Pegida-Demo in Dresden: Erst zur Hetze, dann zu Herbert
Pegida demonstriert schon am Sonntag – offiziell, damit die Anhänger am Montag zum Grönemeyer-Konzert gehen können. Doch die mögen nicht.
DRESDEN taz | Dresden soll am Montag vor der Frauenkirche so etwas wie ein winterliches Woodstock erleben. Rund 250 Künstler werden unter dem Motto „offen und bunt“ ohne Gage auftreten, darunter Herbert Grönemeyer, Jan Josef Liefers und Bands wie Keimzeit und Silly. Der veranstaltende Verein „Dresden – Place to be“ hofft auf 30.000 Besucher. „Jeder Mensch guten Willens ist willkommen“, lud Initiator und Medizinprofessor Gerhard Ehninger ein.
Überraschend reagierte die Pegida-Führung darauf: Am Freitag teilte Sprecherin Kathrin Oertel mit, dass deshalb der montägliche „Abendspaziergang“ durch eine Kundgebung am Sonntagnachmittag ersetzt werde. Man wolle sich dem Motto „offen und bunt“ nicht verschließen. Deshalb habe man sich zur Verlegung entschlossen, damit sich die Spaziergänger mit ihren Familien „dieses kostenlose kulturelle Großerlebnis nicht entgehen lassen müssen“.
Was Oertel dann am Sonntag der Menge von laut Polizei etwa 17.000 Demonstranten auf dem Theaterplatz zurief, klang wieder ganz anders. Die Organisatoren würden „mit Geld um sich werfen, um Stars nach Dresden zu holen“. Unter den 50.000, die am Montag zum Konzert kämen, würden aber auch viele Pegida-Anhänger sein. Diese Äußerung wurde wiederum mit ablehnendem Grummeln quittiert.
Nur wenige hundert Gegendemonstranten in Warnwesten hatten sich am Rande eingefunden. Die Pegida-Gegner mobilisieren erst Montag. Die Idee für ein großes Solidaritätskonzert entstand im Verein „Place to be“ um die Jahreswende. Der Verein betreut sonst mit persönlichen Patenschaften ausländische Arbeitnehmer, Wissenschaftler oder Studenten, die nach Dresden kommen. Mit dem festivalartigen Auftritt so vieler bekannter Künstler wolle man genau die künstlerische und kulturvolle Seite zeigen, für die Dresdens Ruf eigentlich steht, erklärte Professor Ehninger.
Der große Dialog
„Es wird Zeit, dass wir nicht nur über Pegida-Ängste, sondern auch über Ängste vor Pegida und über die der Asylbewerber reden“, hatte bereits Dieter Jaenicke geäußert, künstlerischer Leiter des Europäischen Zentrums der Künste am Festspielhaus Hellerau. Die Organisationskosten werden über Spenden finanziert.
Unterdessen vergeht in Dresden fast kein Tag, an dem nicht zum großen Dialog mit dem Volk geblasen wird. „Warum (nicht) zu Pegida gehen?“ war am Freitag zum zweiten Mal ein sogenannter Fishbowl überschrieben, der diesmal im großen Rahmen des Dresdner Stadtmuseums stattfand. Als Privatmann, wie er betonte, saß auch Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) in einer der hinteren Reihen.
Aus erster Hand vernahm er Äußerungen zu Politik- und Demokratieverdrossenheit, Sympathiebekundungen für den kriminellen Ex-Pegida-Chef Bachmann, Überfremdungsängste, Zweifel am Vorrang von Freiheit gegenüber Sicherheit oder offene Ostalgie, etwa das Eingabewesen betreffend. Auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld zeigte viel Pegida-Verständnis und bedauerte, dass die CDU „den Platz rechts geräumt hat“. Gabriel differenzierte anschließend zwischen Pegida-Organisatoren und besorgten Demonstranten.
„Patriotische Europäer gegen die Amerikanisierung des Abendlandes“ nennt sich ein neues Kind von Pegida, das erstmals am Samstag in Erfurt etwa 1.000 Anhänger mobilisierte. „Pegada“ ist nach Medienrecherchen stark rechts beeinflusst und wendet sich gegen die „Terrormacht“ USA.
In Freiburg fand mit etwa 20.000 Teilnehmern die größte Anti-Pegida-Kundgebung dieses Wochenendes statt. Kritisiert wurde dort nicht nur Pegida, sondern auch die Abschiebepolitik der grün-roten baden-württembergischen Landesregierung. „Man muss kein Jurist sein, um zu wissen, dass es falsch ist, im Winter eine Roma-Frau mit ihren sechs Kindern in eine ungewisse Zukunft abzuschieben“, sagte Freiburgs grüner OB Dieter Salomon und forderte einen Winterabschiebestopp.
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