Pegida in Dresden nach der Landtagswahl: Zweiter Platz statt Meisterschaft
Etwa 1.500 Menschen versammeln sich am Montag nach der Landtagswahl bei Pegida. Die Wut auf die „linken“ Parteien, inklusive CDU, ist groß.
Die AfD hatte es lange vermieden, sich offen zu Pegida zu bekennen. Umgekehrt sehen diese die AfD sehr wohl als ihre Partei. „Heute ist die AfD zweitstärkste Partei in Sachsen und morgen stärkste Kraft in ganz Deutschland“, steht etwas umständlich auf einem Plakat. Wirkliche Euphorie verbreitet das Wahlergebnis vom Sonntag aber nicht: „Es wird uns auf kurze Sicht immer noch nicht helfen“, stellt Redner Lutz Bachmann zutreffend fest.
Denn obwohl viele Sachsen rechts gewählt haben, wird die Regierung wohl mit den Grünen so „links“, wie man es bei Pegida sieht, wie noch nie in Sachsen. Ein Paradox, das für die Pegidisten die Volksfeindlichkeit des politischen Systems nur umso deutlicher macht.
Bei der Bundestagswahl 2017 hatten rund 670.000 SächsInnen ihre Zweitstimme der AfD gegeben. Das waren über 70.000 mehr als bei der Landtagswahl am vergangenen Sonntag – ein Umstand, der in den letzten Tagen etwas untergegangen ist. „Eine absolute Spitzenleistung von Team AfD und dem Team Patrioten, hier auf dem Platz“, hatte Lutz Bachmann am Tag nach der Bundestagswahl 2017 gesagt und beschworen, dass dies erst der Anfang sei: Sie hätten zwei Jahre Zeit. „Dann sind in Sachsen Landtagswahlen. Und wir wollen den Ministerpräsident hier stellen.“
Daraus wird nun erstmal nichts. Entsprechend wird ausgeteilt. Eröffnungsredner Wolfgang Taufkirch gratuliert dem „vermeintlichen Wahlsieger NED“ der „Neuen Einheitspartei Deutschlands“. In Anspielung auf die SED rechnen die Pegidisten alle dazu, die sich gegen die AfD stellen – vor allem natürlich die „Täterpartei CDU“ mit Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer.
Sie wollen den rechtsextremen „Flügel“ der AfD
Dessen Name fällt, der Chor der „Volksverräter“-Rufe schwillt an. Kretschmer werde SPD und Grünen „den Speichel lecken und sich ordentlich bücken müssen“, sagt Taufkirch. Den neu gewählten AfD-Abgeordneten ruft er zu: „Lasst die CDU in diesem Sumpf verrecken und streckt ihr nicht noch die Hand hin. Treibt den Altparteienmob vor euch her, zieht ihnen die Masken von ihren verlogenen Fratzen und führt sie vor, jeden Einzelnen.“
Sechs Wochen im Osten: Vor der Landtagswahl in Sachsen am 1. September 2019 war die taz in Dresden. Seit dem 22. Juli waren wir mit einer eigenen Redaktion vor Ort. Auch in Brandenburg und Thüringen sind bzw. waren wir vor den Landtagswahlen mit unserem #tazost-Schwerpunkt ganz nah dran – auf taz.de, bei Instagram, Facebook und Periscope. Über ihre neuesten Erlebnisse schreiben und sprechen unsere Journalist*innen im Ostblog und im Ostcast. Begleitend zur Berichterstattung gibt es taz Gespräche in Frankfurt (Oder), Dresden, Wurzen und Grimma. Alle Infos zur taz Ost finden Sie auf taz.de/ost.
Pegida setzt darauf, dass das sogenannte Kenia-Bündnis aus Union, SPD und Grünen gar nicht erst zustande kommt. „Wir werden sehen, wie sich alle bei den Koalitionsverhandlungen die Augen aushacken“, sagt Bachmann.
Der dem rechtsextremen „Flügel“ der AfD zugehörige Brandenburger Spitzenkandidat Andreas Kalbitz habe sich am Wochenende „mit diesem Wahlergebnis frei gestrampelt“, sagt Taufkirch. Und das werde nach der Wahl in Thüringen im Oktober genauso für den „Flügel“-Chef Björn Höcke gelten. „Das heißt auch aufräumen im eigenen Stall“, ruft Taufkirch.
Der „Flügel“ solle den Einfluss der westdeutschen Landesverbände zurückdrängen. „Warum lasst ihr euch von denen so in die Suppe spucken, warum lasst ihr Euch von Meuthen so vorführen?“, fragt Taufkirch. Der aus Baden-Württemberg stammende angeschlagene Parteichef Jörg Meuthen fährt einen Schlingerkurs in Sachen „Flügel“. Einerseits sprach er bei dessen sogenanntem Kyffhäusertreffen, andererseits hatte er im Sommer gesagt der Flügel sei „nicht Teil der AfD“. Unverhohlen legt Taufkirch nahe: Der nach den Landtageswahlen im Osten gestärkte „Flügel“ soll Meuthen stürzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Experten warnen vor Trump-Zöllen
Höhere Inflation und abhängiger von den USA
Die Brennelementefabrik und Rosatom
Soll Lingen Außenstelle von Moskaus Atomindustrie werden?
Klimagipfel in Baku
Nachhaltige Tierhaltung ist eine Illusion