Zustand von Schleswig-Holsteins Biotopen: Steter Abwärtstrend

Um die Biotope in Schleswig-Holstein steht es laut einem Bericht des Landesamtes schlecht: Das Land verliert Schutzflächen, Arten verschwinden.

Ein weißer Vogel mit einem langen Schnabel steht im Wasser.

Flächen dieser Art werden etwa für die weißen Löffler immer weniger: Biotop auf der Insel Föhr Foto: Peter Hering/dpa

NEUMÜNSTER taz | Ein Trecker-Korso durch den Ort, eine Kundgebung und Krabbenkutter, die im Hafen festmachen: Lautstarke Proteste von Bäue­r*in­nen und Fi­sche­r*in­nen begleiteten den Auftakt der Konferenz der Agrar­mi­nis­te­r*in­nen der Bundesländer und ihres Bundeskollegen Cem Özdemir (Grüne), die seit Mittwoch in Büsum an der Nordsee tagen.

Eines der Themen auf der Tagesordnung des Treffens, das noch bis Freitag dauert, lautet: Biodiversität. Doch um die ist es ausgerechnet im Gastgeberland Schleswig-Holstein schlecht bestellt. Darauf weist ein Bericht des zuständigen Landesamtes hin. Bei der jüngsten „Inventur der Natur“, so der Titel der Broschüre, kam heraus, dass sich der Zustand der Biotope in Schleswig-Holstein in den vergangenen Jahren verschlechtert hat.

Die Biodiversität schwindet direkt vor unserer Haustür“, fasst der Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) die Ergebnisse zusammen. Das Land habe im Vergleich zu 1980 bei der ersten Kartierung der Biotope und der dort lebenden Tier- und Pflanzenarten deutlich an Flächen verloren. Besonders wertvolle Bereiche wie Heiden, Dünen, Nassgrünland oder artenreiches Grünland wurden weniger erfasst. „Die Fläche der Wertbiotope hat sich fast halbiert und die Vielfalt der Pflanzen hat gleichzeitig abgenommen“, so der BUND.

Auf 132 Seiten kommt der Bericht des Landesamtes zu dem Schluss, dass von Menschen geprägte Landschaften wie „Acker, Intensivgrünland, Siedlungs- und Verkehrsflächen in erheblichem Maße zugenommen haben – auf Kosten von naturnahen Biotopflächen“.

Hauptproblem: Nährstoff- und Pestizideinträge

Beispiel Knicks: Nach Ende des Zweiten Weltkriegs gab es in Schleswig-Holstein noch rund 80.000 Kilometer der grünen Feldsäume, aktuell sind es noch rund 54.000 Kilometer. Die Flüsse, an denen Schleswig-Holstein mit rund 30.000 Kilometern besonders reich ist, sind zum größten Teil begradigt und ausgebaut und damit in einem „ungünstigen bis schlechten Erhaltungszustand“, heißt es in dem Bericht. Der wichtigste Grund, das zieht sich durch den ganzen Text, sind „hohe direkte und indirekte Nährstoff- und Pestizideinträge“.

Die kommen vor allem aus der Landwirtschaft. Doch deren Organisationen wehren sich vehement gegen alles, was nach Einschränkungen aussieht.

So hat der Bauernverband Schleswig-Holstein zwar 2018 einen „Dialogprozess Biodiversität“ mit dem grün geführten Umweltministerium – das damals auch für Landwirtschaft und ländliche Räume zuständig war – gestartet und verspricht auf seiner Homepage, „dem Artenschutz einen höheren Stellenwert zu geben“. Konkrete Maßnahmen aber verweigert der Lobbyverband. So würde das Paket aus Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung und Bundesnaturschutzgesetz dem Insektenschutz nicht helfen, aber durch „pauschale Auflagen und Verbote“ die Landwirtschaft massiv belasten. Überhaupt seien die „Ursachen des Insektenschwundes bislang nicht geklärt, auf jeden Fall aber vielfältig“, heißt es auf der Homepage.

Der Präsident des Landes-Bauernverbandes hieß 2018 noch Werner Schwarz. Heute ist Schwarz Minister für Landwirtschaft, ländliche Räume, Europa und Verbraucherschutz in Schleswig-Holstein. Seiner neuen Rolle ist sich der gelernte Landwirt, der lange den elterlichen Schweinemastbetrieb führte, durchaus bewusst und tritt moderierend auf. Inhaltlich steht er, das ist aus vielen Äußerungen zu hören, weiter klar auf der Seite der Landwirtschaft.

Bauernverband lehnt Verbote ab

Der Deutsche Bauernverband – hier war Schwarz fast ein Jahrzehnt Vizepräsident – fordert aus Anlass der aktuellen Agrarministerkonferenz einen „kooperativen Naturschutz und eine Verbindung zwischen Erhalt der Biodiversität mit einer produktiven Landnutzung“. Das klingt gut, meint aber, dass Land­wir­t*in­nen nur auf freiwilliger Basis den Umwelt- und Artenschutz voranbringen sollen. Denn „pauschale Nutzungsverbote“ und „mehr Schutzgebiete“ lehnt der Bauernverband ab.

Dabei ist die Erkenntnis, dass Biodiversität eine Grundlage für alles Leben ist, durchaus bei der Politik angekommen. Am Mittwoch bekannte sich Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) in einer Parlamentsrede mit Verve für den Erhalt einer vielfältigen Natur: „Wer nicht weiß, dass Biodiversität die Grundlage für Klima- und Artenschutz ist, hat schlicht den Ernst der Lage nicht erkannt“, sagte er in Richtung der Opposition, die sich zuvor über „grüne Spielwiesen“ im Haushalt mokiert hatte. Günther betonte: „Der Einsatz für Biodiversität steckt in der DNA von Schwarz-Grün und der CDU. Klimaziele sind für uns nicht verhandelbar.“

In den Zahlen drücke sich das anders aus, so das Fazit des BUND: „Trotz neuer Schutzgebiete und verbessertem gesetzlichen Schutz verschwinden wertvolle Lebensräume und die Artenvielfalt in einem dramatischen Tempo, und der Trend ist ungebrochen“, so Florian Schulz. „Die Biodiversitätsstrategie des Landes wird von der Regierung eher halbherzig betrieben.“

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