Petition für unabhängige Ermittlungen: Gegen kriminelle Polizist*innen
Keine unabhängige Ermittlungsstelle kontrolliert die deutsche Polizei. Das steht seit Jahren in der Kritik. Dänemark gilt hingegen als Vorbild.
Bei Straftaten in Deutschland ermittelt die Polizei – auch wenn Polizist*innen selbst unter Verdacht stehen. Solche Fälle übernehmen zwar nicht die direkten Kolleg*innen, sondern Polizeibeamt*innen aus anderen Abteilungen. Trotzdem schwächt es die Glaubwürdigkeit der Exekutive, wenn sie sich selbst kontrollieren soll – in vielen anderen Gesellschaftsbereichen wäre das undenkbar. Viele Fälle kommen zudem nur vor Gericht, wenn sich Teile der Zivilgesellschaft dafür einsetzen. Und viele Ermittlungen werden eingestellt.
Betroffene und Menschenrechtsorganisationen plädieren seit Jahren für unabhängige Stellen, die in solchen Fällen die Untersuchungen übernehmen. Aktuell fordert das eine Petition der Initiative Copservation an Bundesinnenministerin Nancy Feaser (SPD): „Nur unabhängige Ermittlungsstellen können zu einer neutralen Bewertung der Sachlage kommen“, heißt es darin.
Copservation sammelt und veröffentlicht Fälle zu umstrittenem Polizeiverhalten in Deutschland. „Eigentlich wollten wir uns auf diese Chronik konzentrieren“, erklärt ein Sprecher, doch die Initiative habe immer wieder mit Fällen zu tun, in denen Polizist*innen gegen andere Polizist*innen ermitteln.
Die Probleme dabei: Entweder versuche man, den Ruf der Polizei zu schützen, oder Kolleg*innen würde eher Glauben geschenkt, weil die Ermittelnden deren Perspektive teilen. Mit „unabhängig“ meint Copservation deshalb nicht nur unabhängig von Weisungen und finanziellen Mitteln. Es sei auch wichtig, dass die Ermittlungsstelle nicht nur aus ehemaligen Polizist*innen bestehe.
Ermittlungen statt Beschwerden
Nancy Faeser ist mit der Bundespolizei nur für einen Teil der Polizei in Deutschland verantwortlich – das ist auch Copservation bewusst. Aber sie hofften darauf, so der Sprecher, dass sich die Debatte auf die Bundesländer auswirke und mehr Geld für unabhängige Beschwerde- und Ermittlungsstellen zur Verfügung gestellt würden. In einer Umfrage von 2020 sprachen sich knapp zwei Drittel der Deutschen für solche Stellen aus.
Doch Kontrollstellen kommen bei Polizeivertreter*innen oft nicht gut an. In Brandenburg zum Beispiel, wo derzeit der Landtag über einen unabhängigen Polizeibeauftragten berät. Anita Kirsten, Landesvorsitzende der dortigen Gewerkschaft der Polizei (GdP), erklärte, unabhängige Polizeibeauftragte seien ein „Misstrauensbeweis“ gegenüber der Polizei. Dabei ist in Brandenburg keine Ermittlungsbehörde geplant, sondern lediglich eine Beschwerdestelle.
Solche haben mittlerweile die meisten Bundesländer eingerichtet. Rechtlich sind sie aber unterschiedlich angelegt. In sieben Ländern sind sogenannte Polizeibeauftragte dem jeweiligen Landesparlament unterstellt. Da sind sie zumindest bei der Legislative angesiedelt. Aber auch die Beauftragten gelten als wirkungslos, wenn es darum geht, die Polizei zu kontrollieren. Es fehle an Befugnissen und Geld.
Vorbild Dänemark
In sechs weiteren Ländern unterstehen die Beauftragten der Landesverwaltung, wie beispielsweise in Sachsen-Anhalt oder Thüringen dem Innenministerium. Je nach Land haben die Stellen unterschiedliche Befugnisse und sind finanziell unterschiedlich ausgestattet. Aber eine unabhängige Stelle für effektive Ermittlungen fehlt bisher in Deutschland.
International gibt es solche Modelle hingegen schon, beispielsweise die unabhängige Polizeibeschwerdestelle DUP in Dänemark, die 2012 eingerichtet wurde. Die heißt zwar Beschwerdestelle, aber sie soll keinen Streit schlichten, sondern vor allem ermitteln. Etwa in Fällen, bei denen Menschen bei Polizeieinsätzen oder im Gewahrsam verletzt werden oder sterben. Auch die Petition von Copservation benennt das Modell als Vorbild.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind