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Pekings Gesetz zu HongkongNicht das Ende, aber eine Zäsur

Fabian Kretschmer
Kommentar von Fabian Kretschmer

Mit dem Sicherheitsgesetz gegen die Demokratiebewegung in Hongkong droht eine zunehmende Radikalisierung.

Polizeieinsatz gegen pro-demokratische Demonstranten am Sonntag in Hongkong Foto: Vincent Yu/ap

F ür Hongkongs Zivilgesellschaft ist das Nationale Sicherheitsgesetz aus Peking eine Hiobsbotschaft. Für Beobachter kommt es aber wenig überraschend: Die Übergabe der einstigen britischen Kolonie im Jahr 1997 hat zweifelsfrei geregelt, dass Hongkong chinesisches Territorium ist. Das auf Stabilität bedachte China ist bei Weitem nicht der einzige Staat, der drakonisch auf systematische Blockaden und Straßenschlachten mit der Polizei reagieren würde.

Dass bald chinesische Sicherheitskräfte auf Hongkonger Boden operieren könnten, ist ohne Frage eine Zäsur für das prodemokratische Lager. Ein „Ende von Hongkong“, wie Abgeordnete das Gesetzesvorhaben bezeichnen, steht jedoch nicht zwangsweise bevor: Noch immer wird etwa das Strafgesetz von den lokalen Gerichten Hongkongs umgesetzt – und die sind bei Weitem kein verlängerter Arm der Kommunistischen Partei (KP).

Gleichzeitig ist Peking weitsichtig genug, ausreichend Autonomie und Rechtsstaatlichkeit in der Sonderverwaltungszone zu wahren, damit Hongkong als internationaler Finanzstandort nicht gefährdet wird. Dennoch droht eine Radikalisierung von Teilen des prodemokratischen Lagers. Die Angst, irgendwann unter vollkommener Kontrolle der KP in Peking zu leben, gepaart mit fehlenden wirtschaftlichen Perspektiven, könnte einen harten Kern in den Untergrund treiben.

Die Demonstrationen am Sonntag waren nur ein Vorgeschmack: Die Bewegung wird ihre Reserven für den symbolträchtigen 4. Juni mobilisieren. An jenem Tag vor 31 Jahren schlug Pekings Armee die Studentenbewegung am Tiananmenplatz blutig nieder. Internationale Medien werden besonders aufmerksam verfolgen, ob der Protestbewegung Hongkongs ein ähnlich tragisches Schicksal drohen könnte. Auf internationale Verbündete können die Aktivisten kaum hoffen: Bis auf Washington, das den Konflikt für seine eigenen Interessen zu nutzen weiß, und mit Abstrichen die Bundesregierung traut sich aus Angst vor Wirtschaftsrepressionen aus China fast niemand mehr, Unterstützung zu bekunden.

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Fabian Kretschmer
Korrespondent in Südkorea
Seit 2024 Korrespondent für die koreanische Halbinsel und China mit Sitz in Seoul. Berichtete zuvor fünf Jahre lang von Peking aus. Seit 2014 als freier Journalist in Ostasien tätig. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Betreibt nebenbei den Podcast "Beijing Briefing". Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.
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11 Kommentare

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  • Was immer man von der Art und Weise halten mag, wie die chinesische Führung die Verhältnisse in ihrem Machtbereich zu regeln pflegt. Sie schaffen es 1,4 Mrd. Menschen zu ernähren.



    "Auf internationale Verbündete können die Aktivisten kaum hoffen..."



    Das letzte Mal als internationale Verbündete Aktivisten unterstützt hatten, waren alle über den arabischen Frühling entzückt....(Washington, das den Konflikt für seine eigenen Interessen zu nutzen weiß....und mit Abstrichen die Bundesregierung....den Emanuel Geibel verkneife ich mir jetzt)



    Guess who said that, quote:



    "You cannot allow any of your people to avoid the brutal facts. If they start living in a dream world, it's going to be bad."

  • "Die Übergabe der einstigen britischen Kolonie im Jahr 1997 hat zweifelsfrei geregelt, dass Hongkong chinesisches Territorium ist."

    Ja, aber das muss ja nicht so bleiben. Man könnte die Souveränität von Hong Kong und auch Taiwan international anerkennen.

    Wo ist also die oft beschworenen "internationale Gemeinschaft" wenn sie mal gebraucht wird? Wahrscheinlich, wie immer, zu sehr damit beschäftigt gegen Israel und die USA zu agitieren....................

    • @Tobias Schmidt:

      Kirche im Dorf lassen: Die VR China hat das alte System bis 2047 zugesichert, umgekehrt wurde China die Eingliederung in das Festland ab 2047 zugesichert. Wer das eine in Frage stellt, macht es auch mit dem anderen.



      Man könnte den Hongkongern aber gern einen Asylort in Europa anbieten.

  • Als Normalmensch lehne ich grundsätzlich ab, sich von dummen Machtstrukturen das gesamte Leben versauen zu lassen. China hat der menschlichen Welt außer Allüren zur Machtübernahme keine Vorteile zu bieten. Die konsequente Abschirmung läßt auf eine eindeutig ideologische Zwangshaltung schließen. Eine gefährliche Konzeption, die zur Bedrohung der Welt, nicht zu deren Entlastung beiträgt.

  • Das sollte man sich in der Republik China gut anschauen...

    • @Sven Günther:

      Mit Sicherheit schaut man in der Republic of China auf Taiwan genau, was in Hong Kong passiert, und wird sich (wieterhin) nicht auf Zusicherungen der Kommunistischen Partei Chinas verlassen.

  • Die Gewalttäter verdienen es nicht, mit dem Prädikat "prodemokratisch" geadelt zu werden.

    • @Blauer Apfel:

      richtig,



      in Deutschland heißt sowas Hooligans, oder gewaltbereite Extremisten. Die können hier sogar vorbeugend in Haft genommen werden, als Gefährder.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Blauer Apfel:

      Niemand bezeichnet die chinesischen Sicherheitskräfte als prodemokratisch keine Sorge.