Pekings Gesetz zu Hongkong: Nicht das Ende, aber eine Zäsur
Mit dem Sicherheitsgesetz gegen die Demokratiebewegung in Hongkong droht eine zunehmende Radikalisierung.
F ür Hongkongs Zivilgesellschaft ist das Nationale Sicherheitsgesetz aus Peking eine Hiobsbotschaft. Für Beobachter kommt es aber wenig überraschend: Die Übergabe der einstigen britischen Kolonie im Jahr 1997 hat zweifelsfrei geregelt, dass Hongkong chinesisches Territorium ist. Das auf Stabilität bedachte China ist bei Weitem nicht der einzige Staat, der drakonisch auf systematische Blockaden und Straßenschlachten mit der Polizei reagieren würde.
Dass bald chinesische Sicherheitskräfte auf Hongkonger Boden operieren könnten, ist ohne Frage eine Zäsur für das prodemokratische Lager. Ein „Ende von Hongkong“, wie Abgeordnete das Gesetzesvorhaben bezeichnen, steht jedoch nicht zwangsweise bevor: Noch immer wird etwa das Strafgesetz von den lokalen Gerichten Hongkongs umgesetzt – und die sind bei Weitem kein verlängerter Arm der Kommunistischen Partei (KP).
Gleichzeitig ist Peking weitsichtig genug, ausreichend Autonomie und Rechtsstaatlichkeit in der Sonderverwaltungszone zu wahren, damit Hongkong als internationaler Finanzstandort nicht gefährdet wird. Dennoch droht eine Radikalisierung von Teilen des prodemokratischen Lagers. Die Angst, irgendwann unter vollkommener Kontrolle der KP in Peking zu leben, gepaart mit fehlenden wirtschaftlichen Perspektiven, könnte einen harten Kern in den Untergrund treiben.
Die Demonstrationen am Sonntag waren nur ein Vorgeschmack: Die Bewegung wird ihre Reserven für den symbolträchtigen 4. Juni mobilisieren. An jenem Tag vor 31 Jahren schlug Pekings Armee die Studentenbewegung am Tiananmenplatz blutig nieder. Internationale Medien werden besonders aufmerksam verfolgen, ob der Protestbewegung Hongkongs ein ähnlich tragisches Schicksal drohen könnte. Auf internationale Verbündete können die Aktivisten kaum hoffen: Bis auf Washington, das den Konflikt für seine eigenen Interessen zu nutzen weiß, und mit Abstrichen die Bundesregierung traut sich aus Angst vor Wirtschaftsrepressionen aus China fast niemand mehr, Unterstützung zu bekunden.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Gedenken an Hanau-Anschlag
SPD, CDU und FDP schikanieren Terror-Betroffene
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
Trump, Putin und Europa
Dies ist unser Krieg
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt