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Pestizid-Einsatz in NiedersachsenIn Zukunft mehr Transparenz

Der Nabu erklagt, dass in Niedersachsen Zahlen zum Einsatz von Pestiziden erhoben und veröffentlicht werden müssen. Die Landwirtschaftskammer zieht mit.

Muss künftig Pestizid-Einsätze melden: Landwirt mit einem Glyphosat-Kanister in Badbergen Foto: dpa | Friso Gentsch

Göttingen taz | Als letztes Bundesland fängt Niedersachsen damit an, Daten über den Einsatz von Pestiziden zu erheben und frei zugänglich zu machen. Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen teilte dem Verwaltungsgericht Oldenburg mit, dass sie ein entsprechendes Auskunftsersuchen des Naturschutzbundes (Nabu) nunmehr erfüllen werde.

Der Nabu hatte auf Herausgabe dieser Daten geklagt und sowohl vom Verwaltungsgericht als auch vom Oberverwaltungsgericht Recht bekommen. Mit der Erklärung der Landwirtschaftskammer ist das Verfahren erledigt. Die Kammer ist die Selbstverwaltungsorganisation der niedersächsischen Land­wir­t:in­nen und quasi die Fachbehörde des Landes.

Der Nabu sprach am Dienstag von einem „großen Erfolg für mehr Transparenz“. Jetzt müsse in ganz Deutschland offengelegt werden, wo und in welchem Umfang Pestizide eingesetzt würden, sagte Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Dass mit Niedersachsen künftig auch das letzte Bundesland Pestizideinsatzdaten übermittele, bestätige das Recht auf Umwelt­informationen und sei zugleich ein großer Erfolg für den Schutz von Natur und Artenvielfalt.

Miller hält es gleichzeitig für „nahezu grotesk, dass es keine zentrale und digitale Datenbank zur Erfassung von Einsatzdaten gibt“. Es sei beschämend, dass sich Verwaltungen und Behörden bei der Erfüllung ihrer Informationspflicht stapelweise mit größtenteils handschriftlichen Aufzeichnungen in Papierform beschäftigen müssten. Diese Zettelwirtschaft müsse aufhören. Die Bundesregierung müsse endlich die im Koalitionsvertrag versprochene bundeseinheitliche, digitale Datenbank einführen.

Pestizid-Einsatz soll reduziert werden

Die Einsatzdaten könnten nicht nur bei der Bewertung helfen, wo die Risiken von Pestiziden besonders hoch sind, betont die Nabu-Expertin für Biodiversität, Verena Riedl. Sie bildeten auch die Grundlage anhand derer Fortschritte beim Erreichen von Reduktionszielen messbar würden.

Erst in der vergangenen Woche hatten die Partner des „Niedersächsischen Wegs“ aus Landesregierung, Umweltverbänden und Landwirtschaft vereinbart, bis 2030 den Einsatz von Pestiziden im Land um mindestens ein Viertel zu reduzieren. Das Reduktionsziel bezieht sich auf einen Durchschnittswert der Jahre 2015/16 bis 2020/21. Weil es für Niedersachsen bisher keine Daten zur Pestizidmenge gibt, wurde für diesen Zeitraum errechnet, wie viel Geld die Betriebe für Pflanzenschutzmittel ausgegeben haben. Im Mittel des Bezugszeitraums waren das 95 Euro je Hektar.

Und nicht nur die Menge der Pestizide soll in Niedersachsen reduziert werden, sondern auch die Fläche, auf der sie eingesetzt werden. Dafür sollen etwa Schutzstreifen an Gewässern sowie Auflagen in Naturschutzgebieten sorgen. Bereits Mitte 2024 soll bewertet werden, welche Maßnahmen sich wie auswirken, um gegebenenfalls nachsteuern zu können. Das deutschlandweit beachtete Abkommen „Niedersächsischer Weg“ verpflichtet die Beteiligten, im „Agrarland Nummer 1“ konkrete Maßnahmen für einen verbesserten Natur-, Arten- und Gewässerschutz umzusetzen.

Ausschlaggebend für die Nabu-Klage war eine im Juni 2021 vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) veröffentlichte Studie, die bundesweit viel zu hohe Pestizidbelastungen von Kleingewässern belegte. Die festgelegten Grenzwerte werden demnach in 81 Prozent der untersuchten Bäche überschritten, teils sogar um mehr als das 100-fache. Daraufhin hatte der Verband zunächst in zwölf deutschen Flächenländern Einsicht in die Aufzeichnungen zu Pestizidanwendungen beantragt. Alle Länder kamen diesen Anträgen nach, nur Niedersachsen verweigerte die Datenerhebung und die Herausgabe.

Rasanter Anstieg seit 1990

Die beschönigend Pflanzenschutzmittel genannten Pestizide sind der Sammelbegriff für viele unterschiedliche Stoffe, die mit ihrem Gift Pflanzen (Herbizide), Insekten (Insektizide) oder Pilze (Fungizide) abtöten. Die jährlich ausgebrachte Pestizidmenge liegt weltweit bei etwa vier Millionen Tonnen. Der „Pestizidatlas 2022“ zeigt dabei, dass die Menge der eingesetzten Pestizide seit 1990 um 80 Prozent gestiegen ist. Auch in der EU liegt der Einsatz mit rund 350.000 Tonnen auf hohem Niveau. In Deutschland werden zwischen 27.000 und 35.000 Tonnen Pestizidwirkstoffe pro Jahr verkauft.

Nach Angaben des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) waren 2020 in Deutschland 283 Wirkstoffe in 980 zugelassenen Pflanzenschutzmitteln enthalten. Diese wurden unter 1.787 Handelsnamen vertrieben. Insgesamt wurden 2020 in Deutschland 80.042 Tonnen Pflanzenschutzmittel abgegeben.

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3 Kommentare

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  • 'Die beschönigend Pflanzenschutzmittel genannten Pestizide ...'

    Nüchtern und objektiv betrachtet handelt es sich bei Pestiziden um Schädlingsbekämpfungsmittel, wie man dem Suffix '-cid' entnehmen kann, in welchem die lateinaffine Ex-Sextanerin cecidi (1. Pers. Singular Perfekt aktiv) vom Infinitiv caedere wiedererkennt, womit Schädlinge (engl. 'pests') in Schach gehalten werden, damit sie die Ernte nicht vernichten, ergo werden Nutzpflanzen geschützt. So gesehen sind Pestizide und Pflanzenschutzmittel wertneutrale und äquivalente Synonyme, ein Euphemismus liegt nicht vor.

    • @Magic Theo:

      Jaja, wie wahr, wie wahr ...

      Allerdings: Primär werden doch garnicht die Pflanzen geschützt sondern die Ernten bzw. die Erträge

      Dann müsste es doch "Ernteschutzmittel" oder "Ertragsschutzmittel" heissen, oder ?

      Das wäre zumindest ehrlicher.

      Und da offenbart sich auch der Euphemismus.

  • Einmal mehr musste eine Auskunft erklagt werden und die unwilligen Behördenleiter müssen für die Verschwenung von Steuergeldern noch nicht einmal haften.

    Die Kläger müssen mit ihrem Privatvermögen haften - die Behördenversager hingegen haften mit einem feuchten Furz.