Polizei-Seminar an der Uni Hannover: Racial Profiling ausgespart
An der Leibniz Uni hält ein Soziologe und Polizist ein Seminar über Polizei. Asta und Fachrat kritisieren mangelnde wissenschaftliche Distanz.
„Zu unkritisch“ finden der Asta der Leibniz Universität Hannover (LUH) und der studentische Fachrat Sozialwissenschaften (SoWi) den neuen Dozenten dennoch. Die Polizei gerate fast täglich durch strukturellen Machtmissbrauch, Rassismus und Rechtsextremismus in den Blick der Öffentlichkeit. Regelmäßig komme es zu Todesfällen von durch Rassismus betroffenen Menschen in Gewahrsam oder bei Abschiebungen. Trotz entsprechender akademischer Qualifikation stehe eine aktive Tätigkeit für die Behörde einer kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Institution im Wege.
Besonders eine von Ackers jüngeren Publikationen kritisieren Asta und Fachrat. „Die deutsche Racial-Profiling-Debatte: Stigmatisierung der uniformierten Polizei?“, erschienen in Ausgabe 4/2020 der „unabhängigen interdisziplinären Zeitschrift“ Polizei & Wissenschaft. Das Magazin versteht sich als Angelpunkt zwischen Theorie und Praxis der Polizeiarbeit. Aufbauend auf Begriffsdefinitionen geht es in dem Text um die Frage, ob die Polizei in Deutschland rassistisch geprägtes Racial Profiling betreibe und welche Konsequenzen die öffentlich geführte Debatte haben könne.
Vor allem das Fazit des Textes, dass polizeiliche Arbeit nicht rassistisch geprägt sei, ist den Studierenden ein Dorn im Auge. Das sei „eine gewagte These für jemanden, der selbst Begriffe wie ‚Subsahara-Afrikaner‘ nutzt und 'vermeintliches Racial Profiling’ mit 'vermeintlicher uniform stigmatization’ auf eine Stufe stellt“, heißt es in einer Pressemitteilung von Asta und Fachrat SoWi.
Der Ring Christlich-Demokratischer Studierender (RCDS) wittert in den kritischen Äußerungen eine Diffamierung und springt Acker zur Seite. Der Präsident der LUH, Volker Epping, sieht in einem Interview mit der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung „Cancel Culture“ auf dem Vormarsch.
Auch der Institutsleiter Matthias Bös bekräftigt gegenüber der taz seine Unterstützung für den Dozenten und verweist darauf, dass Asta und Fachrat nicht alle Studierenden repräsentierten. Laut seiner Einschätzung als Soziologe, schreibt Bös, lägen hier Anzeichen von Diskriminierung vor. Gemeint sei die Unterstellung, dass eine Person, die in einer Organisation arbeite, dieser gegenüber niemals eine kritische Haltung einnehmen könne. „Tatsächlich bin ich der Meinung, dass dies möglich ist, und nach Sichtung der Unterlagen von Herrn Acker auch bei diesem eine kritische Haltung vorliegt.“ Der Seminarplan und die Publikationen Ackers seien selbstverständlich geprüft worden. Aus denen gehe hervor, so Bös, dass in diesem Seminar auch der Aspekt des institutionellen Rassismus bei der Polizei vorkommen werde.
Ein*e Seminarteilnehmer*in, die*der aus Angst vor Konsequenzen lieber anonym bleiben will, berichtet der taz, in der Einführungsvorlesung hätten sich Vorbehalte nun eher bestätigt. So soll Acker auf die Frage, warum Racial Profiling nun doch nicht mehr im Ablaufplan des Seminars auftauche, geantwortet haben, es gebe ein ganzes Seminar, in dem die Begriffe 'Rasse, Ethnie und Klasse’ aufbereitet würden. Aufgrund der Stoffmenge müsse dies in seinem Seminar ausfallen.
Das Thema Racial Profiling werde aber bei der Konstruktion einer Kontrollsituation angeschnitten. Auch soll der Dozent Redebereitschaft signalisiert haben, über die kritisierte Publikation – abseits des Seminars – zu diskutieren und räumte angeblich ein: „das war pro Polizei“. Kritisch empfinde Acker auch, dass das Thema Racial Profiling so emotionalisiert diskutiert werde, berichtet der*die Seminarteilnehmer*in. Auf eine Mail-Anfrage der taz antwortete Acker bis Redaktionsschluss nicht.
Der Fachrat will den Verlauf des Seminars kritisch im Blick behalten. Die Studierenden organisieren nun eine Vortragsreihe unter dem Titel: „Who protects us from you? Kritik an der Polizei und warum das nicht reicht“. Die Frage laute nicht: „Ist die Polizei rassistisch?“, sondern: „Wie können wir besser dagegen vorgehen?“, sagt Tim-Jonas Beisel, Kassenreferent des Asta. „Auf jeden Fall nicht, indem wir zulassen, dass sie es sich selbst in der Opferrolle und in unserer Universität bequem macht.“
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