Politik für Atom- und Agrarlobby: Macrons miserable Ökobilanz
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron glaubt, die EU habe genug Umweltnormen erlassen. Dabei stockt nicht nur seine Energiewende.
![Radler vor einem Atomkraftwerk Radler vor einem Atomkraftwerk](https://taz.de/picture/6295891/14/31408296-1.jpeg)
Der Klimawandel aber macht keine Pause. Und die umweltpolitische Bilanz des Präsidenten, der 2017 mit der Devise „Make our planet great again“ angetreten war, ist alles andere als glorios. Darum sorgte diese Bemerkung des französischen Staatschefs in Frankreich für Proteste. Die linke Opposition im Parlament kritisiert diese Äußerung als „absolut verantwortungslos“, so die Abgeordnete der Grünen, Sandrine Rousseau. Und die Umweltorganisation „Les Amis de la Terre“ spricht von einem „Eingeständnis des Misserfolgs“ in der ersten Amtszeit von Macron und warnt: „Wenn von Umweltnormen die Rede ist, geht es um Richtlinien zum Schutz der Gesundheit der Europäer vor den Folgen des Klimawandels.“
Das französische Präsidentenamt möchte nach diesen Einwänden klarstellen, dass Ma-cron nicht etwa von einem Aufschub bei der Umsetzung der bereits beschlossenen europäischen Regeln gesprochen habe, sondern lediglich von neuen. Doch seine Stoßrichtung ist klar: Frankreich möchte vermehrt (ausländische) Investitionen für die Industrieproduktion anziehen, und der Präsident hält allzu viele Auflagen, Normen und Verbote für nachteilig im internationalen Wettbewerb. Lieber brüstet er sich – wie kürzlich bei einem Treffen mit dem Tesla-Gründer Elon Musk – damit, dass Frankreich in Europa in Sachen Attraktivität für internationale Investoren die „Nummer eins“ sei.
Die „Pause“ hat längst begonnen. Wie Macrons Frankreich schon bisher aus Wirtschaftsinteressen zu bremsen versucht, belegt der gewährte Aufschub beim Verbot von Glyphosat und Neonicotinoiden. Als die EU den Einsatz von Glyphosat bis Ende 2023 verlängerte, kam dies den Forderungen der französischen Agrarlobby und der Regierung sehr entgegen. Auch wollte das französische Landwirtschaftsministerium unter dem Druck der Zuckerrübenproduzenten die Verwendung der „Bienenkiller“-Insektizide der Gruppe der Neonicotinoide nach dem Verbot von 2020 mindestens zwei Jahre weiter tolerieren. Diese Ausnahmeregelung wurde nun im Nachhinein vom obersten Verwaltungsgericht des Landes für illegal erklärt.
Die Note ungenügend verdient Macron auch im Bereich der Energiewende. Zwar ließ er, wie schon von seinem Vorgänger versprochen, das älteste AKW in Fessenheim abstellen, doch gleichzeitig leitet er ein massives Investitionsprogramm ein: Sechs Reaktoren mit der EPR-Technologie sind bestellt, acht weitere als Option vorgesehen, und zudem soll Frankreich „Minireaktoren“ entwickeln. Die „Ausstiegs“-Zielvorgabe, den Anteil der mit Atomenergie produzierten Elektrizität wenigstens schrittweise auf 50 Prozent zu reduzieren, wurde aus Macrons Energiepolitik fast unbemerkt gestrichen.
Frankreich setzt auf fossile Energien
Dagegen gehört Frankreich nicht nur zu den Staaten, die weiterhin mehr in fossile Energien investieren als in erneuerbare; zudem ist es der einzige EU-Staat, der beim Ausbau der erneuerbaren Energien die Zielsetzungen nicht erreicht hat. Da der derzeitige AKW-Park wegen Inspektionen und Defekten teilweise außer Betrieb war, musste Frankreich auf ein altes mit Kohle betriebenes Kraftwerk zurückgreifen und Strom importieren.
Diese Mängelliste nicht gehaltener Versprechen des Präsidenten, der für sein Land eine Vorreiterrolle beanspruchen wollte, ließe sich verlängern. Dessen ungeachtet hat seine Premierministerin Elisabeth Borne am letzten Montag – ohne mit den Wimpern zu zucken – ein „beschleunigtes“ Programm zum Kampf gegen die Klimaerwärmung angekündigt.
Bis 2030 müsse Frankreich den Schadstoffausstoß im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent, das heißt doppelt so schnell wie bisher, vermindern. Für den Verkehr, die Landwirtschaft, die Industrie oder den Bausektor sind die Vorgaben mit schönen Diagrammen präzisiert. Und Borne kommentiert: „Wenn wir diesen Aktionsplan verwirklichen, erreichen wir unsere Ziele für 2030.“ Was die Zeitung Libération zu einer kritischen Anmerkung veranlasst: „Einfach auf dem Papier, viel komplizierter in den bereits vom Klimawandel betroffenen Bereichen.“
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