lange nichts mehr vom Kollegen Einzelfall gehört. Alles doch überhaupt kein Grund zur Beruhigung. Die Maschinenpistole ist ja schließlich nicht weg, die hat jetzt einfach nur ein anderer.



    Bedenke: „Es ist nie die Waffe, die tötet, sondern immer der, der sie abfeuert.“



    Wünsche allen ein schönes Wochenende!

    • @Rainer B.:

      jajaja... und wenn es keine Waffen gibt, kann auch keiner durch diese getötet werden.... was bitte willst du uns mit dem Spruch über die Waffe sagen ?

      • @Torsten Pauleit:

        Ich will damit sagen, dass es nie die Waffe ist, die tötet, sondern immer der, der sie abfeuert. Steht doch auch genau so da - oder?

  • Polizeibeamte sind auch nur Menschen und bei der Hitze dieses Jahr im Sommer, da kann man schon mal was vergessen. Im Jahr 2014, haben Kriminalbeamte in der S-Bahn beschlagnahmtes Kokain im Wert von ca. 1 Mio. Euro vergessen bzw. verloren. So stand das in der Münchner Abendzeitung.

  • Gibt es das Plakat auf dem Ohoto wirklich? Das kann doch nicht ernst gemeint sein..?

    • @Maschor:

      Steht doch drunter, hat die Taz nord selbst gemacht. Mit einer MP5k mit diversen Teilen, die in dieser Kombination auch in einer vollständig ausgestatteten Inspektionswaffenkammer nicht zu erwarten ist.

  • „Wir haben es hier mit einer Reihe von Einzelfällen in verschiedenen Behörden zu tun, die geschehen sind, obwohl die Regelungen klar sind“ Mit Einzelfällen kennen sich Verfassungsschutz und LKA ja gut aus wenn es um die Verniedlichung Rechtsterroristischer Morddrohungen und Morde in Serie geht ...