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Peru und die Fußball-WMDas Raubtier darf nach Russland

Perus Fußball hatte nur eine Hoffnung für die WM: Paolo Guerrero. Doch der Torjäger war gesperrt. Nun fährt er doch, und das Land jubelt.

Der Mummenschanz hat geholfen: Guerrero fährt mit Foto: dpa

Lima taz | Mit der Nummer neun werden wir gewinnen“, lacht eine Frau in die Kamera. Hinter ihr hüpft eine Menschenmenge in weißen Trikots mit dem roten Querstreifen der „Bicolor“. So wird die peruanische Natio­nalmannschaft genannt, die von ebenjenem Mann mit der Rückennummer neun angeführt wird: Paolo Guerrero. Der 34-jährige Mittelstürmer mit dem Künstlernamen „El Depredador“, das Raubtier, ist Kapitän, Goalgetter und dank eines Urteils des Schweizer Bundesgerichts nun auch wieder Hoffnungsträger der National­equipe.

Landesweit wurde Guerrero gestern gefeiert: Musiker intonierten Lobeshymnen, und Schulklassen schickten ihrem Idol Videobotschaften in die Schweiz, wo das Bundesgericht am 30. Mai die Aufschiebung der vom internationalen Sportgerichtshof CAS verhängten Dopingsperre von 14 Monaten beschlossen hatte.

Dadurch ist Guerrero bei der WM in Russland spielberechtigt, was der ohnehin schon omnipräsenten WM-Euphorie die Krone aufsetzte. „Ohne Paolo wären wir vielleicht als Kanonenfutter bei der WM geendet; mit Paolo sind wir ein achtbarer Underdog“, bringt es Carlos Manrique auf den Punkt. Der Taxifahrer ist einer der weniger aufgeregten Fans, hat lange in Italien gelebt und weiß, dass Peru nur in Bestbesetzung und als Kollektiv eine Chance hat. „Unsere Gruppe ist mit Frankreich, Dänemark und Australien wirklich hart, aber Gareca, der Trainer, hat Peru in den letzten Jahren wieder an Lateinamerikas Spitze herangeführt“, freut sich Manrique.

Der argentinische Trainer Ricardo Gareca lenkt seit 2015 die Geschicke der „Bicolor und landete gleich im ersten Jahr mit dem dritten Platz bei der Copa América einen Achtungserfolg. In der WM-Qualifikation lag Peru schließlich vor Chile auf dem fünften Platz und konnte sich im November schließlich mit dem 2:0-Sieg im Rückspiel gegen Neuseeland (Hinspiel 0:0) als letztes Team für die WM qualifizieren.

Ohne Paolo wären wir bei der WM Kanonenfutter. Mit Paolo aber sind wir ein achtbarer Underdog

Carlos Manrique, Taxifahrer

Das machte Trainer Gareca, einen hageren Typen, der als kleiner Bruder von Argentiniens Trainerikone César Luis Menotti durchgehen könnte, zum Natio­nalhelden. 36 Jahre hat Peru nicht mehr an einer WM teilgenommen. Entsprechend heftig wird zwischen Piura im Norden und Puno im Süden dem Großereignis entgegengefiebert.

Das Orchester braucht seinen Paganini

Doch schon gegen Neuseeland musste Gareca auf Paolo Guerrero, den „Paganini im Orchester“, verzichten. So hat der peruanische Journalist César Hildebrandt, alles andere als ein unkritischer Geist, Guerrero in einem Artikel genannt. Zu dem Zeitpunkt schien es noch unwahrscheinlich, dass der mit 33 Toren erfolgreichste Goal­getter Perus nach Russland reisen würde. Denn im Oktober 2017 war er bei einer Dopingkontrolle im Anschluss an das Qualifikationsspiel gegen Argentinien positiv auf Benzoylecgonin getestet worden. Das ist sowohl in Kokain als auch in dem in Peru weit verbreiteten Koka-Tee enthalten. Daraufhin wurde der in Brasilien bei Flamengo unter Vertrag stehende Stürmer, der früher auch bei Bayern München und dem Hamburger SV aktiv war, zunächst für 30 Tage und dann für ein Jahr von der Fifa gesperrt; schließlich wurde die Strafe auf ein halbes Jahr reduziert. Guerrero schaltete daraufhin den Sportgerichtshof CAS ein, um einen Freispruch zu erwirken. Doch seine Initiative ging nach hinten los, denn dort plädierte die Weltantidopingagentur (Wada) für eine Verlängerung der Strafe. Dem kam der Sportgerichtshof nach und verlängerte die Dopingsperre ohne detaillierte Begründung auf 14 Monate.

Das sei unzumutbar, urteilte nun das Schweizer Gericht und sorgte für die Aufschiebung der 14-monatigen Sperre. Prompt reiste ein zufriedener Paolo Guerrero aus der Schweiz nach Österreich, wo Peru sein WM-Trainingslager abhält.

Für Coach Gareca, der sein Spielsystem auf seine „beiden Veteranen“ Paolo Guerrero und Jefferson Farfán zugeschnitten hat, ist das eine exzellente Nachricht. Ohne Guerreo hätte er nämlich das 4-2-3-1-System umbauen müssen. Das bleibt ihm nun erspart und sorgt dafür, dass sich eine ganze Nation Hoffnung macht – zumindest aufs Achtelfinale. Dazu trägt auch Guerreros Sturmpartner Jefferson Farfán, der beim russischen Meister Lokomotive Moskau spielt und eine starke Saison mit wettbewerbsübergreifend 20 Toren hinlegte, bei.

Doch die Maxime von Coach Gareca lautet, demütig von Spiel zu Spiel zu denken. Das lebt Vizekapitän und Innenverteidiger Alberto Rodríguez auf dem Platz vor, und diese Einstellung gefällt Fans wie dem Bergführer Saúl Luciano Lliuya aus Huaraz, einer Stadt in Zentralperu. „Wir können nur gewinnen“, meint Lliuya, der sich auf seine erste Weltmeisterschaft freut. 1982, bei der letzten Teilnahme der „Bicolor“, war der heute 37-Jährige erst ein Jahr alt. So erlebte er das Ausscheiden nach zwei Unentschieden und einer Niederlage nicht bewusst.

Das kann wieder passieren, aber hinter den beiden Veteranen im Sturm spielt ein offensives Mittelfeldtrio, das für allerhand Wirbel sorgen kann. Renato Tapia, Christian Cueva und Edison Flores heißen die „drei Extremen“ von Coach Gareca. Sie wollen sich bei der WM auf der ganz großen Bühne präsentieren. Das will Paolo Guerrero auch. Allerdings der wohl eher zum letzten Mal.

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