Plan der polnischen Regierung: Ein Melderegister für Schwangere?

Polens Regierung will ein Register zur Erfassung von Schwangerschaften einführen. Für die ärztliche Schweigepflicht verheißt das nichts Gutes.

Menschen halten die Lampe ihres Smartphone in die Höhe

Warschau im November 2021: Protest gegen das polnische Abtreibungsrecht Foto: Krzysztof Kaniewski/Zuma/imago

WARSCHAU taz | Ein Polizist, Staatsanwalt oder Geheimdienstagent könnte demnächst vor der Tür stehen und fordern: „Ich muss Ihren Bauch inspizieren. Sie sind im fünften Monat schwanger!“ Das ist das Horrorszenario, das zur Zeit in Polen kursiert und für große Aufregung sorgt.

Denn heimlich, still und leise hatte Polens Gesundheitsminister Adam Niedzielski am Freitagabend vor dem langen Pfingstwochenende noch schnell eine Verordnung erlassen, mit dem er das hoch umstrittene zentrale Schwangerschafts-Melderegister ins Leben rief. Angeblich zum Schutz der Gesundheit von Mutter und Kind. Im vergangenen Dezember hatte es einen Aufschrei gegeben, als das Vorhaben der regierenden Nationalpopulisten von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) bekannt wurde. Nach heftigen Protesten versank die geplante Verordnung wieder in der Versenkung.

Doch nun wird sie in zwei ­Wochen in Kraft treten, ohne dass die 38 Millionen Po­l*in­nen auch nur die kleinste Chance zur Mitsprache gehabt hätten. Die meisten merkten erst am Montag, dass sich die Gesetzeslage übers Wochenende entscheidend geändert hatte. Schon jetzt ist das Abtreibungsrecht in Polen eines der schärfsten in Europa. Es gibt nur noch zwei Fälle, in denen eine legaler Schwangerschaftsabbruch durchgeführt werden kann: wenn die Gesundheit oder das Leben der Frau bedroht sind oder sie vergewaltigt wurde.

Die Indikation, die noch vor drei Jahren zu rund 80 Prozent aller Abbrüche geführt hatte – schwerste Fehlbildungen des Fötus, kaum Überlebenschancen für das Neugeborene sowie unheilbare schwere Krankheiten – wurde im Oktober 2020 auf Wunsch einiger PiS-Abgeordneter vom polnischen Verfassungsgericht kassiert.

Kein Kriterium

Seitdem sind mehrere gesunde Schwangere verstorben, weil Ärzte aus Angst vor einem Gerichtsverfahren zu lange mit der Einleitung eines Abbruchs warteten. Es gibt bis heute kein Kriterium, wann das Leben eines tot kranken oder im Mutterleib sterbenden Kindes keinen Vorrang mehr vor dem Leben der gesunden Mutter hat.

Angeblich, so versucht das Gesundheitsministerium zu beruhigen, gehe es bei der Verordnung zum Gesetz über das Medizinische Informationssystem (SIM) nicht um die Schaffung eines Schwangerschafts-Registers, sondern nur um die „Ausweitung meldepflichtiger Informationen“.

Tatsächlich sollen demnächst neben Krankheiten aller Patient*innen, Arztbesuchen und verabreichten Medikamenten auch Allergien und Diagnosen über die psychische Gesundheit zentral erfasst werden, die Versorgung mit Implantaten, Klinikaufenthalte, die Blutgruppe – und Schwangerschaften samt aller Pflichtuntersuchungen bis zur Geburt. Das neue digitale SIM soll ab Oktober polenweit einsatzbereit sein.

„In normalen Zeiten würde die Übertragung selbst so sensibler Daten an das SIM bei uns keine größere Unruhe auslösen“, sagt Joanna Pietrusiewicz, die Vorsitzende der Stiftung Menschlich gebären. Aber in der aktuellen Situation ist das für uns ein Signal, dass der Staat sich erneut in das Leben der polnischen Frauen einmischt.“ Alles wäre in Ordnung, wenn die gesammelten Information nur dem medizinischen Personal und den Pa­ti­en­t*in­nen selbst zugänglich wären. Aber Staatsanwaltschaft und Gerichte – das gab Polen Gesundheitsminister zu – könnten sich auf der Basis bestimmter Gesetze zu den eigentlich geschützten Daten Zugang verschaffen.

Noch liegt das Gesetzesprojekt für das „Polnische Institut für Demografie und Familie“ im Sejm, dem polnischen Abgeordnetenhaus. Doch die künftigen Mit­ar­bei­te­r*in­nen hätten die Kompetenzen der Staatsanwaltschaft, könnten die Herausgabe jeder privaten sowie intimen Information erzwingen und diese an den Staat weitergeben.

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