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Personalprobleme der SPDWunderheilerin gesucht

Lukas Wallraff
Kommentar von Lukas Wallraff

Schönstes Amt neben dem Papst? Das war einmal. Niemand will an Saskia Eskens Stelle SPD-Chefin werden.

Saskia Esken, SPD-Bundesvorsitzende, kommt zur Fortsetzung der Koalitionsverhandlungen von Union und SPD, am 7. April 2025 Foto: Michael Kappeler/dpa

H inter einer kleinen Nachricht steckt manchmal ein großes Drama. So ist es auch mit dem Verzicht von Manuela Schwesig auf eine Kandidatur für den SPD-Vorsitz. Ihre öffentliche Absage macht gleich mehrere Probleme der Sozialdemokratie deutlich: die personelle und die strategische Neuaufstellung.

Nach ihrer krachenden Wahlniederlage wäre es eigentlich naheliegend für die SPD, alles auf den Prüfstand zu stellen, also Programm und Personal. Ein solcher, radikaler Neuanfang wäre für die notorisch träge SPD ohnehin schwierig. Das Wahlergebnis hat ihn komplett verhindert: Weil sie für die einzig mögliche Regierung ohne AfD gebraucht wird, kann sich die SPD keine Grundsatzdebatten leisten und muss sich stattdessen erneut auf eine absehbar freudlose Koalition mit der Union mit vielen Kompromissen einstellen.

Die extrem problematische Weltlage macht eine Verjüngungskur noch schwerer. Wenn es um die wichtigsten Ministerposten geht, sind automatisch Routiniers im Vorteil, die wie Boris Pistorius Erfahrung beim Regieren haben. Oder Machtmenschen wie Lars Klingbeil, die schon dreiste Durchsetzungskraft bewiesen haben.

Umso wichtiger wäre es für die SPD, wenn sie wenigstens für die Parteispitze frische HoffnungsträgerInnen aus dem Hut zaubern könnte, die beliebter sind als Saskia Esken, die in ihrem Wahlkreis noch schlechter abschnitt als die SPD im Bund. Doch der Andrang hält sich in Grenzen. Schwesig will sich zu Recht auf den politischen Überlebenskampf gegen die AfD in Mecklenburg-Vorpommern konzentrieren, bei dem eine Zugehörigkeit zum Berliner Machtzentrum eher schadet.

Vorher hatte bereits die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger abgewunken. Kein Wunder: Der Co-Vorsitz neben dem Alphatier Klingbeil ist nicht gerade attraktiv. Zumal auch eine neue Parteichefin dazu gezwungen wäre, die Regierungskompromisse schönzureden, um einen dauernden Koalitionsstreit zu vermeiden. In dieser Lage neuen Schwung auszustrahlen, ist nicht unmöglich. Vielleicht schafft es ja die noch verbliebene Kandidatin Bärbel Bas. Aber es wäre ein Wunder.

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Lukas Wallraff
taz.eins- und Seite-1-Redakteur
seit 1999 bei der taz, zunächst im Inland und im Parlamentsbüro, jetzt in der Zentrale. Besondere Interessen: Politik, Fußball und andere tragikomische Aspekte des Weltgeschehens
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7 Kommentare

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  • Das eigentliche Problem ist doch die Fixierung auf eine Doppelspitze. Wer hat darauf den schon Lust?

    • @DiMa:

      Muss nicht, kann aber funktionieren.



      A macht die Parteiorganisation, B das Quasseln.



      Oder A macht good cop bei den anderen Parteien, B bad cop.



      Augenhöhe hilft oder auch eine akzeptierte Abstufung.



      So lässt sich evtl. auch länger durchhalten. Bedingung ist eine gute und häufige Abstimmung, gerade zu Beginn.

      • @Janix:

        Was Sie beschreiben ist das Verhältnis zwischen Vorsitz und Parteisekretär.

        Zwei Vorsitzende klappt nur, wenn einer den Frühstücksdirerktor gibt (beispielsweise Walter-Borjans oder der jetztige Co-Sprecher bei den Junge Grüne).

  • "Schwesig will sich zu Recht auf den politischen Überlebenskampf gegen die AfD in Mecklenburg-Vorpommern konzentrieren"



    Das ist wirklich eine sehr gute Wiedergabe der selbstbeweihräucherung dieser Frau.



    Wieso hält die Spd keine interne Wahl ab? Irgendjemand wird sich schon aufstellen lassen . Dass sie selbst nicht mehr wissen wer von ihnen welche Position vertreten soll ist aber schon bezeichnend. Der Wähler hat es vorher gemerkt.

  • Sollte Sie noch vor Ihrem Ableben irgendwann doch noch zurücktreten wäre sie sicherlich für die Lobbyarbeit der Klebstoffindustrie eine Bereicherung.

  • die Lage der spd ist wirklich desaströs.



    Das zeigt sich allein daran, dass eine Kandidatur von Nordstream-2-Schwesig überhaupt in Erwägung gezogen wird.



    Von "Personaldecke" kann in der spd keine Rede mehr sein.



    Sie liegt völlig blank da.



    Eine historische Niederlage.



    Schlecht für unser Land.

  • Schwesig wäre eine Fehlbesetzung. Durch ihr Fossilschmusen ist sie ständig angreifbar.



    Rehlinger ist wohl besser, doch das ist zu früh. Erst kommt das Saarland für die Frischgewählte.



    Parteivorsitz heißt sozialdemokratisch sein, die Partei zusammenhalten, Menschen entwickeln, gegenhalten und vorantreiben können. Esken schwäbelt vielleicht, aber sie ist klare Sozialdemokratin und nebenbei ein Symbol, dass auch Nicht-Politprofikarriere-Menschen in Deutschland es schaffen können. Zu früh niederschreiben sollte mensch sie bitte auch nicht.

    Ich sähe sie nun aber eher als Fraktionsvorsitzende oder im Kabinett. Erst muss gerade aber auch geklärt werden, wer die andere Person im Vorsitz ist. Bleibt Klingbeil wirklich im Vorsitz?