Personenkult in Brasilien und Bolivien: Entbehrliche Männer
Ex-Präsident Lula in Brasilien und Evo Morales in Bolivien zeigen, so unterschiedlich ihre Situation ist, welche Gefahren im Kult um Personen steckt.
Z wei Länder, zwei linke Parteien und zwei Männer, die für deren Erfolg unerlässlich scheinen oder sich selbst dafür halten. Zwar stecken beide, Boliviens Präsident Evo Morales und Brasiliens Ex-Präsident Lula da Silva, in vollkommen unterschiedlichen Situationen. Lula, dessen Inhaftierung den Wahlsieg des Rechtsextremen Jair Bolsonaro überhaupt erst möglich gemacht hatte, ist gerade aus dem Gefängnis entlassen worden und wird von seinen Anhänger*innen frenetisch gefeiert. Evo Morales, der sich über seine eigene Verfassung und das Ergebnis eines Referendums hinweggesetzt und für eine eigentlich verbotene vierte Amtszeit kandidiert hatte, hat sich im Streit über die offenbar von Betrug gekennzeichneten Wahlen vom 20. Oktober selbst ins Abseits geschossen. Jetzt musste er nachgeben und steht vor dem politischen Aus.
Überall auf der Welt befördern Präsidialsysteme die Dominanz von Personen über Parteien oder Programme. Aber es ist besonders ärgerlich, wenn linke Regierungsprojekte wie das bolivianische im Würgegriff ihres Spitzenvertreters stehen, der an der Macht klebt und nicht dafür sorgt, Nachfolger*innen aufzubauen.
Evo Morales hatte gute Chancen, nicht nur als erster indigener Präsident in die Geschichte Boliviens einzugehen, sondern auch als einer, der enormen sozialen Fortschritt bei ökonomischer Stabilität geschafft und Bolivien eine gute, progressive und demokratische Verfassung gebracht hat. Mit seinem Klammern an der Macht hat er das alles eingerissen.
Lula in Brasilien kann man das nicht vorwerfen. Dennoch hat die brasilianische PT das Problem, dass da keine Führungsfiguren nachkommen. Je messianischer Lula verehrt wird, desto eher kommt ein Bolsonaro an die Macht, wenn Lula nicht antreten kann. Eine Linke, die von einer Person abhängt? Das ist fatal und hat mit linker Emanzipationspolitik nichts zu tun.
In Bolivien hat Morales in den letzten Tagen das traditionelle rhetorische Arsenal in ihrer Macht bedrohter lateinamerikanischer Linker bemüht: Ein von der Rechten orchestrierter Staatsstreich sei im Gange, warnte er und appellierte an die Solidarität aller Linken. Das war durchsichtige Propaganda. Nur: Gerade Erfahrungen wie die brasilianische, wo eine korrupte Rechte die PT-Präsidentin Dilma Rousseff hat absetzen und Lula ins Gefängnis stecken lassen, bestärken solche Diskurse. Oder der Putsch in Honduras 2009. Oder die Absetzung Fernando Lugos in Paraguay 2012. Es gibt sie, die rechten Staatsstreiche. Aber die Antwort darauf können nur starke demokratische Institutionen sein, nicht Verfassungsbruch und Wahlbetrug.
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