Pläne für Gesetzesverschärfung: Kritik an Volksverhetzungsparagraf
Die beschlossenen Regeln zur Verharmlosung von Kriegsverbrechen gehen zu weit, sagen Kritiker. Der Bundesrat muss noch dazu tagen.
Der Bundestag hat die Verschärfung des Volksverhetzungsparagrafen 130 am 20. Oktober spätabends beschlossen. Grundlage war eine Formulierungshilfe des Justizministeriums, die erst am Vortag in ein anderes Gesetz eingefügt worden war. Das Gesetz wurde im Bundestag dann gegen die Stimmen von AfD und Linken angenommen, wobei die Linke am Vortag im Rechtsausschuss noch dafür gestimmt hatte.
Bisher war in Deutschland nur die Billigung, Leugnung und Verharmlosung des Holocaust sowie die Billigung von Straftaten aller Art ausdrücklich strafbar. Die EU-Kommission hatte aber im Dezember 2021 ein Vertragsverletzungs-Verfahren gegen Deutschland eingeleitet, weil Deutschland einen EU-Rahmenbeschluss von 2008 zur Bekämpfung des Rassismus nicht richtig umgesetzt habe. Dort ist keine Beschränkung auf den Holocaust vorgesehen, weil die osteuropäischen Staaten insbesondere auch Völkerstraftaten der einstigen Sowjetunion erfassen wollten.
Insofern musste Deutschland reagieren. Die Leipziger Rechtsprofessorin Elisa Hoven wirft Buschmann und dem Bundestag nun aber vor, dass sie nicht von einer Möglichkeit der Einschränkung Gebrauch gemacht haben, die der EU-Rahmenbeschluss ausdrücklich vorsieht. Danach kann die Strafbarkeit des Leugnens und groben Verharmlosens auf Völkerstraftaten begrenzt werden, die „ein internationales Gericht“ endgültig festgestellt“ hat.
Historische Wahrheit soll Debattengegenstand bleiben
So könnte verhindert werden, dass künftig jedes deutsche Amtsgericht Beweisaufnahmen durchführen müsste, wie sie sonst am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag üblich sind, so Hoven auf dem juristischen Webportal Libra, „deutsche Amtsgerichte sollten nicht darüber verhandeln müssen, ob das Massaker an den Armeniern ein Völkermord war oder ob Israel in besetzten Gebieten Kriegsverbrechen begangen hat“.
Die Kölner Rechtswissenschaftlerin Paula Rhein-Fischer hält auf dem Verfassungsblog den Verzicht auf diese Einschränkung ebenfalls für „unglücklich“. Sie fordert die deutschen Strafgerichte daher auf, die Strafnorm „so restriktiv wie möglich auszulegen“. Die historische Wahrheit müsse weiter „Gegenstand der öffentlichen“ Debatte sein.
Noch ist aber eine unproblematische Änderung durch den Gesetzgeber möglich, denn die neue Strafnorm ist noch gar nicht endgültig beschlossen. Erst am 25. November wird sich der Bundesrat mit der Sache befassen. Nötig ist zwar nicht die Zustimmung der Länderkammer, doch könnte der Bundesrat, wenn er Korrekturbedarf sieht, den Vermittlungsausschuss anrufen. Dort könnte dann die Einschränkung auf international festgestellte Völkermorde und Kriegsverbrechen noch eingefügt werden. Wie die Stimmung auf Länderseite ist, wird sich bereits am 9. November zeigen, wenn der Rechtsausschuss des Bundesrats über die Reform berät.
Minister Buschmann, der als liberaler Rechtspolitiker sicher keine Verschärfung des Meinungsstrafrechts beabsichtigte, bleibt tapfer bei der Behauptung, die von ihm vorgeschlagene Formulierung sei gar keine Verschärfung, sondern nur eine „Klarstellung“. Die Leugnung und grobe Verharmlosung von Völkermorden sei nämlich bereits heute als Volksverhetzung strafbar, wenn sie zu Hass und Gewalt aufstachelt. So habe der Bundestag schon 2010 argumentiert, als es darum ging, den EU-Rahmenbeschluss umzusetzen.
Das ist zwar richtig, nur ging es damals darum, eine explizite Verschärfung des Meinungsstrafrechts zu verhindern, während Buschmann nun die faktische Verschärfung damit verschleiert.
Auch eine Einschränkung der Strafnorm auf international festgestellte Völkermorde und Kriegsverbrechen lehnt das Justizministerium bisher „aus systematischen Gründen“ ab. Schließlich gebe es beim „Billigen“ von Straftaten in Paragraf 140 auch keine derartige Beschränkung. Sein liberales Profil schärft Buschmann so eher nicht.
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