piwik no script img

Peter Schulz als Schul-Namenspatron„Eine ungeheuere Provokaktion“

Peter Schulz ist der Erfinder des Radikalenerlasses. Der ehemalige Hamburger Bürgermeister könnte Namenspatron für eine Schule werden.

Verhängte Berufsverbote für Kommunisten: Peter Schulz, hier im Juni 1971 in der Bürgerschaft Foto: dpa / Brauer

Hamburg taz | Was soll schon schiefgehen, wenn man einen alten weißen Mann als Namenspatron für ein Gymnasium vorschlägt, der SPD-Schulsenator, Bürgermeister und Präsident der Hamburger Bürgerschaft war? Diesen Gedanken hatte wohl der Hamburger SPD-Abgeordnete Gulfam Malik, als er Peter Schulz als Namensgeber für das neue Grellkamp-Gymnasium im Stadtteil Langenhorn vorschlug. Das Gymnasium soll im Schuljahr 2023/2024 eröffnen.

Doch auch wenn der vielfach von der SPD geehrte und 2013 verstorbene Schulz auf den ersten Blick wie eine sichere Bank als Namensgeber wirken könnte – wer Erinnerungen an die 70er-Jahre in Westdeutschland hat oder ihn kurz googelt, muss schnell davon abkommen.

Schulz ist der Erfinder des sogenannten Radikalenerlasses, also der Berufsverbote, die in den 70ern zahlreichen jungen Menschen den Einstieg ins Arbeitsleben verbauten. Der offizielle Grund damals: Man wollte Menschen mit einer staatsfeindlichen Haltung aus dem öffentlichen Dienst fernhalten. Der darunter liegende Grund: Kommunistenhass.

Der Radikalenerlass betraf breite Berufsfelder des Beamtentums – Lehrer*innen, Post­bo­t*in­nen sowie Lokführer*innen, aber eben fast ausschließlich Linke. Fast immer wurde ihnen das Engagement in der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) oder einer der zahlreichen kommunistischen Stu­den­t*in­nen­or­ga­ni­sa­tio­nen zum Verhängnis.

Für Betroffene wäre es ein Affront

Peter Schulz lieferte die Vorlage für den bundesweiten Beschluss, den die Ministerpräsidenten 1972 unter Willy Brandt (SPD) verabschiedeten. Seit 1971 war Schulz, der mit seinen Eltern aus der DDR geflohen war, mit 41 Jahren der jüngste Bürgermeister Hamburgs. Nach drei Monaten im Amt versagte er der Lehrerin Heike Gohl wegen ihres Engagements bei der DKP und der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend SDAJ die Verbeamtung und formulierte eine Begründung, die über den Einzelfall hinaus wies.

Ausgerechnet der soll Namensgeber für eine Schule werden? Soweit ist es noch nicht. Bislang ist das nur ein Vorschlag von einem Abgeordneten, der bis Redaktionsschluss für die taz nicht zu erreichen war und zu dessen Gunsten man annehmen kann, dass er schlecht informiert ist. In der Schulbehörde dürfte man mit dem Namen mehr anfangen können.

Betroffene des Berufsverbots äußern sich unterdessen bestürzt über die Idee: Der pensionierte Oberschulrat Hans-Peter de Lorent, der jahrelang gegen sein Berufsverbot gekämpft hat, spricht von einem unglaublichem Affront für alle Betroffenen: „Eine Schule nach Schulz zu benennen, wäre eine ungeheure Provokation und ist in meinen Augen völlig undenkbar.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Ja, das traf damals ausschließlich links gerichtete Personen.

    Und heute?



    Da sind sicher etliche froh, dass es diesen Erlass gibt, denn damit kann jetzt gegen den rechten Unsinn und deren Unsinnige vorgegangen werden.

  • Welcher Afrikaner hat eigentlich Albert Schweitzer in sein Land geholt?

  • Wäre nicht die erste Schule mit merkwürdigem Namen in Hamburg.



    Da gibt es noch das Körber-Gymnasium, benannt nach Kurt Adolf Körber, Unternehmer mit NS-Vergangenheit und großem Einfluss auf die Entwicklung der Tabakepidemie mit mittlerweile 7 Mio. Toten im Jahr (weltweit):



    de.wikipedia.org/w...urt_A._K%C3%B6rber



    Er sorgte und die von ihm gegründete Hauni Maschinenbau GmbH sorgt heute noch dafür, dass Zigaretten ein in der Herstellung billiges Massenprodukt sind, was die Voraussetzung für ihre weltweite Verbreitung ist.

    Siehe auch de.wikipedia.org/w...er-Stiftung#Kritik

  • Endlich hört man wieder von der Hamburger SPD, genau solche Ideen, dafür waren und sind sie bekannt. Schulz taugt zu gar nichts, denn der Radikalenerlass war ein Riesenfehler, das sah Brandt am Ende auch ein. Schulz ist auch nicht gerade ein glanzvoller Bürgermeister gewesen, er musste gehen, weil er schlechte Wahlergebnisse produziert hatte. Wenn die SPD wirklich eine Schule nach jemanden benennt, der kommunistische Gespenster jagen musste .... Gute Nacht!