Politisch aktiver Kurde aus Nürnberg: Und wieder droht die Abschiebung
Murat Akgül soll zum zweiten Mal in die Türkei abgeschoben werden. Sein Anwalt befürchtet, dass der Kurde dort inhaftiert wird.
Der Hintergrund: Murat Akgül setzt sich für die Rechte der Kurd*innen in der Türkei ein und hat in dem Zusammenhang mehrmals an Demonstrationen teilgenommen. Dabei habe er auch eine Fahne der Kurdenmiliz YPG getragen. Der Verfassungsschutz vermutet eine Funktionärstätigkeit für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK, Akgül bestreitet das. Keine Veranstaltung, an der er teilgenommen hat, sei verboten gewesen oder von einer verbotenen Organisation angemeldet worden, betont er.
Als er in die Türkei abgeschoben wurde, musste er die Grenzpolizei über die Gründe für seine Abschiebung anlügen, erzählt Akgül. Sonst wäre er wohl festgenommen worden. Er tauchte unter und floh mit der Hilfe von Schleppern zurück in Richtung Deutschland: vier Wochen über die Balkanroute, eine höllische Odyssee.
Der Vater von vier Kindern darf bis heute nicht wieder zu Hause einziehen. Zunächst lebte er in einem Ankerzentrum, heute in einer Gemeinschaftsunterkunft bei Augsburg. Dreimal wöchentlich muss er sich bei der Polizei melden. Sein Anwalt Yunus Ziyal teilt mit, dass die Klage eines Kollegen gegen die Ausweisung von Akgül nach wie vor beim Verwaltungsgericht Ansbach liegt.
In der Türkei droht Akgül die Festnahme
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hat den Asylantrag des zurückgekehrten Murat Akgül im November 2020 als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Dabei handelt es sich um eine verschärfte Ablehnung, durch die der Asylbewerber mit einer sofortigen Abschiebung rechnen muss.
Ziyal reichte sofort einen Eilantrag gegen die Entscheidung ein. Er halte sie für absurd: „Man muss davon ausgehen, dass Herr Akgül den Behörden in der Türkei spätestens jetzt bekannt ist und bei der Einreise sofort festgesetzt würde. Bei Verfahren gegen Kurdinnen und Kurden ist Folter nicht auszuschließen.“
Tatsächlich revidierte das Verwaltungsgericht Augsburg den Offensichtlichkeitsbescheid des Bamf, nicht aber die Ablehnung des Asylantrags an sich. Auf Anfrage teilt das Gericht mit, Akgül habe nicht glaubhaft machen können, dass ihm „mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine flüchtlingsrelevante Verfolgung droht“.
Das Gericht argumentiert, dass Akgül nicht „vorverfolgt“ geflohen sei. Die Polizei in Istanbul habe ihn zwar mehrere Stunden vernommen, im Endeffekt aber keine Klage gegen ihn erhoben. Außerdem gehe aus den in der Zwischenzeit über den Fall erschienenen Artikeln nicht hervor, dass Akgül Mitglied der PKK sei, er habe ja in der Tat nur an Demonstrationen teilgenommen.
An dieser Stelle wird es juristisch etwas „widersprüchlich“, sagt der Anwalt Yunus Ziyal. Während das Verwaltungsgericht Augsburg seinen Mandanten nicht für ausreichend involviert in die Strukturen der PKK halte, um in der Türkei tatsächlich Verfolgung befürchten zu müssen, rechnen die bayerischen Behörden ihn genau diesen Strukturen zu, um eine Ausweisung zu rechtfertigen.
Anwalt Yunus Ziyal
Auch nach drei Jahren in diesem Verfahren kann sich Yunus Ziyal die besondere Härte des Vorgehens gegen seinen Mandanten, der in der Zwischenzeit auch nicht mehr auffällig geworden sei und in Augsburg wieder als Gebäudereiniger arbeitet, nicht vollständig erklären: „Es ist ein Reflex gegen politisch aktive Kurdinnen und Kurden. Wenn die Verfolgungsbehörden aber Erkenntnisse hätten, die auf eine Bedrohung hinweisen, sollen sie ihn anklagen. Das passiert aber genau nicht. Menschen wie Herrn Akgül gibt es Hunderte in Deutschland. Es ist ein bisschen, als hätte man sich genau auf ihn eingeschossen und will den Fehler nun nicht korrigieren.“
Während Murat Akgül und sein Anwalt nun darauf warten, dass das Verwaltungsgericht Ansbach den Prozess um seine Ausweisung terminiert, läuft die Frist ab, in der er das Land erneut verlassen müsste. Yunus Ziyal überlegt unterdessen, welche migrationsrechtlichen Instrumente ihm im weiteren Verlauf überhaupt noch zur Verfügung stehen.
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