Petition der Woche: Schief gewickelt
Auf Männertoiletten sind Wickeltische eine Seltenheit. Eine Petition soll das ändern – und das Bewusstsein für männliche Carearbeit stärken.
Mit der Geburt der eigenen Kinder ändert sich der Blick auf viele Dinge: Autos etwa, Tiefschlafphasen oder Steckdosen auf Kniehöhe. Auch Philip Bandholtz ist Vater von zwei Töchtern. Und nach der Geburt der älteren vor sechs Jahren fiel ihm etwas auf, worauf er bisher nie geachtet hatte – wie auch, wo es doch in den allermeisten Fällen fehlt? Nämlich eine Möglichkeit für Männer, in der Öffentlichkeit ihr Kind zu wickeln.
Ein einziges Mal, so erzählt Bandholtz, habe er einen Wickeltisch in einer Herrentoilette vorgefunden. Wenn es in Restaurants, Cafés oder anderen öffentlichen Räumen überhaupt Wickelmöglichkeiten gibt, dann fast immer auf den Damentoiletten. Bandholtz zählt auf, was das für ihn und all die übrigen Väter bedeutet: Wickeln auf dem Fußboden, im Kofferraum oder in einer ruhigen Ecke des Lokals. Das sei für alle unangenehm und unhygienisch noch dazu – nachvollziehbar, wenn sich andere Gäste darüber mokierten.
Auch für die Gastwirte hat Bandholtz Verständnis, schließlich kosten Wickeltische Geld. „Müsste ich entscheiden, wohin ich einen schraube, würde ich vermutlich auch die Frauentoilette wählen. Es sind einfach mehr Mütter mit Kindern unterwegs“, sagt er. Haben kümmernde Väter also immer noch ein schlechtes Image in der Gesellschaft? Auf jeden Fall, findet Bandholtz. Er richte seinen Fokus aber lieber auf das, was sich bereits verbessert habe: etwa, dass zunehmend mehr Väter auf Spielplätzen oder mit dem Kinderwagen zu sehen seien.
Damit sich die Dinge auch beim Wickeln zum Besseren entwickeln, hat der Pädagoge Bandholtz gemeinsam mit dem Unternehmenscoach Andreas Schulik die Onlinepetition „Mehr Wickeltische auf Männertoiletten“ gestartet. Die beiden fordern die Installation von Wickeltischen in mindestens einer Herren- und Damentoilette in allen öffentlichen Gebäuden in Deutschland. Außerdem sollten Wickeltische in Restaurants und Cafés vom Bund finanziert und dort in beiden Toiletten oder aber in Unisex-Räumen wie Behindertentoiletten installiert werden.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Es gehe nicht nur darum, Care-Arbeit im Sinne der Emanzipation gerechter unter beiden Elternteilen aufzuteilen. Vielmehr wolle er das Bewusstsein der Väter für eine aktive und verantwortungsvolle Rolle in der Kindererziehung stärken, sagt Bandholtz, der in Bonn Kurse als Väter-Coach anbietet. „Es wird höchste Zeit, dass wickelnde Väter in Deutschland normal sind. Alles andere ist nicht mehr zeitgemäß!“, heißt es in der Petition. Die Resonanz ist bisher allerdings überschaubar, knapp 100 Unterschriften wurden bisher gesammelt.
Bandholtz und Schulik sind mit ihrer Initiative nicht allein: Unter dem Hashtag #squatforchange (Hocken fürs Windeln wechseln) posteten in den USA hunderte Väter Bilder, wie sie ihre Kinder mangels Alternativen auf ihren Knien wickeln. Nachdem Barack Obama 2016 mit dem „Babies act“ die Einrichtung von Wickeltischen in allen Toiletten von Bundesgebäuden vorschrieb, gab es ähnliche Gesetze auch in New York und sogar in Köln: Dort wurde 2018 auf Antrag der SPD-Fraktion beschlossen, dass alle öffentlich zugänglichen Herrentoiletten in der Innenstadt mit einem Wickeltisch ausgestattet werden müssen. 2.500 Euro wurden dafür laut Focus Online veranschlagt – pro Wickeltisch wohlgemerkt. Moritz Findeisen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers