Podiumsrunde zur Prostitutionsdebatte: Alle gegen Schwarzer
Prostitution verbieten? Nicht, wenn es nach Bordell-Betreiberin Felicitas Schirow geht. Sie lud am Montag in Berlin zu einer „Experten-Anhörung“.
Der Name Alice Schwarzer wird an diesem Abend in Berlin so oft genannt, dass es nicht zählbar ist. „Warum?“, fragt eine Dame aus dem Publikum, „sie ist keine Politikerin, keine Expertin.“ Ein anderer merkt an: „Da müssen Sie aufpassen, das ist keine Debattenkultur mehr, sondern Hetze.“
Ein riesig anmutender Theatersaal, in dem die Zuhörer sich gut verteilen – sich aber umso heftiger bemerkbar machen. Auf einem Podium in der Berliner Urania sitzen acht Experten, die zum Thema Prostitution referieren. Die Kriminologin und Rechtsprofessorin Monika Frommel ist eine von ihnen. Sie antwortet: „Schwarzer hat eine demagogische pseudofeministische Kampagne gestartet. Sie ist reaktionär geworden.“
Vier Wochen zuvor saß Alice Schwarzer auf derselben Bühne, um ihr Buch „Prostitution. Ein deutscher Skandal“ vorzustellen. Zeitgleich startete sie einen prominent besetzten Anti-Prostitutions-Appell in der Zeitschrift Emma. Deshalb hat Felicitas Schirow reagiert. Sie arbeitete selbst als Prostituierte und ist seit 1997 Besitzerin des Bordells „Café Pssst!“
Im Jahr 2000 erreichte sie vor Gericht die offizielle Anerkennung ihres Lokals. Die Urteilsbegründung: Prostitution sei nicht mehr sittenwidrig. Schirow sagt, die Feministin Schwarzer diskriminiere Prostituierte und Freier zugleich. Aus diesem Grund lud die Bordellbesitzerin in einem Kleid so rot wie der Vorhang hinter ihr zur „Experten-Anhörung“: „Daten und Fakten zur Prostitution, die vielleicht überraschen. Statt Schwarz(er)-Weiss Denken.“
Verbot bedeutet Entmündigung
Zu Beginn heißt es dann auch gleich: Es gibt keine verlässlichen Daten. Der Untertitel der Veranstaltung ist mit der Klammer zu lesen: „Statt Schwarzer- Weiss denken“. Denn Verbots-Vertreter sind nicht anwesend. Entsprechend einig sind sich die Referenten: Ein Verbot der Prostitution verletze das Persönlichkeitsrecht. In Schweden sei Prostitution verboten, was dazu führe, dass die Sexarbeiterinnen entmündigt würden.
Das Prostitutionsgesetz müsse verbessert werden, beispielsweise um das Gewerberecht. So hätte die Gewerbeaufsicht die Möglichkeit, Ausbeutung durch Zuhälter zu verhindern und die Frauen zu schützen. Eine Bestrafung der Freier wäre schwer realisierbar und menschenverachtend.
Polizistin Rudat versucht eine „fachliche Betrachtung“: „Prostitution ist nicht gleich Menschenhandel. Aber es zieht Kriminelle an, weil man damit viel Geld verdienen kann.“ Gewalt spiele eine Rolle, „Zuhälter schlagen Frauen, Frauen schlagen Frauen. Das ist eine Begleiterscheinung der Prostitution. Wir finden immer noch Menschenhandelsopfer in dem Bereich.“
Das will das Publikum nicht akzeptieren. Die Prostitution mit der Menschenrechtsdebatte zu verbinden, das sei schädlich. „Sex und Crime hat die Leute schon immer gepackt“, sagt die Kriminologin Monika Frommel.
Dann erwähnt eine Frau aus dem Publikum sogenannte Freier-Foren im Internet. Menschenverachtend sei das, was dort Freier schreiben, sexistisch und frauenfeindlich. Die Antwort: Das dürfe man nicht so ernst nehmen, im Internet schrieben eben viele einfach mal etwas, ohne darüber nachzudenken. Außerdem seien Feministinnen ebenso menschenverachtend mit ihren Aussagen über Sexarbeiterinnen.
Kritisiert wurde zudem die Emotionalisierung und Moralisierung des Themas. Als eine Künstlerin sagt, sie arbeite mit Sexarbeiterinnen und habe den Eindruck, viele würden unter Druck gesetzt, lässt man sie nicht ausreden. Sie wird aus dem Plenum geschimpft. „Das mag ich gar nicht, wenn man mich so angeht“, sagt sie und verlässt den Saal. Schade, es hätte eine richtige Debatte werden können.
Anmerkung: Der Artikel erschien online mit einer falsch zusammenfassenden Bildunterschrift, welche von der Autorin nachträglich entfernt wurde.
Die Antwort auf den Artikel von der Veranstalterin Felicitas Schirow:
Die Bildunterschrift „Absage an die Debattenkultur: Kritik an der von ihr vertretenen Position ließ Gastgeberin Felicitas Schirow nicht zu“(welche jetzt entfernt worden ist) ist falsch und vermittelt dem Leser einen vollkommen falschen Eindruck von mir und dem, was ich vermitteln möchte. Hierzu fasse ich meine Botschaft zusammen:
Ich wünsche mir, wie wohl jeder gesund denkende Mensch, dass es keine Zwangsprostitution gibt. Wenn eine Frau zum Beischlaf oder zu sexuellen Handlungen gezwungen wird, ist das keine Prostitution, es ist Vergewaltigung. Vergewaltiger müssen bestraft werden, und das war schon immer im Strafgesetzbuch verankert, auch vor dem Prostitutionsgesetz.. Man muss aber erst mal wissen, von wievielen Frauen (ich schließe immer natürlich auch Männer und Transgender ein) tatsächlich betroffen sind und wo sie sich befinden. Nur so kann man gezielt Hilfe ansetzen. Es macht keinen Sinn, wilde Zahlen zu verbreiten, die jeglicher Grundlage entbehren. Es macht auch keinen Sinn, mit falschen Statistiken aufzuwarten. So kann nicht effizient gearbeitet werden.
Da ich mich des Eindrucks nicht verwehren kann, dass auch Politiker nicht umfassend über die Inhalte des Prostitutionsgesetzes und dessen fehlende Umsetzung durch die Behörden im Klaren sind, habe ich diese Veranstaltung ins Leben gerufen.
Das Prostitutionsgesetz wurde allein für freiwillig arbeitende Sexworker und Sexworkerinnen geschaffen. Ich vermeide die Bezeichnung Prostituierte zu benutzen. Sexworker ist m.E. die bessere, weil umfassendere Bezeichnung für in der Sexdienstleistung arbeitenden Menschen.
Richtig ist: Ich habe im Vorfeld der Veranstaltung ganz besonders die Personen, Gruppen und Vereine angeschrieben, welche die Freierbestrafung propagieren. Ich bin selbst ins Abgeordnetenhaus gegangen und habe die Flyer verteilt, und auch per email und über die DPA ist die Veranstaltung hinlänglich bekannt gemacht worden. Ich hatte keine Möglichkeit, einen Referenten zu gewinnen, der zum Beispiel für eine Freierbestrafung ist. Man sieht aber an der Zusammensetzung der Teilnehmer, dass ich auch kritischen Stimmen wie der von Heike Rudat Gehör verschaffen wollte. Sie sagte mir im Vorfeld: “Erwarten Sie nicht, dass Ihnen alles gefallen wird, was ich sage.“. Mir ging es nicht darum, meine Meinung den Zuhörern zu implizieren, und wer aufmerksam zugehört hat, dem fiel das auch sicher auf.
Sie schreiben in dem Absatz zu den Freier-Foren im Internet: „: Die Antwort: Das dürfe man nicht so ernst nehmen…“
Hierzu habe ich folgendes gesagt: “Foren im Internet sind nicht repräsentativ“
Sie schreiben: „Als eine Künstlerin….. verlässt den Saal“
Richtig ist: Wir haben die Frau ausreden lassen (sie sprach, von zwei kurzen Zwischenrufen unterbrochen, zwei Minuten) und die Aussage dieser Frau ist auch angekommen. Sie sagte, dass sie den Eindruck habe, viele Frauen arbeiteten unter Druck. Weiter sagte sie (Zitat): “…haben alle Männer bestätigt, sie haben sich dort am wohlsten gefühlt, wo sie den Eindruck hatten, dass die Frau sie mag.“ Ich bin dankbar für diese Aussage, und die Frau wurde auch nicht vom Plenum beschimpft.
Ich biete der Presse und allen Politikern, denen eine Teilnahme an der Veranstaltung nicht möglich war, einen Mitschnitt der Veranstaltung an.
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