Plan von Finanzminister Lindner: Wie Aktien die Rente retten sollen
Die Aktienrente steht im Koalitionsvertrag und nimmt langsam Gestalt an. Aber ob das Projekt den Anstieg der Beiträge dämpfen kann, ist unklar.
Zwölf Milliarden Euro pro Jahr will Lindner dafür in den kommenden Jahren locker machen. Das Geld dafür borgt sich der Bund an den Kapitalmärkten. So soll eine „Stiftung Generationenkapital“ entstehen, die bis Mitte des nächsten Jahrzehnts einen dreistelligen Milliardenbetrag erreichen soll, von 200 Milliarden ist die Rede. Dazu will Lindner auch Bundesbeteiligungen an die Stiftung übertragen. Genaueres sagt er dazu nicht. Aber es kommen zum Beispiel die Beteiligungen an der Post oder der Telekom dafür infrage.
Die politisch unabhängige Stiftung soll das Vermögen verwalten und gewinnträchtig an den Börsen anlegen. „Sie legt in unserem Auftrag das Geld von uns allen an“, erläutert der Minister. Die Idee: Der Staat zahlt für den Aufbau des Stiftungskapitals beispielsweise zwei Prozent Zinsen. Die Stiftung erzielt mit den Anlagen dann eine Rendite von fünf Prozent. Davon überweist sie die Zinsausgaben des Staates an den Bund. Der Rest, im Beispiel drei Prozent des Vermögens, fließt in die Rentenkasse.
So will die FDP den Beitragssatz zur Rentenversicherung stabilisieren, wenn immer weniger Arbeitnehmer steigende Rentenausgaben finanzieren müssen. „Nichtstun ist keine Option“, sagt Lindner.
Zu wenig Kapital für echten Effekt?
Doch hat die Aktienrente noch einige Haken, die für viel Kritik sorgen, selbst in den Reihen der Ampelkoalition. So täuscht die Größe des Staatsfonds über dessen möglichen Beitrag zur Stabilisierung der Beiträge. Den Prognosen zufolge wird der Beitragssatz von derzeit 18,6 Prozent des Bruttolohnes in den nächsten zehn Jahren auf über 21 Prozent ansteigen. Um ihn um einen Prozentpunkt zu drücken, müsste der Fonds eine jährliche Dividende von 17 Milliarden Euro einbringen.
Nach einer Berechnung des grünen Rentenexperten Markus Kurth müsste dafür ein Kapital von 567 Milliarden Euro zusammenkommen. Kurth stellt das Vorhaben auch aus verfassungsrechtlichen Gründen infrage. Es würde das Vertrauen in das geltende Umlageverfahren untergraben und Verzerrungen an den Finanzmärkten nach sich ziehen, glaubt er.
Stattdessen plädiert er für eine Stärkung der Einnahmen der Rentenkasse aus Beiträgen, zum Beispiel durch eine höhere Frauenerwerbsquote, bessere Löhne und gesündere Arbeitsbedingungen. Auch der DGB lehnt den Einstieg in ein solches teilweise kapitalgedecktes Rentensystem ab.
Mit der privaten Altersvorsorge hat das Generationskapital nichts zu tun. Die Regel dazu sollen gesondert reformiert werden. Die Riester-Rente wird nach Vorschlägen einer Expertenkommission so verändert, dass auch Aktienfonds verstärkt zur Vermögensbildung beitragen können. Das wäre aber völlig unabhängig von der Entwicklung des gesetzlichen Rentensystems.
Die Aktienrente wird Teil eines Gesetzespakets sein, das Lindner zusammen mit Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in den kommenden Wochen auf den Weg bringen will. Sie ist auch ein Zugeständnis des Koalitionspartners SPD. Denn Heil will im Gegenzug beim Rentenniveau eine Untergrenze von 48 Prozent einziehen. Das Rentenniveau beschreibt das Verhältnis einer Durchschnittsrente zum Durchschnittsverdienst, sagt also nichts über den individuellen Rentenanspruch aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance